Aristoteles Tugenden (Areté)

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An sich unterscheidet sich der Begriff von Areté bei Aristoteles und den Sophisten durchaus nicht fundamental. Bei beiden ist Areté die Vortrefflichkeit einer Person, also das, was eine Person sein soll.

Dass sich die Vorstellungen darin, wie Areté konkret aussieht, also wie eine Person konkret sein soll, unterscheiden, liegt einfach daran, dass Aristoteles und die Sophisten Wertevorstellungen vertreten, die sich stark unterscheiden.

Internet findet sich nichts konkretes dazu..

Das ist vollkommen falsch. Zwar muss sich "im Internet" nichts dazu finden, aber es gibt genug (siehe meinen link mit dot am Ende).

Und wieso ist die Areté bei den Sophisten die Rhetorik, aber bei Aristoteles etwas komplett anderes?

Wieso sollte sie das Gleiche sein? Vielleicht hilft ein kleiner Ausflug in die Sprachgeschichte, hier die Etymologie von Arete: arete hat die gleiche Wurzel wie aristos, ein Adjektiv, was 'bester' heißt. Um alle Bedeutungen von arete einzufangen, kann man mal von der etymologisch abgesicherten Übersetzung "Bestheit, Vorzüglichkeit" ausgehen. Im Englischen bietet sich excellence an, die ehrenwerte Martha Craven Nussbaum hat ein Buch mit The Fragility of Goodness betitelt, die "Brüchigkeit" von Arete. "Best" kann man in allen möglichen Bereichen sein, im Kampf, in der öffentlichen Rede, auch Beine, Tiere und Ackerboden können "Bestheit" besitzen. Einen Eindruck gibt dieser Eintrag in einem griechisch-spanischen Wörterbuch (das beste, das auf dem Markt ist):

http://dge.cchs.csic.es/xdge/%E1%BC%80%CF%81%CE%B5%CF%84%E1%BD%B5

Du musst weder Griechisch noch Spanisch können, um die rötlichen Einträge zu verstehen oder im online-Wörterbuch nachzuschlagen.

In bestimmten Zusammenhängen bei bestimmten Autoren wird Arete als "moralische Bestheit" gebraucht, wofür es das leicht angestaubte Wort Tugend gibt. Auch das Wort Tugend hat so eine Geschichte. Es ist ja etymologisch verwandt mit 'taugen' (vgl. Tauglichkeit. Selbst der weise Wikiped weist s.v. 'Tugend' darauf hin.) und wird in älteren Texten auch für andere als moralische Tauglichkeit gebraucht. (Ich sehe gerade, dass der weise Wikiped auch das wie die Problematik des griechischen Arete-Begriffs anspricht.)

Damit ist klar, dass die Sophisten und Aristoteles, die keine Zeitgenossen waren, von unterschiedlichen "Bestheiten" sprechen konnten. Ob die Sophisten die Möglichkeit moralischer Exzellenz geleugnet haben, ist eine andere Frage. Wir haben wenige originale Schriften von ihnen und Platon, dem wir das Meiste über die Sophisten entnehmen, hat Alles darangesetzt, sie als unmoralisches Pack darzustellen. Aber nehmen wir an, ein Sophist habe in seiner Eigenschaft als Rhetoriklehrer und Coach -- wie soll man sonst einen Menschen nennen, der den Leuten Techniken beibringt, mit denen er beruflichen und politischen Erfolg hat? -- von Exzellenz gesprochen, dann muss er die rein moralische, "tugendhafte" Seite ignorieren. Das moralische "gut" taucht in Büchern über Marketing und Finanzanalyse ja auch nicht auf, ein gute Unternehmer ist kein Moralfex. Ob er sonst moralfexisch ist, ist eine andere Frage.

Wenn Du es so anschaust, verstehst Du, wie es zu scheinbaren Widersprüchen kommt, auch wenn Plato, vielleicht auch aufgrund der Konkurrenzsituation mit den Sophisten, einen Widerspruch in der Sache behauptet. Die anderen Fragen habt ihr sicher im Unterricht besprochen, ansonsten steht u.a. in plato dot stanford dot edu genug dazu.


Oberfrosch  19.05.2014, 13:12

Aristoteles Mesotes bezieht sich übrigens auf alle möglichen Bereiche, nicht nur den moralischen.

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„Aristoteles sieht wie Platon das Kriterium für das „Gutsein“ einer Person oder Sache in der Qualität ihrer spezifischen Hervorbringung. Ein Messer ist gut, wenn es gut schneidet, ein Auge, wenn es gut sieht. In diesem Sinne kommt einem Menschen Areté (Vortrefflichkeit, Tüchtigkeit, Tugend) zu, wenn er das hervorbringt (in die Tat umsetzt), was seiner naturgegebenen Bestimmung als Mensch entspricht. Diese Bestimmung ist für Aristoteles die Verwirklichung der menschlichen Vernunftbegabung durch ein vernunftgemäßes Leben. Darin besteht für ihn die Areté; nur der vernünftig Lebende ist ein guter Mensch.“ (Wikipedia) Für Aristoteles ist Tugend der Weg zur Glückseligkeit. Die Glückseligkeit wird hier aber nicht verstanden als subjektives Glücksgefühl, sondern als „geglücktes Leben“. Das Leben glückt dann, wenn der Mensch die Möglichkeiten verwirklicht, die in ihm angelegt sind. Während Kant eine moralische Pflicht des Einzelnen gemäß dem kategorischen Imperativ zur Verwirklichung des Gut-seins (Tugend) fordert, fordert Aristoteles nicht eine derartige Pflicht des Menschen. Er sagt aber, dass Tugend eine Voraussetzung zur Erlangung der Glückseligkeit sei, und nach Glückseligkeit strebe ein Jeder. Ja, die Glückseligkeit (geglücktes Leben) ist nach Aristoteles geradezu der Sinn des Lebens. - Dadurch, dass Tugend und Glückseligkeit bei A. eng miteinander verbunden sind, muss man untersuchen, was nach seiner Auffassung eigentlich Tugend ist. Darunter versteht A. jedenfalls nicht eine rigorose Einhaltung von abstrakten Moralgesetzen im Sinne einer Pflicht (s.o.). Tugend ist ihm eine pragmatische Haltung, worunter er ein „ethisches“ Verhalten versteht, das jedem Menschen zumutbar erscheint. Das sind ihm die „mittleren“ Haltungen, nicht die Extreme (Mesotes-Lehre). Z.B. die Tapferkeit ist nach A. eine Tugend, nicht dagegen die beiden Extreme Feigheit oder Tollkühnheit. Oder die Weisheit. Sie ist auf jeden Fall eine Tugend, nicht dagegen die Dummheit oder die Klügelei, die Besserwisserei. Humanität ist eine Tugend, nicht dagegen Menschenverachtung (Unmenschlichkeit) oder Humanitätsduselei usw. Aristoteles muss einen ganzen Katalog ähnlicher „Tugenden“ entwerfen, um seine Tugendethik darzustellen. - „Indes gehören zum Glück doch auch die äußeren Güter“, sagt er, „...denn es ist unmöglich, zumindest nicht leicht, durch edle Taten zu glänzen, wenn man über keine Hilfsmittel verfügt. (Hilfe von Freunden, von Geld und politischem Einfluss). Ferner: es gibt gewisse Güter, deren Fehlen die reine Gestalt des Glückes trübt, z.B. edle Geburt, prächtige Kinder, Schönheit; denn mit dem Glück des Mannes ist es schlecht bestellt, der ein ganz abstoßendes Äußeres oder eine niedrige Herkunft hat....., gehören also zum Glück doch auch solche freundlichen Umstände, weshalb denn manche die Gunst der äußeren Umstände auf eine Stufe stellen mit dem Glück – während andere der sittlichen Trefflichkeit diesen Platz geben.“ (Nik. Ethik, Buch I, 9) – Dass Aristoteles diese Auffassung nicht formalistisch in dem Sinne meinte, dass ausnahmslos nur Gesunde, Schöne und Vermögende glücklich sein können, dürfte selbstverständlich sein; diesen Vorbehalt hat er auch stets gemacht (s. z.B. wenn er sagt: „es ist zumindest nicht leicht, durch edle Taten zu glänzen, wenn man über keine Hilfsmittel verfügt....“ usw.). - M.E. ist die Tugendethik des Aristoteles veraltet. Sie ist nur eine Empfehlung, obendrein noch für kluge und tüchtige Zeitgenossen gedacht, die über körperliche Unversehrtheit, Schönheit und Gesundheit verfügen. - Das passt nicht mehr in die heutige Zeit. Maßgebend ist heute die Pflichtethik Kants. Er machte „aus einer Empfehlung zum guten Leben für kluge Zeitgenossen eine Grundlegung der Moral für jeden Menschen“ (Richard David Precht „Die Kunst, kein Egoist zu sein“, S. 183).