Warum wird Sport und Fitness so viel Bedeutung beigemessen?

7 Antworten

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Faktor 1:

Du musst gucken, wo wir herkommen. Auch, wenn es eine Evolution gibt, die ist manchmal doch ziemlich langsam. Von den Höhlenmenschen bis zur jüngeren Vergangenheit, unsere Vorfahren mussten quasi Sport machen, um zu überleben. Sie mussten schwer heben, schnell laufen, sich in unwegsamem Gelände bewegen inkl. auch mal irgendwo einen Baum oder einen Fels hochklettern, ... Ausdauer- und Kraftsport war Teil des Behausungsbaus und der Nahrungsbeschaffung.

Das haben wir immer noch in unseren Genen - aber nicht mehr in unserem Alltag. Wenn wir aber die Gene ignorieren, werden wir zwar nicht zwangsweise krank (es gibt auch Leute, die ohne Sport kerngesund steinalt werden, aber die sind die Minderheit), aber mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit. Statt Behausungen zu bauen und jagen zu gehen, ist es also überaus empfehlenswert, einen adäquaten Ersatz dafür in unseren Alltag einzubauen, sprich irgendwas mit Ausdauer und irgendwas mit Kraft (muss nicht Joggen und Gym sein, wenn man auf sowas nicht steht).

Ist halt genauso wie mit dem Rauchen, man findet immer das Beispiel wo jemand mit 100 Zigaretten am Tag mit 90 mit Altersschwäche gestorben ist (meine Großeltern zum Beispiel), aber die Mehrzahl haut es mit 50, 60, spätestens 70 mit kleinzelligem Lungenkrebs weg - genauso ist es beim Sport, man findet immer dieses Beispiel, wo jemand ohne Sport noch relativ gut auf der Höhe 100 wird, aber die Meisten haben eine deutlich verminderte Lebensqualität im Alter (weil Ausdauer und Muskeln fehlen), sind anfälliger für Krankheiten und beißen unnötig früh ins Gras.

Denn Ausdauer stärkt das Herz-Kreislauf-System und stabile und zugleich geschmeidige Muskeln entscheidet darüber, ob wir mit 60 schon am Rollator gehen oder mit 90 noch fröhlich rumhüpfen.

Faktor 2:

Spaß! Ich kann ja nachvollziehen, dass, wenn man im Schulsport wie ein nasser Sack am Reck hing oder als Kampfkugel durch den Cooper-Test gehechelt ist, oder zum Abnehmen in ein schwitziges Gym gegangen ist und sich dann gefragt hat, was daran so toll sein soll, ein paar Stahlscheiben zu bewegen, dass man sich dann fragt, warum Sport Spaß machen soll.

Die Welt da draußen ist aber viel größer.

Und da ist für jeden was dabei. Einfach mit offenen Augen durch die Welt gehen.

Das macht man erst mal für sich selbst und verhindert damit zumindest schon mal mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eigene schwere Krankheiten. Ist ja erst mal auch nichts schlechtes, für einen selbst und für das Gesundheitssystem.

Faktor 3:

Wenn du jetzt sagst, man heilt damit keine schlimmen Krankheiten: Heilen vielleicht nicht - aber verhindern.

Gerade wenn ich einen Sascha Huber sehe, der als Strahlemann auf Youtube seine Übungen vorführt, die er auch selbst fühlt - sowas färbt ab. Gibt es in jeder anderen Sportart auch. Und jeder, der dann damit anfängt und sich selbst damit wahrscheinlich (Restrisiko bleibt immer) vor schweren Krankheiten schützt - dann hat Sascha Huber viele seiner Nachahmer mit seinem positivem Sport-Vibe angesteckt und damit vor schweren Krankheiten bewahrt - und das ist sogar noch besser, als diese zu heilen, wenn sie da sind.


Hipokrize 
Beitragsersteller
 13.09.2024, 22:23

Da sind viele gute Punkte in deinem Text, doch ob Sport so ein Allheilmittel ist, bezweifle ich. Bewegung ja. Das kann man nicht abstreiten. So als lockere Freizeitbeschäftigung klar. Es ist natürlich besser statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Doch ob Leistungssport, professioneller Sport so gesund ist 🤔 Ich meine es gibt Sportsüchtige, die sich ihre Knochen kaputt trainieren … Außerdem kenne ich im entfernteren Familienkreis ein Ehepaar. Die Frau ernährte sich sehr gesund, überwiegend vegetarisch und machte viel Sport. Sie starb mit Anfang 80. Ihr Mann isst fettig, raucht wie ein Schlot und lebt und geht auf die 90 zu.
Natürlich gibt es immer Ausnahmen. Ja, und wenn ich so viel rauchen würde, dann würde es mich sicherlich schon mit 50 erwischen.
Also ja Bewegung kann (zum Teil) Krankheiten vorbeugen, doch ist es nicht richtig zu behaupten, man werde nur dann krank, wenn man keinen Sport treibt. Manche Menschen machen alles richtig und werden trotzdem krank. Da gibt es keine Regel. Ich denke da gibt es noch viel mehr Faktoren.

Gipfelstuermer  13.09.2024, 22:54
@Hipokrize

In deinem letzten Absatz reflektierst du es ja gut selber. Und dennoch bleibt offen, wie alt wäre die Frau geworden hätte sich nicht so auf sich Wert gelegt. Und wie alt könnte der Mann werden, wenn er nicht rauchen würde. Menschen miteinander zu vergleichen die unterschiedlicher manchmal nicht sein können. Macht in meinen Augen wenig Sinn.

Und zum Thema Leistungssport der war noch nie gesund. Den betreiben aber die wenigsten Hobby Sportler.

volker79  14.09.2024, 10:11
@Hipokrize

Das ist das, was ich meine, man findet immer Beispiele, die komplett konträr zu der allgemeinen Statistik sind, aber die allgemeine Statistik betrifft halt eben die Mehrzahl der Leute. Die Frau, die mit 80 gestorben ist - 80 ist ja erst mal nicht schlecht, man muss bedenken, dass schlechte Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel manche Leute schon ein bis mehr Jahrzehnte vorher dahinraffen. Vegetarisch ist auch nicht immer ein Garant für Gesundheit. Ovo-Lacto-Vegetarisch oder pescetarisch (Ovo-Lacto-Vegetarisch oder Vegan plus Fisch) kann verdammt gesund sein, wenn nicht sogar die beste Ernährungsform überhaupt - man muss nur wissen, wie. Weiß man es nicht, und das wissen die wenigsten, wird schnell eine Mangelernährung draus. Und Vegan... ja, man umschifft Krebs-Faktoren wie rotes Fleisch komplett, aber ohne Supplements ist das immer eine Mangelernährung. Möglicherweise hätte sie mit einer dezenten Menge Fleisch älter werden können.

Klar, Profisport ist nicht immer gut, so mancher Fußballspieler kippt auch mal auf dem Platz um, weil es doch zu viel war fürs Herz. Der Hobby-Fußballspieler ist kerngesund. Aber wenn sich die kleine Riege der Profis sozusagen freiwillig opfert, damit andere Bock auf den Sport haben, ist das deren Sache und der Mehrzahl der Leute hilft es. Und Profi-Bodybuilding, Dinge wie Gelenkabnutzung und Muskelabrisse, man kennt es. Aber gehen wir doch mal ein paar Fitness-Influencer durch, teilweise aus Zeiten, wo das Wort "Influencer" noch nicht mal erfunden war:

  • Jane Fonda: Hat sich in den 80ern in knallenge Leggins und Bodys in Neonfarben geschmissen und vor der Kamera ein Tanz-Workout namens Aerobic vorgeführt und weltweit unzählige Leute davon begeistert. Sie schien auch danach noch aktiv zu sein, ist heute noch kerngesund und fit und wird im Dezember 87 Jahre. Ihr hat es nicht geschadet sondern vermutlich eher geholfen, denen, die sie begeistert hat, hat es geholfen. Die erste Fitness-Influencerin im großen Maße überhaupt.
  • Boris Becker: Wurde mit seinem Wimbledon-Sieg 1985 zum ersten deutschen Tennis-Influencer, so viele Leute in Deutschland wie noch nie wollten auf einmal Tennis lernen. Denen hat er ein tolles, gesundes Hobby beschert. Dass er selbst im Moment eher "mäh" drauf ist, liegt daran, dass er seinen Profisport nicht als Hobby und/oder Trainer fortgeführt, sondern eher skurrile Kapriolen geschlagen hat wie in einer Besenkammer eine Frau über angeblich skurrile Umwege zu schwängern und auch sonst sämtliches gesundes Leben drangegeben hat.
  • Moderne Fitness-Influencer - Klar, ist es nicht abzusehen, wie sich diese noch verhältnismäßig jungen Leute entwickeln werden. Aber Sascha Huber habe ich schon erwähnt, der trainiert sehr gesundheitsorientiert, dem ist ein hohes Alter mit hoher Lebensqualität beschert, und der ist der erste, dem ich zutraue, mit 95 wenn er merkt, es geht zu Ende, noch mal aus dem Totenbett aufzustehen, an einem Laternenmast eine Human Flag zu machen und aus der Position direkt tot in den Sarg zu fallen. Und die Leute, die er begeistert, können ähnlich gesund werden und bleiben. Eher Bodybuilding-orientierte Influencer wie Simon Teichmann, Gotti und Zitronenquark wissen und sagen auch, dass Bodybuilding nicht gerade ein Gelenkschmeichler ist und werden möglicherweise auch mit den Konsequenzen leben müssen. Trotzdem können sie alt werden, wenn auch dann die Bewegung was mehr schmerzt, als bei einem Sascha Huber. Aber: Ihre Tipps sind immer zweigleisig, wenn man genau hinhört, willst du Bodybuilding machen, kannst du so das maximale bei minimalem Schaden rausholen, wenn du gesundheitsorientiert bist, mach eine "Light-Version" davon.
  • Jegliche Influencer, oder ich würde es eher Sport-Botschafter nennen, die sowas Calisthenics, Turnen, Parkour, ihren Kampfsport (wobei das auf Youtube immer schwierig ist, ohne Trainingspartner und ohne Ausführungskontrolle), Klettern, Tanzen (egal ob Ballett, Standard oder Pole) und was es sonst noch so gibt ihren Leuten nahebringen, begeistern Leute von einem gesunden Freizeitsport und sind auch selbst weit davon entfernt, sich selbst mit dem Sport zu schaden, sondern Kandidaten, für ein langes, aktives Leben.

Und du merkst, ich fasse immer lang und aktiv zusammen. Meiner Meinung nach ist es nämlich besser, mit 85 fröhlich trällernd auf dem Fahrrad oder bei der Gartenarbeit umzukippen und Schluss, als 90 zu werden und die letzten 25 Jahre als bewegungsunfähiges Gemüse zu verbringen. Lebensqualität im Alter, und für die braucht man vor Allem Muskeln, die einen noch durchs Leben tragen.

volker79  14.09.2024, 10:12
@volker79

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Ausdauersport ist dabei das Eine (das Herz ist ja auch ein Muskel und wird durch Ausdauersport und nicht irgendwelche Hantel-Curls trainiert) und Radfahren, selbst auf dem Weg zur Arbeit statt ÖPNV oder Auto, ist ein Ausdauersport, wenn auch einer, der sich super in den Alltag integrieren lässt. Aber um die Kraft- und Stützmuskulatur im Alter, wenn man irgendwann Muskeln verliert, zu haben, muss man sich im jungen Alter etwas Vorrat aufbauen. Und wie gesagt, unsere Vorfahren mussten nicht nur schnell rennen, sondern auch schwer heben, bei denen waren Ausdauer- UND Kraftsport Bestandteil der Überlebensstrategie.

Gesunde, fitte Menschen können besser und länger Nutzen für den Staat und die Gesellschaft erzeugen. Abgesehen davon kosten sie den Staat weniger Geld im Gesundheitssystem. Das wirkt sich auch auf mentale Gesundheit aus.

Sport verhindert Krankheiten.

Weil Sport dein Leben verlängert und du somit länger Zeit hast, was für die Welt zu machen.

Du hast damit durchaus Recht. Man hilft mit dem Sport nur sich selbst (und vielleicht noch denen, die dich nicht Jahre lang pflegen müssen, wenn deine Zivilisationskrankheiten dann mit 60, 70 Jahren kicken). Bewegung tut gesundheitlich gut, daran besteht kein Zweifel. Obschon es natürlich ein Zuviel gibt, aber da kommen die allermeisten Breitensportler:innen nicht ran.

Aber unsere Gesellschaft sieht sich als "Leistungsgesellschaft" (oder lässt sich das zumindest suggerieren). Und der sportliche Wettkampf ist eine der offensichtlichsten und zudem spektakulärsten Leistungsüberprüfungen, die es gibt. Daher wird sehr viel dafür getan, das Bild der Leistungsgesellschaft in Form des Sports hochzuhalten. Damit lässt sich viel Werbung machen und Konsum generieren.