Warum wird Bach als "Deutscher" und Mozart als "Österreicher" bezeichnet?

5 Antworten

In gewisser Weise war Mozart beides: Das Problem bei der Fragestellung ist, dass es zu Mozarts Zeit weder einen deutschen, noch einen (davon klar getrennten) österreichischen Nationalstaat gab. Und es existierte damals kein österreichisches Nationalbewusstsein. Im Sinne der heutigen Landesgrenzen müsste man Mozart als Österreicher bezeichnen, im Sinne der historischen Grenzen aber auch als Deutschen. Auf jeden Fall war er aber stets ein Salzburger. Nach hingehen kann man in jedem Sinne alles Deutschen verzeichnen.

Mozart gehörte zum Fürsterzbistum Salzburg, einer selbständigen Kirchenprovinz, bei welcher der Bischof kirchliches und zugleich auch weltliches Oberhaupt in einer Person war ("Fürsterzbischof"). Als Teil des "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" (das u.a. die Territorien der heutigen Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich mit einschloss) gehörte Salzburg zur territorialen Gliederungseinheit des "Bayerischen Reichskreises". Mozart bezeichnete sich daher im Sinne des Heiligen Römischen Reiches auch selbst als "Deutscher" -- eben nicht im Sinne der heutigen bundesdeutschen Landesgrenzen oder einer bundesdeutschen Nationalidentität, sondern im Sinne des HRR. Salzburg wurde erst ab 1805 (für kurze Zeit) bzw. endgültig ab 1815 ein Teil des Habsburgerreiches und stand daher zu Mozarts Lebzeiten auch nicht unter der Verwaltung Wiens. Da aber keine österreichische Identität oder ein österreichisches Nationalbewusstsein im 18./19. Jahrhundert existierte, lag der Gedanke aus Sicht der Mozartzeit aber auch überhaupt fern, sich als "Österreicher" zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ist auch nicht bei Zeitgenossen Mozarts zu finden.

Der Salzburger Fürsterzbischof war päpstlicher Legat und trug seit dem 16. Jahrhundert den Titel Primas Germaniae. Damit war er der höchstrangige Erzbischof aller deutschen Länder (teilweise neben den Erzbischöfen von Trier, Mainz und Magdeburg). Somit war er auch nicht anderen Deutschen Fürstentümern unterstellt -- als weltliches Oberhaupt nicht und erst recht nicht als kirchliches Oberhaupt.

Historisch ist ein österreichisches Nationalbewusstsein so richtig erst im 20. Jahrhundert nach dem ersten Weltkrieg entstanden. Insbesondere vor 1848, also auch zu Mozarts Zeit, begriff man sich, besonders in der Musik hinsichtlich der Ästhetik und zahlreiche kulturelle Facetten, als "süddeutsch". Dazu zählten v.a. der deutschsprachige Teil des Kaiserreichs Österreich, mit Mähren und Südböhmen, dann noch Bayern, Württemberg und das Fürsterzbistum Salzburg. Bach wäre demgemäß eher "norddeutsch" gewesen. Allerdings galt diese Unterteilung zu seiner Zeit nicht die sehr wie im späten 18. oder auch im mittleren 19. Jahrhundert.

Innerhalb des gemeinsamen Sprachraums sah man sich mit Selbstverständlichkeit als "deutsch". Das habsburgische Vielvölkerreich hatte es nie geschafft, ein einheitliches und übergeordnetes (österreichisches) Nationalbewusstsein zu etablieren. Zu unterschiedlich waren seine Völker und Kulturen. Vielmehr teilte man den Sprachraum "Deutschland" in Nord und Süd, ähnlich wie in der BRD in den Köpfen heute noch zwischen Ost und West unterschieden wird.

Österreich gab es, aber tatsächlich nicht im heutigen Sinn und der heutigen Ausdehnung als Nationalstaat. Mozart war gebürtiger Salzburger, der später sein Leben in Wien (der Hauptstadt auch des damaligen Österreich) verbrachte. Insofern ist die Bezeichnung als Österreicher völlig in Ordnung, auch wenn Salzburg damals ein eigenständiges Fürstentum im HRR war.

"Deutschland" gab es: als lose Bezeichnung für den deutschsprachigen Raum Europas, aber längst nicht als Nationalstaat. "Deutsch" war damals keine Zuschreibung einer Staatsangehörigkeit, diese Bedeutung ist erst im 20. Jahrhundert gefestigt worden. In damaliger wie heutiger Hinsicht kann man aber Bach natürlich als Deutschen bezeichnen.

Irgendwie kennst du dich in Geschichte nicht so recht aus. Österreich gab es.


Hessen001 
Beitragsersteller
 27.07.2023, 16:24

Es gab das Herzogtum Österreich. Es gab aber noch keinen Staat Österreich.

Bach war Sachsen-Eisenacher, Mozart Salzburger. Hinsichtlich der heutigen politischen Dimensionen kann man sie getrost als Deutschen bzw. Österreicher bezeichnen. Ganz simpel alles.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Musikalisch unterwegs seit über fünfunddreißig Jahren.

Hessen001 
Beitragsersteller
 27.07.2023, 16:25

Naja, ich finde, so wie manchmal diese Komponisten von Rechten vereinnahmt werden, ist es schon wichtig mal kritisch darauf hinzuweisen, dass es "Deutschland" in dem Sinn damals noch nicht gab.

Ruenbezahl  28.09.2023, 22:18
@Hessen001

Deutschland gab es damals tatsächlich, und zwar meinte man damit alle Gebiete, in denen deutsch gesprochen wurde. Die Reduzierung Deutschlands auf das Gebiet der heutigen BRD ist eine ganz neue und nicht besonders sinnvolle Erscheinung.

Es liegt an den Geburtsorten und deren heutige Zugehörigkeit. Mozart war damals übrigens Bayer.


Hessen001 
Beitragsersteller
 27.07.2023, 05:50

War er nicht eher Salzburger? Schließlich war Salzburg ein eigenes Fürstentum.

jo135  27.07.2023, 06:55

Mozart war gebürtiger Salzburger, wo er auch aufwuchs. Salzburg war damals schon seit mehreren Jahrhunderten ein eigenständiges Fürsterzbistum bzw. Fürstentum, nicht etwa Teil Bayerns.