warum versteht jeder die bibel anders?

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Weil sie so viele Fehler enthält.

Das ist eine relativ moderne Erscheinung, seit die Bibel nicht mehr wörtlich ausgelegt wird. Erst vor gut 40 Jahren ist auch die katholische Kirche drauf gekommen, dass eine wörtliche Auslegung nicht mehr funktioniert, weil dann leicht nachgewiesen werden kann, dass die Bibel jede Menge Widersprüche und Falschaussagen enthält.

Um das zu umgehen, geht man dazu über, die Bibel nicht mehr wörtlich zu verstehen sondern nur noch im übertragenen Sinn, damit man sich je nach Bedarf alles so hinbiegen kann, wie man es gerade braucht. Und da es sehr unterschiedlich ist, was der Interpretator gerade braucht, fallen die Interpretationen inzwischen auch ziemlich unterschiedlich aus. Jeder dichtet sich nun da rein, was er gerne möchte und das führt naturgemäß zu sehr unterschiedlichen Auffassungen, wie einzelen Texte zu verstehen sind.


omikron  06.11.2015, 16:50

Moment mal... Die Bibel wortwörtlich auszulegen war die Idee Martin Luthers. Die Katholische Kirche hat das noch nie getan und wusste immer, dass die Bibel erklärungsbedürftig ist. Vielfach wurde und wird sie dafür angegriffen, weil sie nicht dem Wort allein traut. 

Genau betrachtet tust du ja nichts anderes und erklärst, man müsse "Widersprüche" "umgehen", weshalb man die Bibel nicht wörtlich nehmen könne. Du kannst also mit deiner Ansicht problemlos katholisch werden!

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Hamburger02  06.11.2015, 18:03
@omikron

Meine Quellen sagen etwas anderes, nämlich dass die RKK erst ab dem II. Vatikanischen Konzil von der wörtlichen Auslegung abgerückt ist.

Auszug aus einer Arbeit, die an der katholischen Fachhochschule Freiburg im Fach Religionspädagogik verfasst wurde:

http://www.pbueche.de/wp/wp-content/uploads/dei\_verbum-entstehung\_und\_wirkung.pdf

Daraus ein Auszug der Einleitung, Hervorhebung/Ergänzung durch mich:
"Zunächst erscheint es einfacher, mit einem solchen Verständnis (Ergänzung: dem wortwörtlichen Verständnis) an die Heilige Schrift heranzugehen. Man liest den Text Wort für Wort und nimmt ihn so als verbindlich an. Auch in der römisch-katholischen Kirche herrschte ein solches Schriftverständnis bis vor vierzig Jahren vor...."

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RobinsonCruesoe  07.11.2015, 20:34
@Hamburger02

Das wortwörtliche Verständnis der Bibel ist keine grosse Tradition der Katholischen Kirche. Man hat im Gegenteil den Vorwurf erhoben, die Auslegungen der Bibel seien zu allegorisch. Ich denke, die wörtliche Deutung der Bibel ist ein Ergebnis der historisch-kritischen Exegese, als man anfing, die Bibel an ihren historischen Aussagen zu messen. Diese Lesart nahm ihren Anfang im Protestantismus.

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Hamburger02  08.11.2015, 08:47
@RobinsonCruesoe

Also ich bin jetzt kein Experte auf dem Gebiet der katholischen Bibelexegese. Allerdings sprechen die Fakten, die ich kennen, für eine unterschiedliche Herangehensweise früher und heute.

Zum einen bestätigt die oben verlinkte katholische Facharbeit ausdrücklich, wann und wie sich das Verständnis der Bibel in der RKK gewandelt habe. Sie führt sogar die unterschiedlichen Positionen der Diskussion auf.

Vor längerer Zerit, daher weiß ich Namen und Zahlen nicht mehr ganz genau, sah ich eine Dokumentation über die Ägyptenforschung. Da wollte um 1850 ein Italiener (?) nach Ägypten, um Inschriften zu erforschen. Dazu benötigte er aus irgendeinem Grund die Genehmigung der kath. Kirche und die erhielt er nur unter der Bedingung, dass falls er irgendetwas finden würde, das auf ein höheres Alter der Erde als 6000 Jahre hinweise oder sonstwie der Bibel widersprechen würde, dass er das dann nicht veröffentlichen dürfe. Stattdessen solle er diese Erkenntnisse geheim halten und nur der Kirche mitteilen.

Für mich ist ein wichtiger Prüfstein dafür, ob jemand die Bibel wörtlich nimmt oder nicht, die Genesis. Eine wörtliche Auslegung führt zum Kreationismus, eine allegorische bzw. mythologische Auslegung kann Urknall und Evolution akzeptieren. Und dass die Genesis mit der Evolutionstheorie vereinbar ist, hat der Papst erst vor wenigen Jahren offiziell verkündet.

Aus eigener Erfahrung des Religionsunterricht in den 1960er Jahren weiß ich, dass als Reaktion auf einen Hinweis zur Evolutionstheorie regelmäßig die Antwort kam "Du magst vom Affen abstammen, ich bestimmt nicht." Da unterschieden sich Evangelen und Katholiken nicht groß.

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weil viele stellen undeutlich sind und jeder mensch hat andere Gedanken, Meinungen und erfahrungen, daher bastelt sich jeder Mensch dann seine eigene Geschichte daraus :)

Ist ja auch ok, wenn nicht einige Menschen oder gruppen meinen, nur ihre Sicht wäre die einzig richtige.

Weil jeder sie so verstehen will, dass sie ihm passt.

Auf diese Weise formt nicht mehr die Bibel das Leben des Menschen, wie es sein müsste, sondern der Mensch formt die Bibel. Sonst müsste der Mensch sich manchmal ändern, und wo kämen wir denn da hin, wenn Gott dem Menschen dreinreden dürfte!

Weil die Bibel kein Sachbuch mit neutralen, statistischen Informationen ist, sondern sich aus Erzählungen zusammensetzt. die unterschiedlich interpretiert werden können..

Individuelle Interpretation

Ein Gleichnis, eine Geschichte, oder einen Brief kann man unterschiedlich bewerten und beurteilen.

  • Man kann den Inhalt wörtlich, als die Lehre eines Gottes an mehrere Propheten verstehen und genau so auf das eigene Leben beziehen.

oder

  • Man kann den Inhalt als Grundlage für historische Nachforschungen und archäologische Arbeit nutzen.

oder

  • Man kann den Inhalt als rein moralisches Lehrwerk verstehen. Die Taten hätten dann gar nicht so stattgefunden, sondern wären rein symbolisch.

Das sind nur drei von mehreren Auslegungsversuchen.

Kollektive Auslegung

Bestimmte Gruppen haben ein Interesse daran, ihrer eigenen Ideologie einen höheren Anschein von Autorität zu geben, indem sie sich auf die Bibel beziehen.

In diesem Fall würde die Interpretation der Bibel als "Qualitätsmerkmal" für die angebliche Richtigkeit der eigenen Lehre herangezogen werden.

Nach dem Motto: "Bereits in der Bibel wird auf unsere Lehre hingewiesen, deshalb ist sie bereits sehr alt und wahr".

Dann wird eine gruppentypische Art entwickelt, die Bibel so auszulegen, dass sie die Regeln, Gebote, Verbote und Vorgaben der Gruppe zu legitimieren scheint.

In solch einem Fall kann die Bibel leicht zur Manipulation von Gläubigen eingesetzt werden.

Allerdings ist die Manipulation durch einseitige Interpretation auch bei jeder anderen Schrift möglich und nicht auf die Bibel beschränkt.

Auch der Qur'an der Muslime kann unterschiedlich ausgelegt werden und alle möglichen Interessengruppen können ihre eigenen Ansichten durch diese Schrift unterstützen lassen.

Wenn man "Beweise" dafür finden will, dass der Mond aus Käse besteht, kann man sich aus der Thora, der Bibel, dem Qur'an oder Sutras irgendeine Theorie zusammenbasteln und behaupten, die eigene Lehre sei wahr, da sie im Buch XY steht.

Es gibt da ein sehr passendes Zitat

"Ich bin nur dafür verantwortlich was ich sage - nicht dafür, was du verstehst"

Und das ist für jeden etwas Anderes....