Warum sprechen manche Menschen in der 3. Person mit anderen Leuten?
Hallo🌸😊
In einer Gegend von Deutschland, in der ich schon oft war - in Mecklenburg-Vorpommern, nahe Brandenburg, fiel mir auf, dass viele Menschen dort in der 3. Person sprechen. Allerdings nicht über sich selbst, sondern mit anderen Menschen. Mich hat schon lang interessiert, warum das so ist. Wie entsteht so ein Sprechstil, wieso sprechen Menschen so? Und warum fiel mir das bis jetzt nur dort auf?
Hier einige abgewandelte Beispiele, damit ihr euch besser vorstellen könnt, wie ich es meine:
(Ich gehe zu einem Arzt)
Arzt: "Guten Tag, was hat sie denn?"
Ich: "Ich habe Kopfschmerzen"
Arzt: "Und wie lang hat sie die schon?"
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(Ich stehe an der Kasse)
Kassiererin: "das macht dann 45,53€."
Ich: "Gern, hier bitte. Wollen Sie 53 Cent?"
Sie: "Wenn Sie 53 Cent hat, kann sie mir das gerne geben."
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(Ich bin in einem Laden)
Ich: "Entschuldigen Sie, haben Sie noch diesen bestimmten Saft?"
Die Mitarbeiterin: "Nein, es ist nur noch das da, was sie hier sieht."
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Ich habe dazu nichts im Internet gefunden, ich habe nur von Fällen gelesen, bei denen Leute über sich selbst in der 3. Person reden, nicht aber mit anderen Menschen. Wisst ihr, wie man das nennt, woher das kommt und habt ihr das auch schon erlebt?
LG Rose🌸😊
Das Ergebnis basiert auf 10 Abstimmungen
5 Antworten
Das ist ja witzig. So hatte man früher gesprochen, etwa im 18.Jahrhundert:
"Sieht Er, Herr Wirt; wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muß raus: Er ist doch ein Grobian, Herr Wirt!"
(Lessing, "Minna von Barnhelm", 1768)
Das ist ein Überrest von alten Anredeformen, wie das "thou" (du) im Englischen, das in über 90% des englischen Sprachraums verschwunden ist (heute ist es natürlich "you", was üblich ist), aber in einzelnen Stellen in Nordengland manchmal noch zu hören ist.
Aber interessant ist das schon. Das spricht dafür, dass sich mancherlei Altes in den deutschen Dialekten halten konnte, was aus der Hochsprache schon lange verschwunden ist. In meinem Heimatdialekt (Moselfränkisch) bekommen Frauen immer noch ein neutrales Genus - wir sagen "et" ("es") statt "sie" in der 3.Person, es heißt auch nicht "die Marianne" sondern "et Marianne" - "et" kann man mit niederländisch "het" vergleichen, was dort auch mit einem neutralen Nomen zusammen benutzt wird (het bedrijf = das Geschäft).
Danke für den interessanten Beitrag.
Das stimmt, und Deutsch ist viel mehr als nur Hochdeutsch - gerade in den Dialekten kann man viel Spannendes hören/lesen. :)
Das kommt mir jetzt nicht ganz unbekannt vor, obwohl ich's gar nicht mehr konkret zuordnen könnte. Wikipedia hat jedenfalls auch schon davon gehört.
Danke dir! Meinst du, dass das vom Plattdeutschen abgeleitet sein könnte? 🤔😊
Ich weiß es nicht. Ich könnte mir aber eher vorstellen dass es in Berlin und nördlich davon früher verbreiteter war. Aber eigentlich hab ich keine Ahnung :-S .
also dem Arzt hätte ich gesagt, können Sie nicht sprechen? oder woran hapert es^^
finde ich befremdlich.
Solche Leute wollen offenbar keine ausgewogene Beziehung zu dem aufbauen, mit dem sie sprechen. Da würde ich das Gespräch dann eher beenden oder es spaßeshalber mitmachen, weil andersrum gefällt denen das meist nicht "hat sie noch den bestimmten Saft?" "hat er kein Rezept für meinen Kopfschmerz?" :)
Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber die Menschen sprechen dort nunmal so, ich halte es nicht für gut, zu sagen, was richtig oder falsch wäre. In Hessen sagen viele Leute "net" zu nicht. Im Saarland sagt man "han" zu habe. Die Menschen sprechen nunmal dort so, das hat offensichtlich mit der Region, nicht mit Bildung zu tun - das kann man weder als richtig noch als falsch bezeichnen. Ich frage mich einfach, woher das kommt, wie sich das entwickelt hat und ob es das noch woanders gibt. Aber ich danke dir für deine Meinung. (Ich meine es nicht böse, aber das ist meine Ansicht)
LG Rose :) 🌸😊
"net" ist Dialekt, das ist doch völlig normal. Aber sein Gegenüber nicht mit Sie oder du anzusprechen, ist befremdlich, weil es die persönliche Beziehung zwischen den Sprechenden, sagen wir mal verzerrt und genau das würde ich mein Gegenüber auch spüren lassen. Eine solche Kommunikation ist unüblich und solange er sich mit mir unterhält, erwarte ich von ihm normale, höfliche Umgangsformen, entsprechend der allgemeinen Gepflogenheiten, sonst ist das Gespräch beendet oder ich ziehe ihn damit auf, wenn mir danach sein sollte. "hat er kein Rezept für meinen Kopfschmerz?" Man ist ja nicht immer zu Späßen aufgelegt.
Sicher ich habe dir ja nur meine Meinung mitgeteilt, worum du gebeten hattest. Du darfst gern deine eigene dazu haben. LG
Ich denke für die Menschen dort gehört das Sprechen in der 3. Person genau so dazu wie das "net" in Hessen 😊 also ist es dort normal, dein normal muss nicht überall auch für alle normal sein. Ich finde es aber auch dass es etwas seltsam klingt, deshalb möchte ich die Leute dort aber nicht aufziehen das wäre irgendwie gemein, sie wissen ja nicht, was sie falsch machen, denn in ihren Augen, machen sie alles (wie immer) richtig :) LG
natürlich wissen sie was normal ist, weil ein solcher Unterhaltungsstil wird in keiner deutschen Schule unterrichtet. Die wissen schon wie's geht und was sie falsch machen. Sie sollen ja auch ihren Dialekt pflegen, du lieber Himmel, das machen doch alle gern. Aber zu den Regeln einer angemessenen Gesprächsführung, so wie sie es in der Schule gelernt haben, gehört gegenseitige Wertschätzung und dass man nicht in der 3. Person mit dem anderen spricht. Ich unterscheide also zwischen dem, was sie machen dürfen, weil es Lokaldialekt ist und zwischen dem, was ich nicht von ihnen hinnehme, falls sie sich mit mir unterhalten wollen, das sind landesweite Gepflogenheiten der Gesprächsführung auf Augenhöhe. Daher würde ich den Arzt direkt fragen, ob er nicht vernünftig sprechen könne oder - je nach Laune - auf seine Sprechweise umschwenken "hat er von solchen Kopfschmerzen schon mal gehört" :) LG
Ich stelle es mir witzig vor, wie du dann mit dem Arzt in der 3. Person sprichst, der Arzt wüsste dann bestimmt gar nicht ob du dich selbst meinst oder ihn 🤔😂😂
eben drum, sicher ist das witzig xD ich geb ihm gern von dem Schmarren zurück, so viel er braucht oder will. Ich weiß ja auch nicht, wen er meint. Siehst du, du erkennst selbst Unsicherheiten, die von dieser Kommunikation ausgehen können. Seriöse Menschen, wie Ärzte, können sich so einen Sprachstil gar nicht erlauben, es sei denn, er nimmt dich nicht für voll. Dann räumt er dir den mit Erwachsenen gepflegten du/Sie-Sprachstil nicht ein, weil er nicht bereit dazu ist. Das liegt aber dann an der Beziehungsebene, die nicht ausgewogen und auf Augenhöhe ist. Man kann es aus der Entfernung nicht sagen, es kann aber leicht zu Irrtümern führen. Das ist jedenfalls, wenn man sich geschäftsmäßig mit Fremden oder sogar Kunden bzw. Patienten unterhält, zu vermeiden. LG
Achso und: natürlich ist das befremdlich für dich, aber deshalb ist das noch nicht gleich unfreundlich gemeint 😊 man kann ja nicht in eine andere Region gehen und dann erwarten, dass alle Leute dort Hochdeutsch sprechen, ohne Dialekt oder Soziolekt oder so :)
Früher war diese Sprechart gang und gäbe. Meine Oma hat sich immer in der 3. Person unterhalten, vor allem bei fremden Leuten. "Wo ist Er denn her?" oder "Wie schreibt Ihr Euch denn?" - damit wollte sie den Familiennamen wissen. Und die Anrede - in Briefen - war immer in Versalien: die Anrede für Du, Dich war Er oder Sie. Was mir gerade einfällt: Karl May hat stets in der 3. Person geschrieben. Also, mit Du oder Sie war da nix.
Oh Dankeschön, gut zu wissen. Vielleicht ist das ja auch nur unter den älteren Leuten verbreitet dort
Nee, das war oder ist bei uns in Franken auch. Wie gesagt: meist die Älteren.
Also ich wohne in MV aber das ist mir noch nicht aufgefallen, hört sich ja sehr komisch an!😰😂
Ich danke dir für deinen Beitrag! Dass Frauen in Rhein- und moselfränkischen Dialekten ein neutrales Pronomen bekommen, habe ich auch schon mitbekommen! Ist auch interessant! Das kommt einem auch erstmal fremd vor - genau wie das mit der 3. Person. Sprache ist schon was interessantes, gerade weil es so ein vielfältiges Thema ist