Warum gibt es zwei Versionen der Schöpfung (Genesis 1 und 2)?

5 Antworten

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Das sind nicht zwei unterschiedliche Versionen, sondern Gen 2 ist eine detailliertere Ergänzung zu Gen. 1:

Gen 1 beschreibt die ganze Schöpfung chronologisch, während in Gen 2 dann detaillierter auf die Bedeutung des Menschen eingegangen wird. Gen 2 kann schon deshalb kein zweiter Schöpfungsbericht sein, weil die Erschaffung des Universums, der Erde und des Meeres fehlen.

Viel mehr setzt Kapitel 2 am dritten Schöpfungstag an:

Bild zum Beitrag

Vers 5 beginnt mit „Es war aber noch kein Strauch des Feldes gewachsen“. Die Erschaffung der Erde und des Lichts wird nicht erwähnt. Mose setzt hier am dritten Schöpfungstag an, nachdem Gott Wasser und Land getrennt hat. In Vers 7 ist dann von der Erschaffung Adams die Rede.

Das ist aber kein Widerspruch zu Gen 1, da die Erschaffung der Pflanzen gar nicht erwähnt wird. Die Erschaffung der Pflanzen ist zwischen Vers 6 (Bewässerung des Erdbodens) und 7 anzuordnen. Da es in Gen 1 bereits behandelt wurde, muss es in Gen 2 nicht nochmal explizit wiederholt werden. Die weitere Beschreibung spielt sich dann am 6. Schöpfungstag ab.

Gen 1+2 widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander. Z.B würde  Gen. 1 allein nicht den Ursprung der Sünde erklären. Weiteres zu den Zusammenhängen und scheinbaren Widersprüchen hier: https://www.wort-und-wissen.org/disk/d91-1m/

Es wird auch kritisiert, dass 2 Gottesnamen verwendet werden. Dazu:

Nur weil 2 Namen verwendet werden, bedeutet das nicht gleich, dass es auch 2 Schreiber sind. Der Grund für den Namenswechsel liegt im Verwendungszweck. Elohim in Gen 1 ist der passendere Name, da dieser Name den Allerhöchsten in der Welt als Ganzes am Werk zeigt, während JHWH (ich bin der ich bin) im detaillierten Bericht über den Menschen die Gegenwart Gottes dem Menschen gegenüber verdeutlicht.

Ein Wechsel der Gottesnamen findet auch an anderen Stellen statt, ohne dass gleich verschiedene Schreiber angenommen werden. Ich zitiere von Wort und Wissen:

So haben sog. E- und P-Stücke auch den Gottesnamen Jahwe (E: Gen 15,1f+7f; 20,18; 22,14ff.; 28,21 / P: Gen 7,16; 17,1), während sog. J-Stüke auch Elohim verwenden ( Gen 2,4; 3,1-5; 4,25; 16,13; 32,30). Überdies sind die Gottesnamen häufig so eng miteinander verbunden, daß eine objektive Scheidung der Quellen anhand dieses Kriteriums sinnlos ist. Westermann urteilt: “Den Bestreitern der Quellentheorie ist zuzugeben, daß der Wechsel der Gottesbezeichnung für sich genommen und mechanisch angewandt die verschiedene Autorenschaft nicht beweisen kann.” https://www.wort-und-wissen.org/disk/d99-2m/

lg

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Eigener Glaube -- bin bibelgläubiger Christ
 - (Christentum, Bibel, Judentum)

Witcher1Spieler 
Beitragsersteller
 14.10.2024, 00:15

Danke, super beschrieben. Dass es sich nicht widerspricht, war mir klar, nur wieso. Ich konnte das ehrlichgesagt nicht erklären

Jetzt sind das schon so viele gute Antworten, dass ich gar nicht weiss wem ich den Stern geben soll xD

SurvivalRingen  14.10.2024, 00:17
@Witcher1Spieler

Gerne und Danke

Jetzt sind das schon so viele gute Antworten, dass ich gar nicht weiss wem ich den Stern geben soll xD

Tja, die Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen ;)

Stand der Forschung ist, dass beide Schöpfungsmythen aus zwei Zeitebenen stammen.

Die Ältere (Gen 2) ist aus der Zeit des großen Königs David, vielleicht älter und sie wurde da nur aufgeschrieben. Zumindest muss sie aus einer Zeit stammen, in der Ägypten eine Bedrohung war. Die Schlange, das personifizierte Böse, finden wir an der Krone des Pharaos wieder.

Die Jüngere stammt nachweisbar aus der Zeit des Exils in Babylon (597 - 539 v. Chr.). Durch die Exilerfahrung und den (vorübergehenden) Verlust des geistigen Erbes (Schriftrollen der Thora) und der Enttäuschung des Erlebten, stellte man erneut die Frage, woher kommen wir? Statt blumiger Worte, wie bei Adam und Eva, wählte man eine leicht zu merkende Version eines Liedes mit Strophen und Refrain. Zufälligerweise besteht auch der babylonische Schöpfungsmythos aus Gedichten.

Den Refrain des jüdisch Schöpfungsmythos kennst Du:

"Und Gott sah, dass es gut war. Es wurde Abend, es wurde morgen [nächster] Tag."

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Weil die Bücher Mose aus einer Priesterschrift kommen, siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Priesterschrift_(Bibel)

Diese Textpassagen wurden zur unterschiedlichen Zeit verfasst und dann sozusagen "zusammengedruckt".

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Theologie im Bachelor und Soziologie im Master

Witcher1Spieler 
Beitragsersteller
 13.10.2024, 22:45

Ah, das heisst, eines ist nicht wahr? Wieso wurde das dann so aufgenommen?

TreuZuGott333  13.10.2024, 22:48
@Witcher1Spieler

Ich würde jetzt nicht sagen, dass eins davon nicht wahr ist. Die Schöpfung wird ja in Gen 1,1–2,4a beschrieben. Man kann das Eine als ein Zusatz für das andere sehen. Ich sehe darin auch keinen Widerspruch.

Witcher1Spieler 
Beitragsersteller
 13.10.2024, 22:49
@TreuZuGott333

Naja, sagt das eine nicht aus, dass der Mensch nach einer Sache geschaffen wurde, und das andere, dass der Mensch davor geschaffen wurde? Dann aber klar, ein Zusatz ist es trotzdem

TreuZuGott333  13.10.2024, 22:50
@Witcher1Spieler

Du musst wissen, es gibt ja noch in z.B. dem Talmud einige Zusätze zu Adam und Eva. Und in manch anderen Apokryphen, wie dem Buch Henoch. Diese Informationen kommen auch nicht in den Büchern Mose vor.

TreuZuGott333  13.10.2024, 22:52
@Witcher1Spieler

Naja, es entspricht nicht dem biblischen Kanon, aber ob es falsch ist, entscheidet schlussendlich der Leser.^^

Es gibt zwei Schöpfungsberichte, die verschiedene Blickwinkel auf das Geschehen werfen und einander ergänzen. Auf keinen Fall handelt es sich aber um verschiedene Schöpfungsberichte, die sich widersprechen. Wie beide zueinander passen, wird beispielsweise hier recht gut erklärt: Zwei verschiedene Schöpfungsberichte? :: bibelkommentare

Sehr empfehlenswert und interessant zur Frage ist auch der folgende Artikel: Genesis 1 und 2: Zwei sich ergänzende Schilderungen vom Anfang (wort-und-wissen)


Witcher1Spieler 
Beitragsersteller
 13.10.2024, 23:44

Vielen Dank, sehr ausführliche Texte, also kurz: Es ist einfach nur etwas detaillierter und schliesst sich nicht aus.

Eine Frage hab ich aber noch, wie kann dann das hier sein, also die Tabelle?

https://de.wikipedia.org/wiki/Schöpfungsgeschichte_(Jahwist)#Gegenüberstellung_mit_dem_Schöpfungsbericht_der_Priesterschrift_in_Genesis_1

chrisbyrd  13.10.2024, 23:55
@Witcher1Spieler

Auf Wikipedia sind die Aussagen der Bibelkritik (der historisch-kritischen Bibelexegese) wiedergegeben, die mit völlig falschen Ansätzen an Gottes Wort herangeht.

Die historisch-kritische Bibelexegese hat viele Menschen von der Bibel entfernt, indem sie die Heilige Schrift zum Märchenbuch deklariert hat. Wenn man z. B. daran zweifelt, ob Jesus auferstanden sein kann und davon ausgeht, dass Joseph der leibliche Vater von Jesus ist, kann man die Bibel gleich "in die Tonne" werfen (um es mal etwas übertrieben zu formulieren), da man wesentliche Grundlage des Glaubens entfernt und die Möglichkeiten Gottes, das zu tun, was wir als "Wunder" bezeichnen, von vornherein ausschließt.

Ein weiteres Beispiel wäre das mit den angeblich beiden Schöpfungsgeschichte, die sich widersprechen. Das ist typisch für die Bibelkritik. Leider...

Ich bevorzuge die historisch-grammatische Bibelexegese, die ich nur empfehlen kann. Auf diese Art sind auch Jesus, die Apostel und die Propheten des Alten Testaments mit der Bibel umgegangen. Das erkennt man z. B. an der Art und Weise, wie sie Bibelstellen zitieren.

Tipp: Gute Bibelkommentare wie die von Walvoord, MacArthur, Ryrie oder MacDonald können helfen, die biblischen Texte besser zu verstehen. Ich nutze sie häufig und habe schon oft von ihnen profitiert. Sie basieren alle auf der historisch-grammatischen Bibelexegese.

Die MacArthur-Studienbibel kann man hier im PDF-Format kostenlos herunterladen kann: Die komplette Studienbibel als PDF-Datei | Sermon-Online

Der MacDonald-Bibelkommentar findet sich hier kostenlos als PDF:

Witcher1Spieler 
Beitragsersteller
 14.10.2024, 00:10
@chrisbyrd

Ah verstehe, danke

Das ist typisch für die Bibelkritik

Ja, das geht soweit dass das hier gemacht wurde, meiner meinung nach völliger Schwachsinn https://philb61.github.io/

Tipp: Gute Bibelkommentare wie die von Walvoord, MacArthur, Ryrie oder MacDonald können helfen, die biblischen Texte besser zu verstehen. Ich nutze sie häufig und habe schon oft von ihnen profitiert. Sie basieren alle auf der historisch-grammatischen Bibelexegese.

Vielen dank, oft wenn ich etwas nicht verstehe und nicht selbst erklären kann suche ich im Internet, ist etwas schwierig, da man einiges nicht findet

chrisbyrd  14.10.2024, 21:39
@Witcher1Spieler

Ja, das kenne ich gut...

Deshalb schaue ich meist in den Bibelkommentaren nach, die mir schon häufig geholfen haben.

Das besondere am Judentum war seit je her, dass sie neue Erkenntnisse (hier von den Babyloniern) aufnehmen konnten ohne ihre älteren Texte einfach zu verwerfen, weil sie auch darin Lehrreiches finden konnten.

Dass diese zwei sich völlig widersprechenden Texte gleich ganz im Anfang der Genesis und der Bibel stehen, kann uns aber auch sagen Wie genau Gott alles macht und lenkt und tut, können wir gar nicht überschauen, so wie wir es auch später zB in den Gottesreden an Hiob erfahren.