Wäre eine normschöne Frau aus dem 21. Jahrhundert im Mittelalter auch als schön wahrgenommen worden?
Das mittelalterliche Schönheitsideal (zumindest in der westlichen Welt) war ja eine große Stirn, ein kleiner Mund und blasse Haut.
Wäre beispielsweise Adriana Lima, die ja ziemlich universell attraktiv aussieht trotzdem auch als eine schöne Frau wahrgenommen worden? Oder wäre sie weniger schön gewesen?
11 Antworten
Buchillustration als der Coburger Manesse
Hallo, Isitrue!
Schön, dass Du dich für die Alltagskultur des Mittelalters interessierst, es ist ein spannendes Thema. Doch bevor wir 1000 Jahre zurück gehen, solltest du dich von Kunstbegriff "Normschön" trennen. Er mag ja in einem feministischen Seminar gerade in sein, ist aber höchst irreführend.
Schönheit kann man messen und es gibt einige Grundvoraussetzungen, die nötig sind um als attraktiv bis schön wahrgenommen zu werden. Bei Frauen sind diese:
- Ebenmäßiges Gesicht
- Junges, gesundes Aussehen
- Gerader Wuchs mit den richtigen Proportionen
- Die richtigen Proportionen im Verhältnis Gewicht, Körpergröße
- Volles Haar
- Nicht zu dünn
- Nicht zu dick
Diese Punkte sind zu allen Zeiten gleich geblieben, da sie uns in die biologische Wiege gelegt wurde. Das ist heute nachweisbar durch exakte Studien und war auch nie anders.
Walther von der Vogelweide besang bereits um 1250 den grazilen Wuchs der Damen. Abbildungen aus dem gesamten Mittelalter zeigen zwar idialisierte Personen, aber eben zumeist sportlich, schlank, gesund, agil. Und das bei Frauen und Männern. Wenn sehr Dicke auftauchen, so dann meist als Symbol für ein Laster, wie z.B. Gier oder Maßlosigkeit. Vom molligen Schönheitsideal späterer Zeit, sind wir also sehr weit entfernt.
Würde Adriana in das Schönheitsideal passen?
Ich kannte sie nicht und musste erstmal nachschlagen. Mir gefällt sie gar nicht, finde sie überhaupt nicht schön. Aber mein individueller Geschmack kann ja von der Masse abweichen. Also würde ich sagen, fürs Mittelalter... also ich muss raten... eher nein.
Viel zu lazsiv, sehr breiter Mund. Zu sehr auf starke Reize gestylt. Das Mittelalter war zwar nicht so starr und prüde wie man allgemein glaubt, aber schon sittenstrenger als heute. Keuschheit war tatsächlich eine Tugend. Also würde ein sexy Auftreten und Style vermutlich eher abstoßend gewirkt haben.
Das ist aber nur die Aufmachung, anders angezogen und Auftreten können eine Person ganz anders wirken lassen.
Das ritterliche Schönheitsideal bei Männern, und was durchaus auch genauso gelebt wurde, waren schlanke, sehr trainierte Typen. Keinesfalls Bodybuildertypen.
Ich würde vermuten, nicht. Ich finde z.B. die Mona Lisa, oder andere Frauen auf Gemälden der Zeit absolut nicht attraktiv. Ginge den Menschen damals heute sicher auch so.
Da Schönheit auch damals im Auge des Betrachters lag und auch damals nicht jeder den exakt gleichen Geschmack hatte, ja.
Eher weniger. Lima ist mehr "hot" als "beautiful", d. h. sie zielt mehr auf Provokation des männlichen Geschlechtstriebes als auf die männliche Liebe.
In der Zeit der abendländischen Kultur hingegen wurde bei Frauen das Liebenswerte, Engelhafte idealisiert. Also gar nicht fitte, straffe Körperformen oder Sexualmerkmale wie Brüste und Gesäß, sondern vielmehr engelhafte Gesichtszüge. Man schaue sich die Gemälde von Malern die Botticelli an.
Und unter den Haarfarben galt in der Kulturzeit eigentlich nur das güldene Haar als schön. Siehe Agnolo Firenzuola, der in seinen Dialogo delle bellezze delle donne das alte "arische", also indogermanische Schönheitsideal in allen Details beschreibt. Da gibt es nicht eine Spur von der "Hotness" der jetzigen Verfallszeit.
Ja, denke ich auch. Das ist bei sehr vielen Models und Schauspielerinnen von heute so.
die Topmodels der heutigen Zeit wären damals vermutlich in die Pest- oder Leprakolonie gekommen. So dürr wie die sind, würden sie als totkrank gesehen werden, als dürre Schrapnellen.
Wenn du wissen willst, welche Frau in der Renaissance als schön gesehen wurde, solltest du dir die Venus von Botticelli anschauen. Heute würde sie vermutlich als dicklich gesehen werden, jedenfalls von den Modezaren.
Und 100 Jahre später im Barock würden wir die damaligen Schönheiten von Rubens als fett ansehen.
Jo und in all den Jahrhunderten zuvor waren Frauen schlank gemalt worden.
Aber wäre sie glaubst du von der Bevölkerung durchschnittlich als weniger schön als eine mittelalterliche normschöne Frau wahrgenommen worden? Oder glaubst du, die Schönheitsnorm hatte nichts mit dem Geschmack des Volkes zu tun und wurde eher vom Adel propagiert?