Vorurteile/ Hass gegen reiche Menschen?

9 Antworten

Das ist wirklich eine interessante Frage.

Was Du über die Armen in der Einrichtung, in der Du gerade tätig bist schreibst, muss ich leider bestätigen.

Ich habe einmal ein paar Monate in einer Armenküche ehrenamtlich mitgearbeitet und war über das Verhalten und die Undankbarkeit des Großteils unserer "Gäste" auch schnell enttäuscht.

Das jemand arm ist macht ihn nicht automatisch zu einem guten Menschen.

Genausowenig sind reiche Leute automatisch gierig und unsozial - oder gar schlechte Menschen.

Die Wut vieler Leute aus der unteren Mittelschicht - eher nicht der ganz Armen, kann ich mir nur durch ungleiche Chancen erklären.

Der amerikanische Traum: Durch harte Arbeit zu Reichtum gelangen zu können, ist in unerreichbarere Ferne gerückt.

Wohlhabende Leute haben einfach viel bessere Startvoraussetzungen.

Und es ist einfach frustrierend zu wissen, dass man sich anstrengen und Karriere machen kann wie man will, aber trotzdem nie den Lebensstandard von reichen Erben erreichen wird.

Das führt dann zu Neid und dieser (bei einigen) dann zu Hass.

Ich hoffe Du kannst mit diesem Versuch einer Erklärung etwas anfangen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter

verreisterNutzer  27.02.2023, 10:27

Ja danke! Toller Kommentar. Die USA ist ein gutes Beispiel. In Deutschland finde ich es aber im Großen und Ganzen gerecht. Es besteht überwiegend Chancengleichheit.

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Ich denke, ich habe einen guten Überblick, über das Leben der Reichen, Armen und Durschnittsverdiener. Ich arbeite momentan für die ärmsten Menschen aus Deutschland, um mich auf mein Studium vorzubereiten.

Hast du denn schon einmal in einer Sozialwohnung gewohnt, die auch noch mitten in einem Brennpunkt liegt? Hast du einmal bei einem Edeka für weniger als den Mindestlohn gearbeitet ("Nebenjob für Schüler") und weißt, was das für eine harte körperliche Arbeit ist?

Ich zeige und erwähne nie, dass meine Familie wohlhabend ist und bekomme daher auch viele Meinung mit.

Das ist sehr vorbildlich von dir. Ich kann ebenfalls behaupten, dass meine Familie sehr wohlhabend ist. Dennoch legten unsere Eltern sehr viel Wert darauf uns beizubringen, wie viel harte Arbeit hinter dem Vermögen steckt und das wir unser Glück zu schätzen wissen und nicht damit angeben. In meinem Jahrgang gab es einen Jungen, dessen Eltern einige gut laufende Fahrradläden besaßen. Bedauerlicherweise gab er mit dem Geld seiner Eltern vor den anderen Mitschülern an und prahlte damit, dass er ja die neuste Konsole und die neusten Spiele von ihnen einfach so geschenkt bekamen. Ich kenne noch den Satz, den er damals über mich erzählte: "Chiyoko aus der 10a muss richtig viel im Haushalt und ihren nervigen Geschwistern helfen, damit sie überhaupt irgendetwas bekommt. Dabei haben ihre Eltern auch nicht gerade wenig Geld. Bei mir ist das zum Glück anders!" Die anderen Mitschüler haben ihn dafür nur belächelt 😉

Meine Großeltern sind sehr alt und arbeiten jeden Tag, ab 4 Uhr morgens. Wenn jemand Geld und Erfolg verdient hat, dann sie. Daher macht es mich unglaublich wütend, wenn jemand etwas gegen Reiche Menschen sagt und die Abneigung nur mit dem vielen Geld begründet.

Das taten meine (Ur)Großeltern auch. Aber mich macht es nicht wütend, wenn jemand etwas gegen wohlhabende Menschen sagt. Nicht wenige unter ihnen sind auch skrupellose Ausbeuter, die sich nach außen hin schön präsentieren.

Die Armen, mit denen ich arbeite, wollen nicht arbeiten und gönnen niemanden etwas und teilen nie. Ich nehme sie als die Gierigen und Egoistischen wahr.

Das ist in der Tat etwas merkwürdig. Die allermeisten freuen sich, wenn sie nicht mehr vom Amt abhängig sind und nicht mehr zu öden Maßnahmen hin müssen.

Ich weiß nicht mehr, was ich von der Menschheit halten soll. Vielleicht muss sich jeder selbst hinterfragen und seine Vorurteile ablegen.

Manche Vorurteile sind berechtigt, manche nicht. Ich hoffe aber, dir mit meiner Antwort etwas geholfen zu haben.


Nayes2020  27.02.2023, 10:15

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verreisterNutzer  26.02.2023, 23:52

Wie gesagt, ich habe für alles was ich habe gearbeitet. Natürlich kommen Kleidung, Nahrung und das Haus von meiner Mutter, wie bei jedem anderen durchschnitss - Deutschen. Außerdem finde ich das Argument mit der Sozialwohnung fraglich... die meisten Menschen die in solch einer Wohnung sind, sind dort auch aus einem bestimmten Grund. Weil sie entweder nicht arbeiten wollen oder können. Sie werden vom Staat abgefangen. Das hat aber nichts mit meiner Frage zu tun und ich muss so etwas nicht persönlich erlebt haben, um mir eine Meinung zu bilden.

Ich finde trotzdem nicht, dass Anfeindungen gerechtfertigt sind, nur weil es jemanden finanziell besser geht. Es ist genauso diskriminierend wie andersherum.

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yamachiyo99  27.02.2023, 00:01
@verreisterNutzer

Wenn du behauptest, du hättest einen guten Überblick über das Leben "der Reichen, Armen und Durschnittsverdiener", dann solltest auch etwas Erfahrung in ihrer Lebensweise haben. Sonst wirkt das ziemlich schnell auf sie zynisch.

Ich finde trotzdem nicht, dass Anfeindungen gerechtfertigt sind, nur weil es jemanden finanziell besser geht. Es ist genauso diskriminierend wie andersherum.

Da bin ich vollkommen bei dir. Aber wenn jemand wie in meinen obigen Beispiel mit dem Geld seiner Eltern angibt, muss dieser sich nicht wundern, wenn alle ziemlich wütend und abwertend auf ihn reagieren.

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verreisterNutzer  27.02.2023, 00:07
@yamachiyo99

Ich arbeite jeden Tag in Wohnräume von armen Menschen und höre mir alles an, was sie sagen und versuche es psychologisch nachzuvollziehen. Ich sehe das Elend und das Leid. Ich denke die aller wenigsten Menschen bekommen so einen Einblick. Ich war auch selbst viel low-budget Reisen und habe an schlimmen Orten übernachtet. Erfahrung machts!

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Ich finde, man sollte gegen Reiche keinen Hass schüren, sie aber auch nicht heilig sprechen, denn im Grunde sind es Menschen wie alle anderen auch, nur dass das Geld ihnen Macht verleiht.

Ich bin überzeugt, dass die meisten, die auf die Reichen schimpfen, sich genauso verhielten, wären sie selber reich. Es gibt kein böses Reichtumsgen. Geld verdirbt nicht den Charakter. Es öffnet nur Türen zu bestimmten Facetten des Charakters.

Dass du dich für Arme einsetzt und mit ihnen arbeitest, bringt dich ihnen nahe, so nahe, dass man dich vielleicht kaum von einem Armen unterscheiden kann. Das sagt aber zugleich aus, dass es noch einen Unterschied gibt und das ist ein Unterschied, den du schwer wegfallen lassen kannst.
Es ist das Auffangnetz. Die Prinzessin, die sich unters Volk mischt, kann sehen, wie die einfachen Bürger leben. Sie ist aber kein einfacher Bürger. Deswegen wird sie es nie 1:1 nachvollziehen können.
Oder Simone Weil. Ja, sie hat hart gearbeitet, um zu fühlen, was einfache Menschen fühlen, aber wenn etwas schief gelaufen wäre, wären da halt noch Mama und Papa gewesen, die geholfen hätten.

Alle reichen Familien, die ich kenne, sind sehr selbstlos und spendabel.

"Selbstlos" ist ein Superlativ. "Spendabel" ist relativ.
Die Frage, die niemand beantworten kann ist immer, wie teuer das Seelenheil ist.


verreisterNutzer  27.02.2023, 11:25

Am Ende ist der einzige Unterschied, dass ich immer ein Sicherheitsgefühl habe. Darüber lässt sich diskutieren, ob das die Arbeitsleistung beeinflusst.

Dazu muss ich sagen, dass ich mich in der Welt oft verloren fühle, weil ich theoretisch gesehen, nicht mehr viel arbeiten müsste. Ich habe dadurch psychische Probleme entwickelt. Ich glaube, der Mensch braucht den Druck zu Arbeiten, um glücklich zu sein.

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Suboptimierer  27.02.2023, 11:30
@verreisterNutzer

Es ist schwer vorstellbar, dass es keinen Unterschied macht.

Nimm jemanden, der seine 5-köpfige Familie ernähren muss und darauf angewiesen ist, Arbeit zu haben und einen aus reichem Haus, der die Arbeit wie ein Experiment oder Mußegang oder was auch immer sieht, jedenfalls nicht als notwendig dafür, dass die Kinder ein gutes Leben haben.

Bist du sicher, dass du mit Armen arbeitest? Eigentlich fühle ich mich ein bisschen wie in einer verkehrten Welt. Eigentlich müsstest du mich belehren.

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verreisterNutzer  27.02.2023, 11:36
@Suboptimierer

In meiner Familie bestimmt meine Arbeitsleistung über sehr viel. Wenn ich nicht leiste, wird auf mich herab gesehen. Das lößt einen enormen Druck in mir aus. Außerdem impliziert deine Aussage, dass ich weniger leiste, weil ich nur herumexperimentiere. Fraglich. Ich finde nicht, dass du mich gerade belehrst. Du zeigst mir nur, dass du auch viel Vorurteile gegenüber reichen Menschen hast. Wenn du Fragen über die Mentalität und das Leben von Armen hast, kann ich dir weiterhelfen. Ich muss dich aber enttäuschen, denn die Menschen, die wirklich "gute Menschen" sind, sind nicht die Gierigen und Egoistischen an meinem Arbeitsplatz. Jeder Einzelne von ihnen trägt einen Hass in sich und auch wenn sie können, wollen sie nichts an ihrem Leben ändern.

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verreisterNutzer  27.02.2023, 11:17

Ich verstehe nicht ganz, wieso meine Familie als finanzielles Auffangnetz, als Argument benutzt wird. Die Armen werden auch finanziell von unserem Sozialstaat aufgefangen? Und meine Erfahrungen mit Armen mit der Monarchie zu vergleichen, ist fraglich.. überleg doch mal.

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Suboptimierer  27.02.2023, 11:22
@verreisterNutzer

Ein Leben vom Staat bedeutet ein Leben am Minimum.

Ein Leben in deiner Familie ist garantiert kein Leben am Minimum.

Wie kannst du viel mit Armen zutun haben und sie unterstützen, ohne das zu verstehen?

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Ich habe lange Zeit im angelsächsischen Ausland gelebt und daher einen guten Vergleich zum deutschsprachigen Raum.

In der Tat ist der - ich will es einmal als Argwohn bezeichnen - gegenüber „den“ Reichen im deutschsprachigen Raum viel stärker ausgeprägt als im englischsprachigen. Während im angelsächsischen Raum der Respekt gegenüber der Lebensleistung überwiegt - und ich rede nicht von ererbtem Geld -, überwiegt im Deutschsprachigen der Neid, getarnt als Sorge um „soziale Gerechtigkeit“.

Es ist kein Zufall, dass es in den USA - und in der Zwischenzeit selbst in China - so viele junge Multimilliardäre gibt, weil dort Ideenreichtum und unternehmerisches Engagement belohnt werden. In Deutschland hingegen wird bei jeder erfolgreichen Idee - jetzt gerade wieder bei Biontech - das Haar in der Suppe gesucht; im letzteren Fall sind es „Krisengewinner“, man kann jedoch sicher sein, dass den „sozial Besorgten“ in jedem Fall etwas Neues einfällt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Fontanefan  27.02.2023, 12:55

Wir alle sind als Menschheit gegenüber den Nachkommen verpflichtet, die von Menschen verursachte Klimaerwärmung so gering wie möglich zu halten.

*"Die obersten 10 Prozent der Weltbevölkerung sind für etwa 50 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung lediglich 12 Prozent aller Emissionen beiträgt. [...]" (S.445) "Ganz ähnlich emittieren in Europa die ärmsten 50 Prozent etwa 5 Tonnen pro Person (weniger als der globale Durchschnitt), während die reichsten 10 Prozent etwa 30 Tonnen freisetzen. [...]" (S.446) "Daraus folgt, dass die Reichen den größten Beitrag zur Reduzierung der Emissionen leisten sollten und man den Armen die Möglichkeit geben sollte, mit dem Übergang zu einer Erderwärmung von 1,5 °C oder 2 °C fertigzuwerden." (S.448) (Thunberg: Das Klima-Buch)

Da ist der Staat gefragt, aber auch die, die finanzielle Spielraum haben, sollten sich zumindest bemühen, nicht für mehr Treibhausgasemissionen zu sorgen als der Durchschnitt. Wenn man friert und Geld genug hat, mehr zu heizen, ist das gar nicht einfach. Das weiß ich auch.

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ChrisGE1267  27.02.2023, 17:20
@Fontanefan

Nach der deutschen Einheit, der Banken-Krise, der Flüchtlings-Krise, der Corona-Krise, der Ukraine-, Inflations- und Energiekrise sowie diverser anderer „Krisen“ muss jetzt also die „Klima-Krise“ als Begründung für „Solidarität“ herhalten - mal gespannt, was als nächstes folgt… Die obersten 10%, die „Reichen“ also, sind nicht nur für 50% der Treibhausgasemissionen verantwortlich, sondern auch für 50% des Einkommensteueraufkommens - würden Steuergelder sinnvoll eingesetzt werden, könnte man damit schon hinreichend viel erreichen. Wie aber Franz-Josef Strauss, dessen Fan ich nicht unbedingt war, schon richtig gesagt hat: „Was passiert, wenn man in der Sahara den Sozialismus einführt? - 10 Jahre überhaupt nichts, und dann wird der Sand knapp…“

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Fontanefan  27.02.2023, 17:58
@ChrisGE1267

Wie reduziert man mit Steuern CO2-Emissionen, wenn man es den Reichen überlässt, in den Weltraum zu fliegen, so oft sie dazu Lust haben, von Privatflugzeugen, Yachten usw. ganz zu schweigen?

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ChrisGE1267  27.02.2023, 18:04
@Fontanefan

Indem man die Gelder in Forschung steckt, statt sie in einem überbordenden Sozialstaat versickern zu lassen; die paar Yachten und Weltraumflüge werden wohl kaum einen nennenswerten Einfluss auf die 50% Treibhausemissionen haben, von denen im o.g. Zitat die Rede war. Hier geht es wohl eher darum, Leuten, die sich das leisten können, etwas zu verbieten - um des Verbietens Willen…

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verreisterNutzer  27.02.2023, 11:19

Danke! Ich finde das auch. Deutschland schafft sich selbst ab. Bestes Beispiel: unsere Autoindustrie.

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ChrisGE1267  27.02.2023, 11:26
@verreisterNutzer

Es gibt zwei Dinge, die mich - obwohl selbst Deutscher - an der deutschen Mentalität immer sehr gestört haben: der krankhafte Neid sowie der zwanghafte Komplex, andere belehren zu müssen. Deswegen lebe ich auch nicht mehr in Deutschland…

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Ich weiß nicht mehr, was ich von der Menschheit halten soll. Vielleicht muss sich jeder selbst hinterfragen und seine Vorurteile ablegen.

Du hast eine Frage gestellt und die beste/richtige Antwort dazu auch gleich gegeben. Passt doch, wo ist das Problem?