Unterschied Lorazepam Diazepam?

6 Antworten

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Hi,

Ist das überhaupt realistisch, beziehungsweise wird das so auch in echt gemacht?

Benzodiazepine wie Diazepam oder Lorazepam gehören tatsächlich zu den Standardmedikamenten zur Therapie eines akuten Krampfanfalls.

Prinzipiell kann (und wird) beides als Akuttherapie verwendet - zur Dauermedikation werden, wie Danny4793 schon gesagt hat, andere Substanzen verwendet.

Wenn 1. zutrifft, wann wird welches der beiden Mittel angewendet?

Diazepam ist Mittel der ersten Wahl bei (Klein)Kindern, dort wird es fast ausschließlich als Rektiole (Diazepam Desitin, je nach Gewicht 5 oder 10 mg) verabreicht. Diese lässt sich bei Erwachsenen kaum einsetzen.

Für Erwachsene spielt Diazepam hingegen kaum eine Rolle - es ist nicht für alle Zugangswege geeignet und hat eine unheimlich lange Halbwertszeit. Heißt: bei einer für Erwachsene üblichen Dosis wird der Patient lange sediert sein.

Hier wird vor allem auf ein anderes Benzodiazepin zurückgegriffen, nämlich Midazolam - dieses ist ähnlich potent wie Lorazepam, eignet sich allerdings zur intranasalen Gabe mittels MAD-Zerstäuber. Die Anschlagszeit ist hier in etwa vergleichbar mit der intravenösen Gabe.

Alternativ kann auch Lorazepam verwendet werden, allerdings überwiegend buccal - da die Aufnahme über die Mundschleimhaut nicht ganz so zuverlässig ist wie die intranasale Gabe, ist es eher Mittel der zweiten Wahl.

LG

Lorazepam und Diazepam wirken zentral (Gehirn/ Zentralnervensystem) und heben unter anderem die Krampfschwelle; Krämpfe werden bekämpft. Die Wirkqualitäten (Wirkmechanismus und Effekte) sind weitgehend gleich (s. Benzodiazepine).

Lorazepam hat eine kürzere Halbwertszeit als Diazepam und wird demnach schneller wieder abgebaut. In Notfallsituationen ist das oft gewünscht.

Prinzipiell können beide Wirkstoffe gegen Krampfanfälle eingesetzt werden. Welche jetzt häufiger in Krankenwägen u.ä. zu finden ist, weiß ich nicht.

Diazepam ist ein seit langem und auch heute noch gebräuchliches Antiepileptikum, auch für Kleinkinder (rektal, Diazepam Desitin®). Ferner ist Diazepam auch (zumindest in der Literatur) der Klassiker bei vergiftungsassoziierten Krampfanfällen (im Falle vieler Gifte).

Eine Dauerbehandlung der Epilepsie findet natürlich mit anderen Substanzen statt.


Hauptplatine 
Beitragsersteller
 30.10.2019, 21:57

Vielen Dank für deine Ausführliche Antwort!

Das wäre echt interessant zu wissen, was tatsächlich auf einem Rettungswagen verabreicht wird, bzw in welcher Situation was davon (falls beides vorhanden).

Vielleicht habe ich ja Glück und ein Sani oder Notarzt stolpert über diese Frage ;D

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Danny4793  30.10.2019, 22:01

Apotheken, die an DRK & Co. beliefern, beliefern beide Wirkstoffe. Also sollte auch beides verfügbar sein.

Hier in gutefrage gibt es Ärzte und Sanis; ja, vielleicht teilt noch einer seine Erfahrungen. Bis dahin:

Diazepam kann für den Status epilepticus, aber auch für schwere Angstzustände und Hyperventilationssyndrome indiziert sein. Allerdings reizt die ölige Lösung die Venen; eine i.m. oder rektale Applikation ist ebenfalls möglich. Diazepam Rectiolen müssen gekühlt aufbewahrt werden. Eine kurze Lagerung bei 25° C ist dagegen unbedenklich. Sollte es nach Injektion von Diazepam zu einer relevanten Vigilanzstörung kommen, ist die lange Halbwertszeit des Wirkstoffs nachteilig.
Auch Lorazepam ist eine gute Alternative und beim Status epilepticus dem Diazepam überlegen [...]; auch steht mit der Expidet Buccaltablette eine schnelle, unkomplizierte Applikation für schwierige Situationen zur Verfügung.

Bei Lorazepam buccal (Expidet) bleibt festzuhalten, dass zwar ggf. ein Teil über die Mundschleimhaut aufgenommen wird, aber auch hier der Hauptaufnahmeort des Wirkstoffs die Dünndarmschleimhaut ist.

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Danny4793  31.10.2019, 23:18

Nachtrag: sublingual (Expidet), Resorptionsmaxima - maximale Blutspiegel

  • Lorazepam sublingual: max. Blutspiegel nach durchschnittl. 110 Minuten. [1]
  • Im Vergleich Nitroglycerin sublingual (Notfallmittel gegen Bluthochdruck): max. Blutspiegel im Durchschnitt nach 4,2 Minuten. [1]

Intranasale Resorption

  • Lorazepam: nasale Verfügbarkeit zwischen 35% und 63% im Vergleich zu intravenöser Verabreichung; Maximum nach 0,5 bis 4 Stunden. Maximaler Blutspiegel entsprach 33% bis 94% derjenigen nach der i.v. Verabreichung. [2] Eine andere Studie führt eine Bioverfügbarkeit von 77% intranasal auf. Die Aufnahme bzw. Verteilung erfolgt allgemein gut sowie schneller als bei intramuskulärer Injektion. Ein Anteil der intranasalen Dosis wird via Rachen geschluckt und über die Darmschleimhaut resorbiert. [3]

Ref.

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Beides sind Benzodiazepine, die man bei epileptischen Anfällen gibt.

https://deutsch.medscape.com/artikel/4902197

Lorazepam ist eine Weiterentwicklung des Diazepams.

https://www.netdoktor.de/medikamente/lorazepam/


Hauptplatine 
Beitragsersteller
 30.10.2019, 21:54

Danke für deinen Beitrag. Den ersten Link hatte ich mir zuvor angesehen, daraus aber nicht viel schlauer geworden, da auch viel vom Thema abgewichen wird.

Der zweite Link hingegen ist super. Vielen Dank!

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raubkatze  30.10.2019, 22:15
@Hauptplatine

der 1. beschreibt die Untersuchung darüber, ob Lorazepam als Weiterentwicklung des Diazepams Vorteile hat oder nicht.

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Sind beide aus der Gruppe der Benzodiazepine.

Ich vermute, die Wahl welche verordnet wird, hängt von der Dauer der Wirkung ( Halbwertzeit) zusammen.

Ich glaube Diazepam ( Valium) wirkt länger als Lorazepam ( Tavor)

Aber das ist von mir nur eine Vermutung.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Hauptplatine 
Beitragsersteller
 30.10.2019, 21:54

Ich danke dir für deine Antwort.

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Lorazepam und Diazepam sind beides Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine und sich von der Wirkung her sehr ähnlich. 1mg Lorazepam entspricht etwa 10mg Diazepam.

Wie alle Benzodiazepine heben sie die Krampfschwelle stark an. Es kann je nach Dosis nicht oder nur sehr schwer zu epileptischen Anfällen kommen. Zudem werden akute Krampfanfälle unterbrochen.

Lorazepam und Diazepam sind in Europa nicht offiziell zur Behandlung von Krampfanfällen zugelassen (anders als beispielsweise Clonazepam). Die Praxis sieht jedoch etwas anders aus. Insbesondere Lorazepam wird sehr häufig im off-label use (Anwendung ohne offizielle Zulassung) zur Unterbrechung von schweren epileptischen Anfällen verwendet.

Bei intravenöser Gabe fluten beide Medikamente sehr schnell an (ca. 2 Minuten), doch im Zuge eins akuten epileptischen Anfalls ist das setzten einer Spritze in die Venen mehr als schwierig. Lorazepam und Diazepam können auch intramuskulär verabreicht werden (Wirkeintritt nach ca. 20-30 Minuten), doch wer hat schon immer eine Spritze dabei?

Folglich wird primär Lorazepam verwendet und dies gleich aus zwei Gründen.

  1. Gibt es Lorazepam in Form von sublingualen Tabletten. Diese Tabletten lösen sich beim Kontakt mit Wasser auf und gelangen über die Mund- bzw. Nasenschleimhäute direkt in die Blutbahn. Sie müssen nicht geschluckt werden. Dies ist elementar, denn bei einem akuten epileptischen Anfall verkrampft sich der Kiefer. Eine sublingual Tablette kann einfach in die Nase geschoben werden. Diazepam hingegen ist nur sehr schwer wasserlöslich (was eine nasale Anwendung fast unmöglich macht) und gibt es soweit mir bekannt auch nicht in sublingualer Form.
  2. Werden Tabletten verwendet, tritt bei Lorazepam die Wirkung im Durchschnitt eindeutig früher ein. Erste Effekte sind bereits nach 15-20 Minuten zu spüren. Bei Diazepam dauert es 30-40 Minuten.

Bei Kindern hingegen wird primär Diazepam verwendet, da Lorazepam für diese Altersgruppe keine Zulassung hat und es Diazepam auch in Form von Zäpfchen (rektale Anwendung) gibt.

Diazepam hat die deutlich längere Halbwertszeit (24-48 Stunden) im Vergleich zu Lorazepam (12-16 Stunden).

Zum Schluss gilt es vielleicht zu erwähnen, dass Benzodiazepine aufgrund ihren hohen Abhängigkeitspotenzials Notfallmedikamente sind. Eine langfristige Behandlung erfolgt mittels klassischen Antiepileptika.