Reinkarnationsglaube bei den Juden zur Zeit Jesu?

8 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Nein, weder Juden noch Christen, die sich auf die Lehre des Alten Testaments (Tanach) und/oder Neuen Testaments stützen, glauben an Reinkarnation.

Die Bibel ist diesbezüglich ganz klar: "Und so gewiss es den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht" (Hebräer 9,27-28).

Als Ergänzung eine gute Auslegung von Gotquestions über die Stelle mit Johannes und Elia aus dem Matthäusevangelium:

""Hier zitiert Jesus zitiert aus Maleachi 3,1, wo der Bote als eine prophetische Figur ist, die erscheinen wird. Gemäß Maleachi 3,23 ist dieser Bote „der Prophet Elia“, den Jesus hier als Johannes, den Täufer identifiziert. Bedeutet das, dass Johannes, der Täufer der reinkarnierte bzw. wiedergeborene Elia war? Nein, sicherlich nicht.

  • Erstens, das Konzept der Reinkarnation war dem jüdischen Verstand völlig fremd. Wir können nicht einfach Gedankengut aus fernöstlichen Religionen in die Worte eines Juden aus dem 1. Jahrhundert hineinlegen. Wenn überhaupt, dann könnte "Elia, der da kommen soll" bedeuten, dass er vom Tod auferstehen wird, wenn der Herr zurückkehrt (Daniel 12). Aber wenn wir annehmen, dass Johannes, der Täufer wirklich die Person Elia war, dann wäre es eine Auferstehung, keine Reinkarnation (Wiedergeburt). Alles andere würde bedeuten, die voreingenommene Sichtweise von Reinkarnation über die Heilige Schrift zu pressen.
  • Zweitens, ist die Bibel sehr eindeutig, dass Johannes, dem Täufer eine Bestimmung gegeben wurde, weil er “in der Kraft Elias” kam (Lukas 1,17), und nicht weil er Elia im wahrsten Sinne des Wortes war. Johannes, der Täufer ist der Vorbote des Neuen Testaments, der die Richtung zur Ankunft auf den Herrn aufweist, so wie Elia diese Rolle im Alten Testament erfüllte (und in der Zukunft erfüllen wird – siehe Offenbarung 11).
  • Drittens, Elia selbst erscheint mit Moses bei der Verklärung Jesus nach dem Tod von Johannes, dem Täufer. Das hätte nicht passieren können, wenn Elia seine Identität geändert hätte (Matthäus 17,11-12).
  • Viertens, Markus 6,14-16 und 8,28 zeigen, dass die Leute und Herodes zwischen Johannes, dem Täufer und Elia unterschieden. Und schlussendlich kommt der Nachweis, dass es sich hier um keine Reinkarnation handelt, von Johannes, dem Täufer selbst. Im ersten Kapitel des Johannes Evangelium, identifiziert sich Johannes, der Täufer selbst als der Bote von Jesaja 40,3, nicht als Elia aus Maleachi 3,1. Johannes, der Täufer lehnt sogar selbst ab, dass er Elia ist (Johannes 1,19-23). Johannes tat für Jesus das, was Elia für die Ankunft des Herrn zu tun hatte, aber er war nicht der wiedergeborene Elia. Jesus identifizierte Johannes, den Täufer in seiner Rolle als Elia, während Johannes, der Täufer diese Identifikation gegenüber den religiösen Anführern ablehnte. Wie gehen wir mit diesen beiden Lehren also um? Es gibt eine Schlüsselaussage in Jesus Identifizierung von Johannes, den Täufer im Text darüber, die nicht übersehen werden darf. Er sagt: "Und wenn ihr's annehmen wollt: er ist Elia". Anders gesagt, die Identifikation von Johannes, dem Täufer als Elia war ihm nicht diktiert worden, sondern eher aufgrund der Reaktion der Leute zu seiner Rolle geworden. Für diejenigen, die an Jesus glauben, fungierte Johannes, der Täufer als Elia, weil sie in Jesus als Herrn glaubten. Für die religiösen Anführer, die Jesus ablehnten, erfüllte Johannes, der Täufer diese Funktion nicht."

chrisbyrd  07.01.2018, 00:40

Nachtrag 1:

Zu Johannes 9,1-2 findet sich im Bibelkommentar von Dr. John F. Walvoord:

"In Jerusalem sah Jesus einen Menschen, der blind geboren war. Dass er gerade diesen Mann auswählte, ist von großer Bedeutung (vgl. Joh 5,5-6), denn Jesus war in allem, was er tat, vollkommen selbstbestimmt. Die angeborene Blindheit des Mannes zeigt die offensichtliche Aussichtslosigkeit seines Falles und ist somit ein Bild für die geistliche Blindheit der Menschen von Geburt an (Joh 9,39-41; 2Kor 4,4; Eph 2,1-3).

Der Blinde stellte die Jünger vor ein theologisches Problem. Da sie davon ausgingen, dass alle Krankheiten und Leiden ganz direkt auf bestimmte Sünden zurückgingen, fragten sie sich natürlich, wie ein Mensch mit einer Behinderung geboren werden konnte. Entweder musste dieser Mann also bereits im Mutterleib gesündigt haben (Hes 18,4), oder seine Eltern hatten gesündigt (2Mo 20,5). Doch Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern. Diese Aussage widerspricht jedoch nicht der Tatsache, dass die Menschen "allesamt Sünder sind" (Röm 3,9-20.23). Jesus sagte vielmehr, dass die Blindheit des Mannes nicht die Folge einer bestimmten Sünde sei. Er war blind, damit an seiner scheinbaren Tragödie die Werke Gottes offenbar werden konnten (vgl. 2Mo 4,11; 2Kor 12,9)."

Nachtrag 2:

In den als sehr genau und wortgetreu geltenden Übersetzungen "Elberfelder" und "Schlachter 2000" findet sich im Jakobusbrief nicht "Rad der Geburt". Da die Bibel immer im Kontext gelesen werden sollte, wäre eine solche Aussage auch nicht zum Gesamtkontext der Bibel passen oder anwendbar (vgl. Hebräer 9,27-28).

2
chrisbyrd  08.01.2018, 11:45
@chrisbyrd

Vielen Dank für den "Stern", liebe Grüße und Gottes Segen!

0

Ja, gab es.

z.B. gibt es immer wieder Midraschim, wo berichtet wird, dass 2 Gestalten des Tanach in Wirklichkeit die Reinkarnation desselben Menschen sind...

Hallo.

Reinkarnationsglauben in der Spätantike

Was das Frühjudentum betrifft kann man die Sache auf einen Punkt bringen: Reinkarnationsglauben gab es nicht.

Einige mittelplatonische Philosophen glaubten an Reinkarnation. Grund dafür sind entsprechende Anspielungen in den platonischen Dialogen. Philo von Alexandrien, ein Zeitgenosse Jesu, jüdischer Theologe und mittelplatonischer Philosoph, vertritt jedoch eindeutig keinen Reinkarnationsglauben. Das wird in seinen Schriften ziemlich deutlich.

Zu den angesprochenen Bibelstellen

Die von dir angesprochenen Bibelstellen, sind vom Hintergrund der frühjüdischen Glaubenstradition her anders verstehen.

In 2. Kön 2 wird erzählt, dass der Prophet Elia nie gestorben ist, sondern leiblich in den Himmel entrückt wurde. Elia soll auf einem brennenden Wagen in den Himmel hineingeflogen sein. In Maleachi 3,23f heißt es: "Bevor aber der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende ich zu euch den Propheten Elija. Er wird das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern, damit ich nicht komme und das Land schlage mit Bann." Viele Jüdinnen und Juden zur Zeit Jesu glaubten, dass das Ende der Welt bzw. der Tag des Herrn nahe sei. Johannes der Täufer kündigte das nahe Weltende und das kommende Gericht Gottes an. Weil aber im Alten Testament steht, dass vor dem Tag des Herrn der Prophet Elia wieder auftreten wird, haben manche halt erwartet, dass Elia sozusagen den Rückwärtsgang einlegt und wieder aus dem Himmel auf die Erde kommt um zu Predigen. Daher fragen sich manche Leute, ob Johannes oder Jesus Elia sein.

Entsprechende Himmelfahrtslegenden gab es auch über Jesaja gab es eine entsprechende Legende, die sich jedoch nicht in der Bibel findet. Daher steht auch in Lk 9,8 und 19,19, dass einige Leute von Jesus meinten, er könne einer der zum Himmel aufgefahrenen Propheten sein.

Mit Reinkarnation kann das schon allein deshalb nichts zu tun haben, weil man einerseits ja einerseits glaubte, dass diese in den Himmel aufgefahrenen Einzelpersonen leiblich entrückt worden sind und andererseits glaubte meinte, dass diese niemals gestorben sein. In Gen 4 wird erzählt, dass der gerechte Henoch von Gott entrückt wurde. Es gibt eine frühjüdische Henochapokalypse, in der Henoch quicklebendig im Himmel rumsitzt und die guten und bösen Taten der Lebenden aufschreibt.

Zu der Zunge, die im Jakobusbrief die Macht hat das Rad der Geburt bzw. des Werdens in Brand zu setzen, kann ich allerdings nichts sagen. Es wäre jedoch meines Erachten vom religionsgeschichtlichen Kontext her nicht sinnvoll, auf einen impliziten Reinkarnationsglauben zu schließen.


Gruenkohl28  08.01.2018, 14:50

Also zu der Wendung in Jak 3 habe ich nochmal recherchiert. Ich war jetzt neugierig, was das bedeuten könnte, weil mir das noch nie aufgefallen war:

Die Wendung "Rad des Werdens" kommt jedenfalls in der rabbinischen Literatur des 2. Jh. n. Chr. gelegentlich vor und meint dort jeweils das Ganze der Natur. Das passt auch sehr gut zum literarischen Kontext in Jak 3, wo ja alle möglichen Dinge aufgezählt werden, welche die Zunge in Brand setzten kann. "Das Rad des Werdens" (im Sinne des Naturganzen) wäre dann die abschließende Steigerung, die das alles zusammen fast.

0

Nein — die Juden glaubten nie an eine Reinkarnation. Sie glaubten immer an eine Auferstehung zum ewigen Leben hier auf der Erde:

„O daß du mich im Scheọl [Grab] verbärgest“ (Hiob 14:13).

In Maleachi wird vorausgesagt, dass ein „Elia“ kommen werde — jemand, der ähnliche Werke vollbringen wird, wie Elia. Damit war keine Reinkarnation gemeint, sondern der „aNachfolger“ von Elia — Johannes der Täufer.

Auf diesen nahm Jesus Bezug, als er sagte:

“Doch ich sage euch, daß Elịa schon gekommen ist, und sie haben ihn nicht anerkannt, sondern haben mit ihm alles getan, was sie wollten. Ebenso ist es auch dem Menschensohn bestimmt, durch sie zu leiden.“ (Mat. 17:12)

Zum Jakobusbrief müsstest Du bitte den Bibelvers nennen. Dann kann ich darauf eingehen.

Liebe Grüsse ...


Pantauals 
Beitragsersteller
 08.01.2018, 17:15

Hallo und danke!

Bei Jakobus geht es um 3,6. Wortwörtlich übersetzt stünde dort, dass die Zunge das Rad der Geburt in Brand setzen könne ("trochos tes geneseos“), wird aber praktisch überall in einer anderen Interpretation übersetzt, bei Luther z.B. "allen unseren Wandel", später dann "die ganze Welt", in der "Einheitsübersetzung“ wiederum "Rad des Lebens", später dann "Umkreis der menschlichen Existenz". Es scheint somit überhaupt nicht klar zu sein, dass und um welche Redewendung es sich denn bitte handeln soll - original steht dort jedenfalls schlicht und einfach "Rad der Geburt" oder "Rad des Entstehens", was in Brand gesetzt werden könne.

1
OhNobody  08.01.2018, 17:57
@Pantauals

Danke für den Hinweis. Dazu habe ich folgendes gefunden:

>“Die unbeherrschte Zunge ist ein „Feuer“, das „das Rad des natürlichen Lebens in Brand“ setzt. Der gesamte natürliche Lebensablauf, der mit der Geburt beginnt, kann durch die Zunge in Brand gesetzt werden, so daß das Leben zu einem Teufelskreis wird und in Gefahr ist, wie durch Feuer vernichtet zu werden (Jak. 3:6).<

>Jakobus sagt: „Die Zunge ist ein Feuer . . ., denn sie . . . setzt das Rad des natürlichen Lebens [wtl.: das Rad der Geburt] in Brand“ (Jak. 3:5, 6). Wahrscheinlich hatte Jakobus hier ein Wagenrad im Sinn, das durch seine heißgelaufene Achse in Brand gesetzt werden kann. Desgleichen kann die Zunge den ganzen Lebenskreis, in den ein Mensch bei seiner Geburt gelangt, in Brand setzen und das Leben zu einem Teufelskreis werden lassen, das möglicherweise sogar in der Vernichtung des Betreffenden wie durch Feuer endet.<

Das sind Auszüge aus Literatur von Zeugen Jehovas. Die erklären den Text meiner Meinung nach gut.

2

Hier aus der Encyclopedia Judaica:

GILGUL (Heb. גִּלְגּוּל; "transmigration of souls," "reincarnation," or "metempsychosis"). There is no definite proof of the existence of the doctrine of gilgul in Judaism during the Second Temple period. In the Talmud there is no reference to it (although, by means of allegoric interpretations, later authorities found allusions to and hints of transmigration in the statements of talmudic rabbis). A few scholars interpret the statements of Josephus in Antiquities 18:1, 3, and in Jewish Wars 2:8, 14 on the holy bodies which the righteous merit, according to the belief of the Pharisees, as indicating the doctrine of metempsychosis and not the resurrection of the dead, as most scholars believe. In the post-talmudic period anan b. david , the founder of Karaism, upheld this doctrine, and in some of his statements there is an echo and a continuation of the ancient sectarian traditions. The doctrine of transmigration was prevalent from the second century onward among some Gnostic sects and especially among Manicheans and was maintained in several circles in the Christian Church (perhaps even by Origen). It is not impossible that this doctrine became current in some Jewish circles, who could have received it from Indian philosophies through Manicheism, or from Platonic and neoplatonic as well as from Orphic teachings.

Anan's arguments on behalf of gilgul, which were not accepted by the Karaites, were refuted by Kirkisani (tenth century) in a special chapter in his Sefer ha-Orot; one of his major points was the death of innocent infants. Some Jews, following the Islamic sect of the Muʿtazila and attracted by its philosophic principles, accepted the doctrine of transmigration. The major medieval Jewish philosophers rejected this doctrine (saadiah gaon , The Book of Beliefs and Opinions, treatise 6, ch. 7; Abraham ibn Daud, Emunah Ramah, treatise 1, ch. 7; joseph albo , Ikkarim, treatise 4, ch. 29). Abraham b. Ḥiyya quotes the doctrine from neoplatonic sources but rejects it (Meditations of the Sad Soul, 46–47; Megillat ha-Megalleh, 50–51). judah halevi and maimonides do not mention gilgul, and abraham b. moses b. maimon , who does refer to it, rejects it completely.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rabbinerseminar zu Berlin, Judaistik FU-Berlin