Mein persönlicher hermeneutischer Zirkel?

2 Antworten

Schwierige Frage!

Der Ausdruck: persönlicher hermeneutischer Zirkel ist mir unklar. Dieser Zirkel spielt sich ab (meistens) während der Kommunikation zwischen Menschen. Vielleicht ist gemeint, dass Du irgendwelche falsche Annahmen später korrigiert hast?

Ich kann nicht für Dich reden; nur Beispiele geben.

Eine bekante Erscheinung ist die Zuneigung. Der eine Partner möchte nur eine schöne Freundschaft, der andere möchte sofort eine (erotische) Liebesbeziehung. Es braucht dann viele klärende Gespräche, bis man gegenseitig die Signale richtig intepretiert.

Eine schöne Geschichte aus der Schule:

Ulrike ist auf dem Weg zur Schule. Sie macht sich Sorgen, weil sie die nächste Mathematik-Stunde nicht vorbereitet hat und das einen schlechten Eindruck macht. Sie weiß nicht, wie sie die Klasse bei der Stange halten kann.

Wer das liest, denkt sofort, dass Ulrike eine Schülerin ist (Vorurteil). Erst beim letzten Satz stellt sich heraus, dass sie offenbar die Lehrerin ist. Beim Lesen hast Du diesen Korrekturprozess durchgemacht.

Ich weiß nicht, ob diese beide Beispiele hilfreich sind. Vielleicht hast Du noch eine spezifische Frage?

Ein Hinweis: Voraus mit einem R: vor-aus.


laetkra 
Beitragsersteller
 06.02.2021, 21:33

ich habe leider keine spezifischere Frage, aber danke schon mal für deine Beispiele und deinen Denkanstoß! Und auch vielen Dank für deinen Hinweis! :)

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ulrich1919  06.02.2021, 22:33
@laetkra

Das einzige, was ichter eiem ,,persönlichen hermeneutischen Zirkel" verstehen könnte ist, dass jemand in seiner Erinnerung einen falschen Begriff oder eine falsche Assoziation hat, welche in einem Gepräch endgültig korrigiert wid.

Mäßig gutes Beispiel: Die Zeitungsfritzen reden immer über eine Quantensprung, wenn sie einen großen Fortschritt meinen. Dabei sollten sie wissen, dass ein Quantensprung die kleinstmögliche Änderung überhaupt darstellt.

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Ich verstehe deine Verlegenheit schon.

Den hermeneutischen Zirkel hat Heiddeger als die Vollzugsform menschlichen Verstehens dargestelt.

Insofern verstehe ich nicht ganz, was ein "persönlicher hermeneurischer Zirkel" sein sollte.

Vor allem Gadamer ist ihm da gefolgt und hat den hermeneutischen Zirkel um den Vorgriff der Vollkommenheit "bereichert" - was hier aber wenig hilft.

Ich nehme an, die Lehrkraft sieht da selbst nicht ganz durch.

Vielleicht sollst du von einer konkreten Lebenssituation (mit entsprechenden Vorurteilen bzw. entsprechendem "Vorverständnis") ausgehen und dann im Sinne des hermeneutischen Zirkels zu einer anehmbaren Lösung kommen?


laetkra 
Beitragsersteller
 06.02.2021, 21:35

Leider weiß ich nicht so genau von wo aus ich meinen persönlichen hermeneutischen Zirkel starten soll bzw. überhaupt definieren soll- mein Kurs und ich sind da leider völlig hilflos. Aber in jedem Fall Danke für deine Hilfe!

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achwiegutdass  06.02.2021, 21:55
@laetkra

Gadamer beschreibt "das Verstehen als das Ineinanderspiel der Bewegung der Überlieferung und der Bewegung des Interpreten." (Wahrheit und Methode, S. 298).

Vielleicht könnest du von der Frage nach der Religion ausgehen?

Das ist eine Frage, die jeden interessieren kann und die so oder so zur unserer Erziehung gehört.

Du kannst beschreiben, was bei dir passiert ist, als du die Ringparabel in Nathan der Weise gelesen hast, oder die Gedanken, die dich beschäftigen, wenn du hörst, dass Menschen im Namen einer Religion ermordet werden.

Wie war die Ûberlieferung in deinem Fall? Welchen Sinnhorizont hast du dann antizipiert? (Beispiel: ich will auf jede Religion verzichten/ich will mir meine eigenen Religion selbst aussuchen).

Welche Fragen drängen sich da auf? Wie beantwortest du sie? (das "Ganze" als Sinnhorizont wird dadurch immer genauer, bis du die Antwort gefunden hast, die dich zufriedenstellt und zu der du stehen kannst.

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