Kant- der gute wille, wirklich gut?

4 Antworten

1) guter Wille

In der Ethik gibt es verschiedene grundsätzliche Ansätze, was als moralisch gut bzw. richtig zu bewerten ist:

a) Konsequentialismus: Allein die Folgen einer Handlung sind für die Bewertung ausschlaggebend.

b) Nicht-Konsequentialismus: Nicht allein die Folgen einer Handlung sind für die Bewertung ausschlaggebend, sondern (auch) etwas an der Handlung selbst. In einer deontologischen Ethik (ein Typ des Nicht-Konsequentialismus und von Kant vertreten) ist etwas Gesolltes/eine Pflicht Maßstab bei der Bewertung. In Kants Ethik wird die Maxime (ein dem Vernunftinteresse entnommener subjektiver Grundsatz) des Handelns geprüft.

Nicht zutreffend ist die Annahme, Kants Ethik halte es für ausreichend, etwas einfach nur gut gemeint zu haben.

Immanuel Kant vertritt die Auffassung, eine uneingeschränkt gute Handlung könne nur eine von einem guten Willen getragenen Handlung sein. Das moralisch uneingeschränkt Gute existiert nach seiner Ethik nur als guter Wille. Entscheidend ist die Handlungsabsicht, nicht die tatsächlich eingetretene Handlungsfolge. Ein ausreichender Einsatz der praktischen Vernunft bleibt aber trotzdem geboten. Eine Person darf sich nach Kant beim guten Willen nicht auf einen bloßen Wunsch beschränken, sondern hat auch die ihr zur Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, damit sich die Absicht verwirklicht (wie aus einer Bemerkung in Klammern hervorgeht). Einfach nur gut gemeint kann auch nach Kant zu wenig sein. Denn ein Wille, der sich gar nicht darum kümmert, ob die Handlungsabsicht durchgesetzt wird, und dem die Folgen einer Handlung egal/gleichgültig sind, ist kein echter guter Wille, da dafür etwas beim Wollen fehlt. Nach Kant soll ein Bestreben zur Verwirklichung der Absicht vorhanden sein.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen (AA IV 393/BA 1):
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen Sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen (AA IV 394/BA 4):
„Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlte, seine Absicht durchzusetzen; wenn bei seiner größten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Werth in sich selbst hat.“

Wer durch falsches Handeln eine Katastrophe ausgelöst hat, ist dafür in gewissem Sinn verantwortlich und daran schuldig, wenn aber dieser Mensch zu dumm war, um eventuelle Folgen des Handelns vorherzusehen, kann ihm nicht sinnvoll vorgeworfen werden, moralisch schlecht gehandelt zu haben bzw. ein moralisch schlechter Mensch zu sein. Wenn etwas wie Fahrlässigkeit oder Leichtsinnigkeit zur Katastrophe geführt hat, ist nach Kant nicht alles gerechtfertigt, da nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt worden sind. Der Mensch hätte ja die Folgen verstehen können, wenn er sein Potential ausgeschöpft hätte. Kant setzt die Grenze bei dem, was moralisch gefordert werden kann, dort, wo etwas ganz grundsätzlich die Fähigkeiten einer Person übersteigt.

2) Eigennutz und Glück

Kant lehnt Glück nicht als Ziel ab, allerdings darf beim moralischen Handeln seiner Auffassung nach ein Streben nach Glück nicht handlungsbestimmend sein. Bei einer Kritik der Ethik Kants ist meiner Meinung nach ein berechtigter Einwand dagegen möglich, das Streben nach Glück im Bereich des Moralischen gar nicht dulden zu wollen.

Kants Standpunkt beruht einerseits auf einem Glücksbegriff, der Glück ganz auf etwas Subjektives und eher Augenblickliches einschränkt, andererseits auf einem Ansatz, eine Unabhängigkeit des guten Willens von jeder direkten inhaltlichen (materialer) Bestimmung zugrundezulegen (nur die Form der Gesetzlichkeit ist als formale Bestimmung ist Maßstab), wodurch sich ein von vorgängigen Handlungszielen/Zwecksetzungen vollständig unabhängiger und unbedingter Sollensanspruch ergibt.

In dieser Hinsicht kann ein Versuch unternommen werden, die Überlegungen Kants nachzuvollziehen, was keine volle Zustimmung bedeutet.


Albrecht  06.11.2013, 06:00

Um einen Willen als eigentlich moralisch und dabei voll als gut auffassen zu können, wird ein allgemeines Kriterium (ein allgemeiner Maßstab) benötigt. Dazu ist eine Betrachtung erforderlich, die sich auf den reinen Willen (den aus sich selbst bestimmten Willen) bezieht. Der reine Wille, der als gut beurteilt werden kann, ist nach Kants Auffassung der durch die reine Form der Gesetzlichkeit (Gesetzesförmigkeit; bezogen auf das moralische Gesetz/Sittengesetz; nicht auf juristische Gesetze) bestimmte Wille.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten (AA IV 421/BA 52):
„Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.

In den Neigungen steckt ein Verlangen nach Glückseligkeit, die nach Kant ein Gut und ein Ziel ist. Die Neigungen haben also mit ihrer Tendenz, uns in diese Richtung zu bewegen, einen Zweck. Jedoch hält Kant es für falsch und unmöglich, aus der Glückseligkeit als Bestimmungsgrund ein moralisches/sittliches Gesetz herzuleiten.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten. Eintheilung aller möglichen Principien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie. (AA IV 442/BA 90 – 91 lehnt empirische Prinzipien als Grundlage der Moral überhaupt ab.
„Doch ist das Princip der eigenen Glückseligkeit am meisten verwerflich, nicht bloß deswegen weil es falsch ist, und die Erfahrung dem Vorgeben, als ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten richte, widerspricht, auch nicht bloß weil es gar nichts zur Gründung der Sittlichkeit beiträgt, indem es ganz was anderes ist, einen glücklichen, als einen guten Menschen, und diesen klug und auf seinen Vortheil abgewitzt, als ihn tugendhaft zu machen: sondern weil es der Sittlichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit zernichten, indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine Classe stellen und nur den Calcul besser ziehen lehren, den specifischen Unterschied beider aber ganz und gar auslöschen;“

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Theil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft. Erstes Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft. § 3. Lehrsatz II Anmerkung I (AA V 024/A 45):
„Das Princip der eigenen Glückseligkeit, so viel Verstand und Vernunft bei ihm auch gebraucht werden mag, würde doch für den Willen keine andere Bestimmungsgründe, als die dem unteren Begehrungsvermögen angemessen sind, in sich fassen, und es giebt also entweder gar kein oberes Begehrungsvermögen, oder reine Vernunft muß für sich allein praktisch sein, d. i. ohne Voraussetzung irgend eines Gefühls, mithin ohne Vorstellungen des Angenehmen oder Unangenehmen als der Materie des Begehrungsvermögens, die jederzeit eine empirische Bedingung der Principien ist, durch die bloße Form der praktischen Regel den Willen bestimmen können.“

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Albrecht  06.11.2013, 06:01

Anmerkung II (AA IV 025/A 46):
„Glücklich zu sein, ist nothwendig das Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens. Denn die Zufriedenheit mit seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprünglicher Besitz und eine Seligkeit, welche ein Bewußtsein seiner unabhängigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen würde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes Problem, weil es bedürftig ist, und dieses Bedürfniß betrifft die Materie seines Begehrungsvermögens, d. i. etwas, was sich auf ein subjectiv zum Grunde liegendes Gefühl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird. Aber eben darum, weil dieser materiale Bestimmungsgrund von dem Subjecte blos empirisch erkannt werden kann, ist es unmöglich diese Aufgabe als ein Gesetz zu betrachten, weil dieses als objectiv in allen Fällen und für alle vernünftige Wesen eben denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten müßte. Denn obgleich der Begriff der Glückseligkeit der praktischen Beziehung der Objecte aufs Begehrungsvermögen allerwärts zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der subjectiven Bestimmungsgründe und bestimmt nichts specifisch, darum es doch in dieser praktischen Aufgabe allein zu thun ist, und ohne welche Bestimmung sie gar nicht aufgelöset werden kann. Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subject auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein subjectiv nothwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objectiv ein gar sehr zufälliges praktisches Princip, das in verschiedenen Subjecten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es bei der Begierde nach Glückseligkeit nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nämlich ob und wieviel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe.“

Kant versteht Glück(seligkeit) als ein Wohlbefinden, als empfundene subjektive besonders hohe Zufriedenheit (kein objektives Wohlergehen). Glück stellt zwar nach seiner Auffassung ein Ziel dar, aber Glück ist nach seiner Überzeugung für die Begründung sittlich guten Handelns ungeeignet. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen des Glücks gelten Gebote der Klugheit. Diese stellen nur hypothetische Imperative dar. Die Bestimmungsgründe beim Prinzip der Selbstliebe wären nur subjektiv gültig und empirisch (einer zufälligen Erfahrung zu entnehmen), nicht objektiv und notwendig. Wenn Bestimmungsgründe aus den Bereich der Erfahrung hineinkommen, wären Neigungen und Ähnliches (Streben nach Annehmlichkeit, Gefühle der Lust, erwartetes Vergnügen) am sittlich guten Handeln mitbeteiligt. In Kants Ethik sind aber Neigungen (bzw. empirische Interessen oder Begierden) als maßgebliche Kräfte sittlichen Handeln ausgeschlossen, vielmehr soll völlige Unabhängigkeit von ihnen bestehen.

Kant verwendet für die Argumentation keinen Gegensatz zwischen Eigennutz (Egoismus) und Altruismus. Der Hauptgegensatz besteht in seiner Ethik zwischen Pflicht und Neigung.

Meiner Meinung nach ist es verfehlt, Egoismus und Altruismus als einander ausschließende gegensätzliche Begriffe zu verwenden.

Egoismus ist eine Ich-Bezogenheit (das lateinische Wort ego heißt „ich"). Eigenliebe in dem Sinn, sich selbst zu lieben und für sich zu sorgen, kann eine gute Grundlage sein, auch andere Menschen lieben zu können und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Eigene Interessen wahrzunehmen und einen Nutzen für sich selbst anzustreben, ist nichts an sich Verwerfliches, sondern zunächst einmal ein berechtigtes Ziel. In manchen Situationen kann ein Sorgen für das eigene Wohl als Selbstbehauptung für das eigene Überleben und Wohlergehen notwendig sein.

Schädlich ist ein bloß gieriger und tendenziell schrankenloser Egoismus. Rücksichtslos ist eine Eigennützigkeit und Selbstsucht, die Vorteile mit ausschließlichem Blick auf einen eigenen Nutzen auf Kosten anderer verfolgt und Interessen anderer grundsätzlich niemals als gleichermaßen berechtigt anerkennen mag. Dies läuft darauf hinaus, für sich selbst etwas zu fordern und versuchen durchzusetzen, was man anderen nicht ebenfalls zugesteht. Ein wohlverstandenes Eigeninteresse kann durchaus zu einer Zusammenarbeit mit anderen führen, in der beide Seiten gewinnen. Eine solche Einstellung ist auch kein völliger Gegensatz zu einem Altruismus. Es ist also möglich, eine Verbindung von wohlverstandenem Eigeninteresse und anderen Interessen/einem Allgemeininteresse anzustreben, bei dem das Interesse letztlich zusammenkommt und sich ein Gewinn für mehrere (in einem optimalen Fall für alle) Seiten ergibt.

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Wenn jemand blöd ist und gar nicht gecheckt hat welchen Konsequenzen eine Handlung haben kann, obwohl es wirklich eindeutig ist, aber er somit eine Katastrophe auslöst, dann ist das doch seine schuld, seine verantwortungslosigkeit, seine leichtsinnigkeit.

Das sehe ich nicht so. Es ist seine Schuld, aber nicht seine Verantwortlichkeit oder Leichtsinnigkeit. Dieser jemand hat alle seine geistigen Möglichkeiten ausgeschöpft. Ihm ist im Grunde kein Vorwurf zu machen.
Die Schuld behält er natürlich dennoch.


1Klassiker 
Beitragsersteller
 05.11.2013, 21:13

ok bei dem Beispiel: Autounfall, im auto steckt jez ein verletzter mensch fest. du willst ihm helfen und ohne jeglich medizinischen Erfahrungen ziehst du ihn da jez einfach raus, wobei der betroffene sich stark verletzt. Ist das jetzt leichtsinn? Ok für mich geht es hier weniger um seine geistigen möglichkeiten sondern, darum, dass er unüberlegt gehandelt hat. Dann war sein wille zwar moralisch, aber doch nicht unbedingt gut, zumindest nicht gut durchdacht, also was ich eig damit sagen will, ist das man einen guten willen so doch nicht einfach ohne die konsequenzen zu betrachten als gut bezeichnen kann

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Suboptimierer  06.11.2013, 10:18
@1Klassiker

Ein guter Wille zeichnet sich meiner Meinung nach dadurch aus, dass man etwas Positves bewirken will. Selbstüberschätzung tut dem kein Abbruch.

Im übrigen lernt man auf jedem Erstehilfekurs, dass man lieber etwas machen sollte, was man für richtig hält, als überhaupt nichts zu machen. Nichtsmacher gibt es schon genug.
Man wird eine gut gemeinte, falsche Reaktion dir nicht ankreiden.

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  1. Moral ist immer von eine Subjektivität abhängig und beeinflusst.

  2. Moral =/= Verantwortung, Schuld, [...] Begriffe bitte erst dann benutze, wenn man deren Definition kennt. (www.duden.de)

  3. Der Bezug zum Eigenutzen ist so gemeint, dass nur der Gedanke an den eigenen Nutzen daraus besteht, aber nicht der Gedanke an der Vorteil Anderer (welcher ggf.eintreffen wird/ eintritt/ eintraf).

Bei der teleologischen Ethik zählt nur, dass das Ziel gut ist, der Weg dahin ist egal.

Bei der intentionalistischen Ethik zählt nur die Intention, ob man es gut gemeint hat, und das Ziel ist egal.