Ist der kategorische Imperativ rigoros?
Kant geht ja davon aus, dass nur die Erkenntnisse a priori sinnvoll sein können, um moralische Urteile fällen zu können, sprich Bemühungen der uns gegebenen Vernunft. Unsere Wahrnehmung und unsere Sinne führen ja zur Erkenntnis a posteriori, welche allerdings keine moralische Grundlage liefern kann, da sie täuschungsanfällig und subjektiv sind, was ja keineswegs mit universalistischer Moralphilosophie zu vereinbaren ist. Ergibt sich hieraus auch ein gewisser Rigorismus des kat. Imperativs?
"Gebote sind Gesetze, d.i. auch wider Neigung Folge geleistet werden muß". Könnte man also auch zu dem Punkt gelangen, zu sagen, solange der kategorische Imperativ in einer Handlung berücksichtigt würde (sie also der logischen Deduktion standhält) könnten die unmittelbaren Auswirkungen einer Handlung absolut verheerend sein, aber wenn die Handlung dem kat. Imperativ entspricht, so ist sie auch die gebotene? Auswirkungen einer Handlung beziehen sich ja schließlich immer auf situativen Kontext und diesen gilt es ja nicht zu beachten. Was meint ihr dazu?
2 Antworten
Hallo
Der kathegorischen imperativ ist keine moralische Grundlage was ist für mich vollkommen nutzlos macht... Dieser "verstand" ist abhängig von gelernten und Überzeugungen also vollkommen subjektiv und was man als richtig gelernt hat, wird sich somit richtig anfühlen auch wenn es das Gesetz für alle ist
Kant hat sich einfach eine eigene Religion erschaffen, in der er selbst Gott ist und das Dogma vorgibt... Der kathegorische Imperativ geht jedoch nur auf wenn man bereits eine Moralvorstellung besitzt welche wohlwollend aller Lebewesen gegenüber ist - für jene ist der kathegorische Imperativ aber nutzlos da sie sowieso wohlwollend handeln, und für alle anderen die eine wohlwollende Moral nötig haben, ein kathegorisches abstoßen andersdenkende und die Anleitung zur egobasierten selbstjustitz
Das wird sehr deutlich sobald man mal eine vollkommen andere Wahrnehmung als Beispiel nimmt...
Jeder Allahu Akbar Ruf bevor einer geköpft wird ist das fordern eines einheitlichen Gesetzes... Diese Menschen sind bis ins tiefste innerste davon überzeugt, das dies die richtige Handlung ist und würden das selbe Urteil an sich akzeptieren wenn sie doch nur so sündhaft wären wir der Rest der Welt der anders denkt als sie selbst...
Das töten von islamistischen Terroristen ist konform mit dem kathegorischen Imperativ... Kant hat hier nicht mit bedacht, das nicht jeder im deutschsprachigen Raum diese Arbeitermoral von klein auf mitbekommen hat wie er...
Terroristen tun in ihrer Wahrnehmung auch etwas für das Allgemeinwohl - desweiteren sind sie überzeugt davon, das der physische tot kein Ende ist sie löschen also keine Existenzen aus sondern schicken sie zum gerechtesten aller Richter bei dem sie entweder entschädigt werden oder ihre verdiente Strafe erhalten für ihr unmoralisches (ungläubiges) Leben...
Mit dem Terrorismus wird das allgemeine Gesetz gefordert! Es ist die extreme Form der Ausführung des kathegorischen Imperativ, wenn man "in einer anderen Welt" geboren wurde als Kant selbst...
LG,
Lacrimis
Kant unterscheidet zwischen dem "rigorosen" VERSTAND und der für den kategorischen Imperativ grundlegenden VERNUNFT, die an das als angeboren bzw. naturgegeben christlich-moralische GEWISSEN gebunden sei. Also kann eine Handlung und deren Auswirkungen nie "verheerend" sein, weil sie ja moralisch bzw. ethisch grundsätzlich gut ist, wenn sie dem kategorischen Imperativ entspricht.
Allerdings gibt es dabei mindestens zwei Dinge zu beachten:
- Kant lebte in der deutsch-preußisch-protestantischen Moral vor 1800.
- Kant wusste nichts von Gefühlen (Emotionen). Man sprach damals von den den Verstand kurzzeitig störenden Leidenschaften (Affekten).
Wir wissen aber längst, dass unser Gehirn auf einen Reiz zuerst fühlt und danach denkt und dann erst der Kreislauf des Fühlens und Denkens bis hin zur Handlung beginnt (vgl. ältestes Sinnesorgan der Wahrnehmung ist das Riechorgan für die Aufnahme von "Duftstoffen" zur Reizung der Ausschüttung von (Geschlechts-)Hormonen, die das Fühlen und Denken des Gehirns stärkstens beeinflussen - bis zur (Eigen-)Reflexion bis ins Menschen- und Weltbild hinein!).
Deshalb ist Kants großartige Philosophie des Verstandes zwar nicht falsch, aber er ging von falschen Grundlagen aus. Der Verstand und erst recht die Vernunft gründen sich auf Gefühlen wie dem Stolz des aufrechten Ganges als Wurzel des Selbstbewusstseins oder der erwachsenen Ur-Angst vor dem eines Tages Gestorben sein oder dem urmenschlichen Bedürfnis um Anerkennung in einer Gemeinschaft, also um Liebe nehmen und Liebe geben. Daraus entwickeln sich Moral und Religion und damit auch das Weltbild und die Vorstellung vom eigenen Lebenslauf.
Die immer so als wichtig angenommene sachlich-rationale Argumentation der rationalen Intelligenz führt eben den Menschen nicht zur Wahrheit, weil die sozial-emotionale Intelligenz und ihre Erkenntnisse noch immer unterbewertet werden, - und damit ist auch Kants kategorischer Imperativ "nur" ein Teil der Wahrheit...
Eine Lüge kann auch dem Guten dienen. Campanella und man sollte sich mal den Film ansehen ,, Jakob der Lügner. Pauschalisieren ist in der Regel falsch aber einfacher. Ein Differenzierungsvermögen kommt selten vor.
Danke für die Empfehlung zunächst einmal :)
Bei Kant gibt es jedoch eben diese Ansicht nicht. Ich meine da mal einen Aufsatz von ihm gelesen zu haben, das war eine Antwort an Benjamin Constant und hieß "Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen"
Ich - also meine mittlerweile Wenigkeit als EX-UNI-Philosoph und Kritiker des puren Rationalismus des Alltäglichen und des Wissenschaftlichen - betrachte aber den Begriff "Lüge" bereits als nicht aussagekräftig, weil er ja nicht das Gegenteil von "Wahrheit" ist: Der Mensch lügt nämlich immer, weil er nur als Subjekt seine Wahrheit sagen kann, seine Meinung ist also immer Lüge gegenüber der Wahrheit, egal, ob er meint er lüge oder sage die Wahrheit. Wahrheit ist also immer so weit wie möglich zu objektivieren, um wahr zu sein, wird es aber niemals sein, weil eben die Objektivierung nur die Abstraktion des Konkreten ist. Das ist ja auch zum Beispiel Kants Problem seines kategorischen Imperativs. So brauchte er das GEWISSEN als Grundlage einer objektiven, also absoluten Wahrheit.
Die gibt es ja doch trotzdem nicht, so predigte uns Karl Popper die Falsifizierung, also sein Gegenteil der Wahrheit, die Falschheit. Wir sollen also immer das Falsche erkennen, dann fänden die Wahrheit. aber wie soll das in der Moral funktionieren, wenn doch alle Moral immer eine Zielsetzung einer Gemeinschaft hat, doch nie die Wahrheit. Die Tragödie an der Wahrheitsfindung liegt ja darin, dass sie menschliche Gehirne suchen, also ganz beschränkte und in ihrer Subjektivität gefangene Fühl-, Denk- und Impulssysteme!
Auch ein Grundproblem der wissenschaftlichen Wahrheitssuche. Denn nur weil etwas unzählige Male stimmt, stimmt es eben noch lange nicht. Der Irrtum der Besessenen der Induktion. So ist die Falsifizierung ja fast die moderne Deduktion, das erzähle aber ´mal einem atheistischen Geisteswissenschaftler, der nicht einmal die Bewusstseinsebenen der Intuition erkennen möchte...
Mit kurzen Worten - wir Menschen lügen immer, sekündlich, absichtlich zu bestimmten Zwecken - oder unabsichtlich, weil wir die (höchste) Wahrheit gar nicht wissen können...
Ja, das ist auf jeden Fall ein sehr interessanter und einleuchtender Punkt. Ein Punkt, den du in deiner ersten Antwort angegeben hattest fand ich auch sehr spannend: Verstand und Vernunft begründen sich auf Gefühlen.
Wie ist das zu verstehen? Ist damit gemeint, dass das, was wir unter diesen Begriffen verstehen gar nicht sein kann wenn wir die Gefühle als vom rein rationellen abgegrenzte Sache betrachten würden?
Wir können dies Komplexe am ehesten an Beispielen zu verstehen versuchen:
Eine Frau, die einen normalen weiblichen Hormonstatus (Östrogene, Gastrogene, Progesteron u.ä.) hat, wünscht sich EIN Kind, nicht unbedingt den Mann dazu. Sie will sich binden < Östrogen > zumindest für die Zeugung, meistens aber auch für ihr Kind. Hat sie einen passenden Mann dazu, ist das nicht nur natürlich, sondern normal, also mehrheitlich so. Sie kann sich also nur langzeitig freuen (Gefühl), wenn sie Mutter geworden ist, ist sie das nicht, ist das ein Verlust, der sie auf Dauer traurig (Gefühl) macht, wenn sie diesen Verlust nicht zu überwinden lernt.
Findet sie also jahrelang nicht den richtigen Mann für diese ihre Freude, wird sie immer einen argumentativen Grund (Verstand) finden, dass alle Männer ( = logische Verallgemeinerung) als Väter nichts taugen, z. B. weil sie keine Kinder erziehen wollen, sie kommen ja nicht einmal zu Elternsprechstunden, weil sie nur an ihr eigenes Leben denken, sie verwirklichen sich ja nur in ihrem Beruf, weil sie sich nicht binden wollen, weil sie allen Frauen hinterhereilen, weil sie... usw..
D.h. aufgrund ihres Geschlechtshormonstatus (das ist ja nur EIN Parameter) ahnt sie ("instinktives" GEFÜHL), was sie langfristig glücklich macht, und so sagt ihr ihr VERSTAND, das ist eine Meinung, weil sie (noch) keinen passenden Mann gefunden hat, dass Männer keine guten Väter sind, wofür sich sachliche Argumente sucht und findet. Findet sie plötzlich mehrere Männer für sich, ändert sich noch lange nicht ihre Meinung (VERSTAND), weil sie sich aus dieser Kränkung erst befreien muss. Erst wenn das GEFÜHL der Freude überwiegt, muss sie sich überwinden, um einen Schritt zum Gegenteil ihrer Meinung zu tun.
Das ist nur ein kleines menschliches Beispiel von tausenden wie das Fühlen, sogar das in Zukunft gesuchte, das Denken vollkommen beeinflusst. Am häufigsten steuert das (seelisch beengende) Gefühl der Angst das Denken.
Zum Beispiel durch die Angst vor der Minderwertigkeit, vor dem Verlassen werden die ewige Frage nach einer Gottheit und die damit verbundene Frage der Wahrheit:
Ein bindungssuchender Mensch (Östrogene), der unter Menschen bzw. deren Denken und Handeln keine Geborgenheit, keine Anerkennung findet, sucht grundsätzliches etwas Höheres (vgl. Feuerbach u.a.m.) wie seine überirdischen ihn liebenden Eltern. Wenn ihm das eine fertige Ideologie bietet, die er im Alltag umsetzen kann (z. B. Religionsrituale), dann ist für ihn diese Gottheit wahr. Das kann auch das Streben nach Geld, nach der Computerwelt, nach dem Sport u.v.m. sein. Er nimmt diese Gottheit als Wahrheit an, er kämpft für sie gegen ihre Feinde: "Natürlich existiert Gott-Allah-Jahwe. Ihn muss man nicht beweisen, sonst wäre er doch kein Gott mehr.", "Geld regiert die Welt! Was denn sonst? Das ist die einzige Wahrheit.", "Mehr als mein Smartphone (Kommunikationsmittel zur Anerkennung) und meinen Sport (sportliche Leistung zur Anerkennung) brauche ich nicht zum leben. Das ist doch das Wichtigste auf der Welt. Wozu Bücher lesen oder selbst über die Welt nachdenken?!"
Mit anderen Worten - der Mensch fühlt grundsätzlich zuerst und dann denkt er in ganz bestimmter Richtung. Ja sogar Kants Philosophie selbst ist eine Folge dieser Regel. Er, der seine Gefühlswelt verneinte, nie erblühen ließ, der seine Ängste, seine Liebe usw. in das Nachdenken und Schreiben verlegte, nicht in ein adäquates Handeln, erschuf einen riesigen Gedankenberg über das Denken. Und sein letztes Werk "Zum ewigen Frieden" handelt eben nicht vom Tod, sondern von der Urangst vor dem Sterben, allerdings getarnt in eine Lehrschrift zur grundsätzlichen Verhinderung des Krieges zwischen den Staaten...
PAUSE
Ahhhh ich glaube es verstanden zu haben. Sprich: Es ist anthropologisch eine Tatsache, dass zuerst gefühlt und erst dann gedacht werden kann. Ob ich diese Gefühle verneine oder nicht, ändert ja jedoch nichts an ihrer Existenz, sondern lediglich den Umgang mit ihnen und die Art und Weise in der sich das Empfundene auf mein Denken auswirkt. Bin ich nun wie Kant und lasse meine Gefühle "verkümmern", so werde ich mich in meinem Denken dem Denken widmen. Also könnte man womöglich sagen, dass Kants Philosophie indem sie ratio-zentrische Ansichten vertritt ein Abbild Kants verneinter Gefühlswelt ist?
Ja, genau so ist es meiner Meinung nach - nicht unbedingt der UNIs: Kant wird überall noch immer in Philosophie als beinahe unumstößliche Wahrheit gelehrt. Der Rationalismus herrscht ja im Alltag.
- Wie wenig sprechen wir offiziell in dieser Corona-Zeit über die Psycho- und Körpertherapie des gegenseitigen Berührens zur lebenswichtigen Leiberfahrung! Es müsste verpflichtende Umarmungs- und Massagerituale im Alltag geben, stattdessen jagen wir die Menschen ins vereinsamende Homeschooling und Homeoffice. Dann sprechen Soziologen mit rationalen Gründen über die Zunahme des Rauchens. Welche Ignoranz! Unsere Organe wollen leben. Und wenn wir sie nicht leben lassen wollen oder können, dann betäuben oder töten wir sie: Z. B. Der Alkoholiker tötet seine Leber, weil er sich gegen ihn seelisch verletzende Bosheiten nicht wehren kann - dann weiß man aus der Psychosomatik seit ca. 100 Jahren (!!). Die Raucherin betäubt und tötet ihre Lunge, weil sie nicht atmen, nicht reden kann - darf. Und wir sprechen in der Gemeinschaft - und nicht in Geräte, sondern mit anderen Menschen gegenüber. Die absichtliche Vereinsamung führt zu vielen derartigen psychosomatischen Erkrankungen, sogar zur Verlangsamung des Gehirns, also zur rationalen Demenz und zur emotionalen Über- oder Unempfindlichkeit! Das wissen WIR.
Allerdings ist eben auch Kants Gehirn, also sein Fühlen und Denken, Ausdruck der Menschen seiner Zeit. Wir evolutionieren ja auch, wenn auch unsäglich langsam.
Daniel Golemans Sachbuch "Emotionale Intelligenz", das damals (ca. 1997) mit vielen Meinungen zu den Intelligenzen (z. B. Katharsis-Idee) mit belastbaren Studienergebnissen aufräumen konnte, das man wie ähnliche Werke von "Sozialpsychologen" in Auszügen als Schullektüre schon bis zur mittleren Reife (nicht nur für die Schüler*innen!!) verpflichten müsste, sagt uns ja, dass wir unsere Gefühlswelt nicht mehr missachten, sondern ebenso ausbilden müssen wie zum Beispiel unsere rationale Intelligenz.
Heutzutage kennen wir bereits das schon immer angenommene Bauchgehirn (vgl. altchines. Weisheit "Im Bauch-Darm steckt der Tod"), eine Vernetzung um den Solar Plexus etwa so groß und dicht wie ein Hundegehirn. Wir werden also auch der INTUITION (vgl. Ch. Baudouin "Die Macht in uns", Genf, Rousseau-Lehrstuhlinhaber, noch nicht Psychologe, ca. 1922) immer mehr auf die Spur kommen, also der Wahrheitsfindung durch absichtliches Verdrängen des Denkens, nicht so wie bisher des Fühlens.
Hey, zunächst einmal vielen Dank für deine tolle und ausführliche Antwort. Du hast mir hierbei schon immens weitergeholfen!
Mein Dozent in der Uni hatte (um Rigorismus zu illustrieren) mal auf das bekannte Beispiel der Notlüge zurückgegriffen. Er meinte, "selbst wenn es eine Notlüge geben würde, die die Welt und alle auf ihr vor dem Untergang bewahren könnte, so gilt doch immer noch das absolute Lügenverbot Kants. Aus Menschenliebe zu lügen ist hierbei immer falsch, egal wie furchtbar die Folgen des die Wahrheit-Sagens ist". Das war eine Aussage, die mich beispielsweise zu dem Rigorismus-Gedanken gebracht hatte. Meinst du, da ist was dran?