Wie ist dieser Einschub in Kants Satz zur frage nach dem richtigen moralischen handeln gemeint?

2 Antworten

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1) Einschub

Mit dem Einschub bekräftigt Immanuel Kant: Die Aussage, allein ein guter Wille könne Einschränkung für gut gehalten werden, gilt universal, die Vernunft kann gar nicht zu einem anderen Urteil kommen. Die Aussage ist eine jeder Erfahrung vorausgehende Denknotwendigkeit. Dies wird betont, indem die Aussage völlig unabhängig davon gelten soll, wo sich etwas befindet, auf das ein Urteil bezogen sein könnte, ob es gut ist oder nicht.

Der Bereich der Aussage ist schlechthin überall, reicht damit über die Menschen zugängliche Welt hinaus. Auch etwas außerhalb der Welt Liegendes, z. B. ein göttliches Wesen als ihre transzendente Ursache (ob es nun so etwas gibt oder nicht), kann nur aufgrund seines guten Willens für uneingeschränkt gut gehalten werden, nicht beispielsweise aufgrund Allwissenheit oder Allmacht oder irgendeiner anderen Eigenschaft.

2) Interpretation

Die Interpretation ist nicht ganz richtig. Der Zusatz „ohne Einschränkung für gut“ (uneingeschränkt gut) ist nicht beachtet. Nur der gute Wille ist unbedingt, allgemein und uneingeschränkt moralisch gut. Moral bezieht sich auf Handlungen (die Frage: Was soll ich tun?).

Immanuel Kant vertritt die Auffassung, eine uneingeschränkt gute Handlung könne nur eine von einem guten Willen getragene Handlung sein. Das Gute am guten Willen liegt nach Kant in seinem Wollen, in der Art, wie er auf eine Handlung ausgerichtet ist.

Bei Immanuel Kant ist der gute Wille das, wodurch ein Handeln gut ist. Er liegt darin, den Grundsatz des Handelns (die Maxime) um seiner selbst willen zu wollen.

Entscheidend ist die Handlungsabsicht (eine Maxime ist ein dem Vernunftinteresse entnommener subjektiver Grundsatz), nicht die tatsächlich eingetretene Handlungsfolge (ein ausreichender Einsatz der praktischen Vernunft bleibt aber trotzdem geboten; eine Person mit guter Absicht ist auch bereit, die zur Verwirklichung dieser Absicht zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, also nicht bei bloßer Gesinnung stehenzubleiben, sondern sich um eine Realisierung des Guten zu kümmern).

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntniß zur philosophischen (AA IV 394/BA 4:
„Der gute Wille ist nicht durch das, was er bewirkt oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu Erreichung irgend eines vorgesetzten Zweckes, sondern allein durch das Wollen, d. i. an sich, gut und, für sich selbst betrachtet, ohne Vergleich weit höher zu schätzen als alles, was durch ihn zu Gunsten irgend einer Neigung, ja wenn man will, der Summe aller Neigungen nur immer zu Stande gebracht werden könnte. Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur es diesem Willen gänzlich an Vermögen fehlete, seine Absicht durchzusetzen; wenn bei seiner größten Bestrebung dennoch nichts von ihm ausgerichtet würde, und nur der gute Wille (freilich nicht etwa ein bloßer Wunsch, sondern als die Aufbietung aller Mittel, so weit sie in unserer Gewalt sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat.“

Den Willen vernünftiger Wesen versteht Kant als das Vermögen (die Fähigkeit), nach der Vorstellung sittlicher Gesetze, d. h. nach Prinzipien (Grundsätzen) der praktischen Vernunft zu handeln. Der gute Wille ist von der Pflicht (innere Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung vor dem Gesetz) bestimmt. Kant hält es für eine Pflicht, als vernunftbegabtes Wesen dem zu folgen, weil dies die Achtung vor dem mittels der Vernunft eingesehenen moralischen/sittlichen Gesetz gebietet. Die Selbstverpflichtung gründet in Autonomie (Selbstgesetzgebung). Ein vernünftiges Wesen will das, was es als der praktischen Vernunft entsprechend eingesehen hat.

Die Bestimmung des reinen Willens muß gesetzesförmig sein, unabhängig von äußeren oder inhaltlichen, auf Neigungen beruhenden Beweggründen. Für die Form der Gesetzlichkeit stellt Kant den kategorischen Imperativ als Regel des unbedingten Sollens auf. Das Gute beim guten Willen besteht darin, sich nach ihm zu richten und daher den Maximen zu folgen, die als Teil einer allgemeinen Gesetzgebung gewollt werden können.


Hannahx33 
Beitragsersteller
 02.12.2012, 21:26

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!

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"Wenn die Vernunft den Willen unausbleiblich [definitiv] bestimmt, so sind die[jenigen] Handlungen eines solchen [Vernunft]Wesens, die [von der Vernunft] als objektiv notwendig [als der Sache nach geboten] erkannt werden, auch subjektiv notwendig [für das Subjekt geboten]. ... Der Wille ist [in diesem Fall] ein Vermögen, nur dasjenige zu wählen, was die Vernunft, unabhängig von der Neigung [von Gefühlen und Wünschen] als praktisch notwendig [als geboten zu tun], d. i. als gut erkennt." nach http://www.ethik-werkstatt.de/Kant_guter_Wille.htm#guter_Wille

Guter Wille setzt Freiheit voraus, nach vernünftiger Einsicht handeln zu wollen und zu können. Zu dieser Einsicht kommt Kant vermittels der Vernunft und diese Vernunft gilt seiner Meinung nach nicht nur in der uns zugänglichen Welt der Anschauungen sondern auch in der "Welt an sich". Ja, Freiheit ist sowieso ein Phänomen der "Welt an sich", das in der "Welt der Anschauungen" nicht belegbar sein kann, weil diese kausal strukturiert konstruiert ist.