Kann man Physik studieren, ohne im Abitur überhaupt Physik gehabt zu haben?

9 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo xJazzy03,

mir fällt jetzt eigentlich nur sehr wenig ein, was ich schreiben kann, was nicht der eine oder andere User hier schon betont hat.

Ich selber hatte damals zwar Physik bis zum Abitur belegt, aber nur als "Grundkurs", was bedeutet, dass man weniger Stunden pro Woche in diesem Fach hat und entsprechend den Stoff weniger vertieft als im Leistungskurs. Ich habe auch Physik nicht als Abiturfach gehabt.

Allerdings hatte ich Mathe-Leistungskurs. Du hast jetzt nicht geschrieben, wie gut Du so in Mathematik bist. Denn ich würde schon sagen: Das ist "die Gretchenfrage" der Physik: "yJazzy03", wie hälst Du es denn mit der Mathematik?"

Macht Dich eine Tafel voller Formeln glücklich? Findest Du es spannend, Naturprozesse in eine abstrakte mathematische Form zu übersetzen? Oder bist Du eher froh, wenn in Mathematik die Beweise und Herleitungen vorbei sind und es ans "Rechnen" geht? Stell' Dir die Frage, warum Du Physik abgelegt und Bio genommen hast. War das nur das damalige Interesse an den Themen - oder spielte da die Mathematik eine Rolle?

Du musst Dir klar machen, dass Mathe im Physikstudium kein lästiges Beiwerk ist. Mathematik ist die Sprache der Physik; Physik ist angewandte Mathematik. Sie ist das tägliche Brot des Physikers. Das - und in der Astrophysik auch sehr oft das Programmieren. Sehr viele Projekte bestehen in der Erstellung von Computersimulation von Modellen, die errechneten Vorhersagen werden dann mit Beobachtungen verglichen, die man selber gar nicht gemacht hat. Der Physiker ist ein Schreibtischtäter.

Als Physiker brauchst Du Leidenschaft für Mathematik, analytisches Denkvermögen, Abstraktionsvermögen, Geduld, Kreativität und Durchhaltevermögen. Die Aufgaben bestehen weit weniger im simplen Ausrechnen von vorgegebenen Sachverhalten als in Schulhausaufgaben. An der Uni vertieft man in Hausaufgaben den Lehrstoff der Vorlesungen und erarbeitet sich dabei ein Gefühl, das Gehörte anzuwenden. "Erarbeiten" bedeutet, dass das manchmal ein zäher Lernprozess ist, bei dem man erst mal 4 Stunden Herleitungen probiert, die nicht funktionieren. Das ist auch mal frustrierend. Man fühlt sich oft völlig unzureichend vorbereitet ins kalte Wasser geschmissen. Tatsächlich ist das Absicht: Nur wer das aushält, erträgt in der Grundlagenforschung jahrelang an Themen zu arbeiten, bei denen man niemanden fragen kann, nirgends nachschlagen kann, nicht weiß, ob der aktuell verfolgte Ansatz aussichtsreich ist... oder in ein paar Monaten in der Tonne landet. Es ist dieses Gefühl des "Überfordertseins", das dazu führt, dass Physik(und die anderen MINT-Fächer) mit die höchsten Abbruchquoten im Studium haben.

Naturwissenschaft ist keine spannende Abfolge von "Heureka-Momenten", sondern pfrimeliges und zähes Ringen mit tausenden scheinbar unwichtiger Details. Überlege Dir, wie Du mit so was umgehen könntest.

Ja, Du wirst definitiv in den ersten beiden Semestern gegen anderen etwas aufholen müssen, wenn Du kein Physik gehört hast in der Schule. Das war bei mir auch schon so. Aber es gibt für alle dieselbe Einführungsvorlesung in die Experimentalphysik, die bringt alle auf dasselbe Niveau. Die bedeutet eben für Dich mehr Arbeit, weil Du Vieles dort das erste Mal hören wirst, was die anderen - weniger vertieft - schon mal kennengelernt haben. Das kann für Dich bedeuten, dass Du Dir da ein Extra-Buch gönnen musst oder ein paar Übungsaufgaben mehr machen musst als die anderen. Kann man schaffen; ist ein Handicap, klar, aber ein überwindbares Handicap nur in den ersten beiden Semestern, wenn Du merkst, dass Du da richtig bist und mit der Mathematik klarkommst.

Physik sollte man studieren, wenn man es sein ganzes Leben bereuen würde, es nicht probiert zu haben. Und wenn einem im Prinzip alle anderen Menschen ein bissi leid tun, die es nicht gemacht haben. (Einschließlich der Biologen, von Profifußballern oder Schauspielern ganz zu schweigen.) Ich finde, dieser Professor drückt es in wenigen Worten ganz gut aus, wann man Physik studieren sollte:

https://www.youtube.com/watch?v=e05oEabNZAY

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

xJazzy03 
Beitragsersteller
 08.09.2020, 22:37

Danke für die Zeit, die du dir in dieser ausführlichen Antwort genommen hast, ich schau mir bei passender Gelegenheit den Link und das Video mal an. An sich fand ich, dass eigniges zutreffend war, was du aufgezählt hast, muss aber ehrlich sagen, dass mein jetztiger Mathe mir den Spaß an den Unterricht nimmt, einfach weil er uns unterrichtet, wie in der 5ten, kein überlegen, keine Herausforderung, kein Herleiten. Hoffe, dass wenn ich wirklich Physik oder Mathe studieren sollte, der Spaß wieder kommt.

1
uteausmuenchen  09.09.2020, 00:30
@xJazzy03

Danke für das Sternchen!!

Das Video dauert übrigens nur ein paar Sekunden... ;-)

Wenn Dir gerade Herleitungen und Herausforderungen Spaß machen in Mathe, dann ist das gut. Sogar der Gerd Binnig, der den Physiknobelpreis gekriegt hat, sagt von sich, dass er auf der Schule nur eine 3 in Physik hatte... weil er immer zu faul zum Lernen war und ihn der Unterricht gelangweilt hat. Er hat sich dann erst in der Schulaufgabe alles von Anfang an selber hergeleitet... und wurde damit halt dann meist nicht fertig. Sein Lehrer meinte aber wohl zu ihm "Mensch, Gerd, immer wenn es richtig schwierig wird, biste auf einmal dabei..."

Man kann da also wirklich sehr viel wieder aufholen in den ersten Semestern.

Grüße

1

Ja, sicher, was hindert dich daran?

Was du in der Schule an Physik lernst kannst du im Physikstudium getrost vergessen. Es hilft dir vielleicht in der ersten Woche weiter - aber das wars auch schon.

Der Erfolg in diesem Studium hängt von dir ab, insbesondere von deinem Fleiß und Lernwillen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium technische Physik, promoviert in Festkörperphysik

xJazzy03 
Beitragsersteller
 08.09.2020, 22:42

Danke, hoffe werde genug davon besitzen, sollte es dazu kommen :D

– Jesse

0

Können tust du, da Physik jeder mit einem Abitur studieren kann.
Auch schaffen kannst du es. Der Stoff den man im Studium in Physik (schon alleine im ersten Semester) durchmacht, geht sehr viel weiter als der Schulstoff. Wenn du also den Schulstoff kennst, wird er dir grade mal von kurzem Nutzen sein.
Ein Vorteil ist es jedoch, wenn man sich in der Schule schon mit den Konzepten und Begriffen vertraut machen konnte. Soetwas wie die Newtonischen Axiome, das Gravitationsgesetz oder die Begriffe Impuls, Energie, Arbeit, etc. sind gut, wenn man sie kennt und einordnen kann. Ich würde dir also trotzdem empfehlen vor dem Studium mal die klassische Mechanik etwas anzuschauen (es gibt genug Videoserien auf YouTube). Achte dabei aber darauf, dass du nicht irgendwelche Vorlesungsvideos der Uni erwischst.

Ansonsten kann man sagen: Auch wenn du schon etwas mit der Materie vertraut bist, ist das kein Freibrief im Studium. Das wichtigste ist hier Fleiß und Durchhaltevermögen. Die meisten brechen nach dem ersten Semester nicht ab, weil es zu schwierig ist, sondern weil sie dem Arbeitsaufwand nicht gewachsen sind. Ich dachte in meinem ersten Semester, ich würde mit dem gleichen Arbeitsaufwand wie in der Oberstufe (oder vielleicht etwas mehr), das ganze schon schaffen. Tatsächlich fiel ich bei 50% der Kurse durch. Jetzt bin ich im 5. Semester und habe fast einen 1er Schnitt. Vor allem liegt das daran, weil ich nun den Arbeitsaufwand gewohnt bin.

Wir viele hier sagen, ist auch Mathe ein wichtiger Teil des Studiums. Wenn du an Mathe keinen Spaß hast, wirst du kaum die nötige Motivation an den Tag bringen, das ganze auch durchzuziehen. Vor allem solltest du dir aber bewusst sein, dass die Mathematik an der Uni keine Schulmathematik ist. Lies dich auch hier am besten davor etwas in die Unimathematik ein.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor in Physik

MrEnder  19.08.2021, 21:53

Studierst du immer noch? Hast du evtl. Tipps für Leute wie mich, die bald anfangen Physik zu studieren ;)?

0
Raph101  20.08.2021, 08:23
@MrEnder

Habe grade meinen Bachelor fertig und beginne jetzt mit dem Master ;)

Einige Tipps hab ich schon in meiner Antwort genannt: Mach dich mit den Begriffen der klassischen Mechanik (Energie, Impuls, Kraft,…) vertraut und wenn du willst auch mit begriffen der Elektrotechnik (Culomb-Gesetz, Spannung, Strom,…). Es gibt dazu viele Videoserien auf YouTube.
Wenn du Zeit hast, wäre es natürlich genauso wichtig, dich mit der Mathematik zu beschäftigen bzw. bestimmte Lücken zu füllen. Das kann man wieder gratis über das Internet machen. Ein Buch das ich in diesem Zusammenhang auch empfehlen kann ist „Rechenmethoden für Studierende der Physik im ersten Jahr“.

Das wichtigste ist aber schlussendlich dein Mindset. Lass dich nicht entmutigen wenn du am Anfang überwältigt bist. Versuche die Aufgaben im Studium in den ersten Wochen so verantwortungsvoll und gut wie möglich zu erledigen. Das heißt zwar oft, dass man kaum Freizeit hat, aber nach den paar Wochen hat man sich dann daran gewöhnt. Motivation und Fleiß ist das wichtigste. Wie erwähnt hatte zumindest ich im ersten Semester zu wenig Fleiß und das war ein Problem.

Wünsche dir auf alle Fälle alles Gute!

1
MrEnder  20.08.2021, 13:07
@Raph101

Vielen Dank für die Tipps! :)

Im Oktober geht es bei mir los ich bin schon gespannt

1
xJazzy03 
Beitragsersteller
 07.09.2020, 08:21

Dankeschön :)

0

Guten Tag, also soetwas habe ich noch nie verhört, ein Abitur ohne Kunst oder Physik oder nur eins vom Beiden, oder am besten noch im Fachabi und dann auch noch Biologie als Lk. Das sind ja vielleicht Sitten, wie im Sodom und Gomorrha, ne eigenwillig wirkende Schule. Natürlich nurn Scherz. Wie lange gehen denn die Unterrichtszeiten, wenn hoffentlich nicht bis 16Uhr, aber häng doch einfach noch drei Stunden dran, dann haste dies Echte… Ich schätze das dies wahrscheinlich nicht möglich ist, meine Lieblichkeit….

lg Sven Balzer

Das wäre nicht so ein Problem, da man an der Uni wieder ziemlich von Anfang an beginnt (allerdings gehen die Professoren in dem als bekannt vorausgesetzten Bereich ziemlich schnell vorwärts). Aber in Mathematik solltest Du fit sein. Gerade in Astrophysik wird im wesentlichen mathematisch gearbeitet. Die romantischen Vorstellungen vom Astronomen, der im wesentlichen durch ein Fernrohr die Sterne und Planeten beobachtet, hast Du ja wohl hoffentlich schon abgelegt.


xJazzy03 
Beitragsersteller
 07.09.2020, 06:44

Dankeschön

Ja hab ich, Mathe ist an sich ziemlich gut, bin auf den Weg 15 Punkte zu bekommen

1