Kann Adrenalin das Herz erneut beleben?

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Man kann ja sozusagen zwei Arten von Herzstillstand unterscheiden. In einem Fall ist noch eine unkoordinierte elektrische Aktivität beim stehenden Herzen zu erkennen, die man in Kammerflimmern, Kammerflattern oder pulslose ventrikuläre Tachykardie trennen kann. Diese Formen des Herzstillstandes kann man defibrillieren. Alle anderen Formen, das wären Asystolie (also Nulllinie) und pulslose elektrische Aktivität, PEA, kann man nicht defibrillieren.

In beiden "Arten" des Herzstillstandes würde man Adrenalin verabreichen, bei defibrillierbaren Rhythmen allerdings deutlich später, bei nicht defibrillierbaren Rhythmen soll das so schnell wie möglich geschehen.

Adrenalin wird allerdings heutezutage nicht als Spritze ins Herz gegeben. Ehrlich gesagt glaube ich, dass das außer in anekdotenhaften historischen Betrachtungen auch niemals wirklich durchgeführt wurde. kardiale Einspritzung als angeordnete Therapie ist mir nur aus den ersten modernen Kriegen bekannt, in denen auch Giftgas eingesetzt wurde und man glaubte, durch eine schnelle Spritze ins Herz mit dem Gegengift das Leben des Soldaten retten zu können. Ob es wirklich oft gemacht wurde, weiß ich aber wiederum nicht. In der modernen Reanimation jedenfalls werden solche Spritzen nicht verabreicht. Adrenalin wird wie alle anderen Medikamente auch intravenös, also über einen Tropf in Arm und Hals, oder intraossär, also in eine Nadel im Markraum des Knochens an Schienbein oder Oberarm gegeben.

Gegen die Spritze ins Herz sprechen diverse Gründe, der wichtigste ist, dass man überhaupt nicht weiß, wo man landet. Klar, das Herz ist mittig im Brustkorb, aber in echt ist es gar nicht so leicht, die richtige Stichrichtung und -tiefe abzuschätzen. Man weiß nie, was im Herzen ankommt. Andere Gefahren sind die Verletzung umliegender Strukturen, z.B. wichtiger Arterien und der Lunge.

Fazit: Ja, Adrenalin kann in der Reanimation erfolgversprechend sein. Nein, Adrenalin wird heutezutage niemals mit einer Spritze ins Herz verabreicht, das ist wenn überhaupt jemals regelhaft praktiziert eine historische Methode.


Lunatus  08.01.2017, 07:04

Schön erläutert!

Als Ergänzung  möchte ich noch hinzufügen, dass ein Stich ins Herz das Risiko eines Perikardergusses / Myokardergusses bewirken kann.  Das ist eine ziemlich unangenehme Geschichte, weil auch so etwas tödlich enden kann, wenn es unbehandelt bleibt. 

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Anders als mein Vorredner behauptet, ist dies sehr wohl möglich und wird auch so gehandhabt, Adrenalin ist das Standardmedikament der Reanimation. Es wird aufgrund seiner α-adrenergen vasokonstriktorischen Eigenschaften gegeben, die zu einer Verengung der peripheren Blutgefäße führen, was die Durchblutung von Herz und Gehirn verbessert

Von einen Stich mit einer Nadel ins Herz verblutet man nicht, dafür ist die Wunde viel zu klein 


Schmallle  08.01.2017, 05:55

Dennoch bekommt man eine Spritze nicht ins Herz.

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DiColonna  08.01.2017, 06:05
@Schmallle

Die Kunst besteht darin, nicht an der Rippe abzurutschen....

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Lunatus  08.01.2017, 07:11
@Redekunst

 Theoretisch ist das sicher möglich, aber in der Praxis wird das so gut wie nicht mehr vorgenommen. 

Als Praxisanleiter in der Kardiologie habe ich täglich damit zu tun und kann von daher die Angaben meines Vorredners bestätigen. 

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DorktorNoth  08.01.2017, 08:14
@Lunatus

Dem stimme ich zu. In der modernen Medizin gibt es keine Adrenalin-Spritze ins Herz.

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DiColonna  08.01.2017, 06:08

Das Adrenalin verbessert in diesem Moment nicht die Durchblutung von Herz& Hirn. Eher im Gegenteil. Es zieht die Adern zusammen, wie Sie schon sagen. Das Adrenalin wirkt aber auf die Nerven, so dass eine nachfolgende Reanimation grössere Erfolge zeigt.

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DorktorNoth  08.01.2017, 08:19
@Redekunst

Merks dir nicht. Adrenalin wirkt in der Reanimation in erster Linie steigernd auf die Pumpkraft des Herzens, auf die Herzfrequenz und durch die korrekt angemerkte Verengung der Blutgefäße erhöht es den Blutdruck. Gleichzeitig ist es eher ein pro-arrhythmogenes Medikament, verschlimmert also Herzrhythmusstörungen. Das ist in der Reanimation jedoch manchmal gewollt, da sich durch Adrenalin ein Kammerflimmern aus der Asystolie entwickeln kann, die dann wieder defibrillierbar ist. Korrekt ist, dass Adrenalin nicht die Durchblutung des Herzmuskels verbessert, was aber nicht an dem Zusammenziehen der Arterien liegt (die Koronargefäße sind davon nicht so sehr betroffen), sondern beim schlagenden Herzen durch einen vermehrten Sauerstoffbedarf unter Adrenalin durch die erhöhte Leistung. Das Sauerstoffangebot ist aber nach oder bei Reanimation jedoch gering.

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In den meistten Fällen ist der Difbrillator das erste Mittel zum Zweck. Sollte sich herausstellen, dass es sich um nicht defibrillierbare Rhythmusformen (Asystolie, pulslose elektrische Aktivität) handelt, ist die schnelle Gabe von Adrenalin direkt in die Herzkammer gespritz, lebensrettend. Das kann aber nur von einem ausgebildeten Arzt, oder in der Klinik verabreicht werden. 

Ein asystolischer Herzstillstand (55 Prozent) oder eine pulslose elektrische Aktivität (45 Prozent) tritt i.d.R. bei älteren Patienten auf. Durchschnittlich 72 Jahre und meistens unter der Gabe von Narkosen.

Im TV wird das also schnell action geladen, wenn der TV-Notarzt nach der Adrenalinspritze ruft... und unrealistisch für den Arzt der die Sendung ansehen muss...

Gruss
di Colonna


DorktorNoth  08.01.2017, 08:12

Kann man so nicht ganz stehen lassen. Zum einen ist die Zahl der Herzstillstände mit nicht defibrillierbaren Rhythmen zu hoch angegeben. Meiner Kenntnis nach ist die Rate defibrillierbarer Rhythmen bei 30-50% unmittelbar nach Herzstillstand. Findet keine Laien-Reanimation statt, findet der Notarzt / Rettungsdienst allerdings zugegeben in fast 100% der Fälle nicht defibrillierbare Rhythmen vor, falls das gemeint ist. Das hat aber mit dem fortgesetzten Sauerstoffmangel zu tun. Eine Angabe der Art des HErzstillstandes nach Alter zu treffen, ist nicht korrekt. Ob primär eine Asystolie vorliegt oder nicht, hat eher mit der Ursache des Herzstillstandes zu tun, beispilsweise Hypoxie, Lungenembolie oder kardiale Dekompensation (eher nicht-defibrillierbarer Herzstillstand) im Vergleich zu plötzlichem Infarkt oder einer malignen Rhythmusstörung (eher defibrillierbarer Herzstillstand). Aber auch hier ist eine Verallgemeinerung schwierig. Durch Narkosemittel kommt es fast niemals zum Herzstillstand. Wenn überhaupt dann durch massiven Kreislaufeinbruch, wenn der Patient z.B. vorher schon unglaublich viel Blut verloren hat. Hat aber an sich dann nichts mit Narkose zu tun. Zum Thema Spritze ins Herz siehe meinen Beitrag oben.

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Adrenalin ist neben Sauerstoff das wichtigste Medikament bei der Cardiopulmonalen- Reanimation, das gilt für alle Formen des Herzstillstandes. Adrenalin wirkt Herzkraftsteigernd, verbessert die Überleitung der elektrischen Reize am Herzen und steigert durch Verengung der Blutgefäße, vornehmlich der Arterioolen den durch die Thoraxkompession erzielten Blutdruck, zudem bewirkt es eine Bronchialerweiterung. Bei defibrillierbaren Rhythmen (Kammerflimmern und pulslose ventrikuläre Tachykardie), wird mit der Gabe von Adrenalin allerdings erst nach der dritten erfolglosen Defibrillation begonnen.