Ist ein PNP/NPN-Transistor stromgesteuert oder spannungsgesteuert?

4 Antworten

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Hier eine ausführliche Antwort (oftmals hier angefragt):

Nachweise zur Spannungssteuerung des bipolaren Transistors.

1.) Der Temp.koeffizient d(Vbe)/d(T)=-2mV wurde theoretisch berechnet und messtechnisch bestätigt. Er besagt, dass man die SPANNUNG Vbe um 2mV pro Grad Temperaturerhöhung reduzieren muss, um die temperatur-bedingte Vergrößerung von Ic zu kompensieren.

Grundlage: Shockley-Gleichung mit Is (Vorfaktor vor der e-Funktion) als temperatur-sensitiver Strom.

Der Vorfaktor der Shockley-Beziehung ist überhaupt erst der physikalische Grund für die sehr starke Temperatur-Abhängigkeit des Kollektorstromes Ic.

2.) Der EarlyEffekt entsteht durch Erhöhung der Feldstärke in der (schmaler werdenden) Basiszone bei Erhöhung der C-B-Spannung (Verdrängungseffekt). Die Feldstärke wird natürlich durch die angelegte SPANNUNG Vbe (bleibt unverändert) erzeugt. Und das gilt auch für Ib=const (siehe Kennlinien).

 3.) Bei der Re-Gegenkopplung wird eine SPANNUNG rückgekoppelt und reduziert Vbe (bei Vb fest). Nur in diesem Fall (Rückkopplung einer Spannung) steigt der Eingangswiderstand laut Systemtheorie (ist messtechnisch nachzuweisen). Wenn das Rückkopplungssignal ein Strom wäre, müsste der Eing.widerstand sinken.

 4.) Der Basis-Spannungsteiler wird üblicherweise so niederohmig wie möglich ausgelegt (Faustformel: Teilerstrom >10*Basistrom). Warum wohl? Damit die Basis-Vorspannung Ub möglichst fest und eingeprägt angesehen werden kann und Toleranzen des (natürlich fließenden) Basisstroms sich nur gering auswirken können auf die Basis-Vorspannung Ub.

 5.) Die Verstärkungsformeln für alle Grundschaltungen beinhalten als Transistorparameter nur die Steilheit gm=d(Ic)/d(Vbe). Das ist die Steigung der Kennlinie Ic=f(Vbe). Der Faktor B taucht gar nicht auf und spielt bei gleichem AP auch keine Rolle.

Die Spannungsverstärkung ist konstant - ob B=100 oder B=200 (fairer Vergleich: Gleicher Arbeitspunkt natürlich). Würde man bei bei Stromsteuerung nicht erwarten, dass die Spannungs-Verstärkung mit B auch zunimmt ?

 6.) B-Betrieb des Transistors (Gegentakt-B) : Dieser Zustand wird definiert auf der Kennlinie Ic=f(Vbe) für Vbe<0,7 Volt (Grenzfall: Vbe=0V). Es fließt dabei natürlich nur ein kleinerer Kollektorstrom Ic . Das ist ja Sinn und Hintergrund der Maßnahme (spricht das für Stromsteuerung?).

Die Übernahme-Verzerrungen bei Gegentakt-B zeigen dann deutlich die Form der exponentiellen SPANNUNGS-Steuerkennlinie Ic=f(Vbe). Wie würde das bei Stromsteuerung aussehen?

 7.) Beim Differenzverstärker und beim OPV ist es selbstverständich, dass man als Eingangssignal die SPANNUNG zwischen den Eingängen berücksichtigt. Über die Basis-Ströme spricht man höchstens als unerwünschte Parasitär-Effekte. Haben die Transistoren hier ihre grundsätzlichen Eigenschaften plötzlich geändert?

 8.) Viele Grund-Schaltungen funktionieren nur und sind auch nur zu erklären, weil die SPANNUNG Vbe den Strom Ic bestimmt:

Stromspiegel, Kaskode-Verstärker (Basis-Schaltung), Vbe-multiplier, Bandgap-Referenz, Translinear-Schleifen, log-domain-Signalverarbeitung, Transistor in Rückopplung bei OPV`s mit log-Verstärkung,...

 

 

 


CatsEyes 
Beitragsersteller
 23.05.2024, 15:08

Danke erstmal für die ausführliche Antwort.

Aber aus meiner Sicht bleibt da Einiges ungeklärt:

Die Stromgegenkopplung in Emitterschaltungen per Emitterwiderstand wirkt der temperaturbedingten Basisstromerhöhung entgegen durch Anhebung der Emitterspannung und somit Verringerung von Ube und deswegen Verringerung des Basisstromes. Somit spielt doch der Basisstrom eine entscheidende Rolle.

Natürlich ist Ib, auch aus den Kennlinienfeldern ersichtlich, mit Ube eindeutig gekoppelt. Ib ist da aber immer "mit dabei", kann man auch schaltungstechnisch nicht einfach ignorieren, man macht, wie Du ja auch schriebst, den Basisspannungsteiler so niederohmig, dass der Einfluss des Basisstromes gering ist. Beim FET etwa muss man sowas ja nicht berücksichtigen.

Zudem gehört zum Kennlinienfeld auch ein Ib/Ic - Kennlinienfeld. Allein damit ist doch eine Abhängigkeit Ib/Ic klar belegt.

Natürlich will man zumeist eine Spannungsverstärkung, sieht z. B. zu, OpAmp-Eingänge so "ideal" (also hochohmig) als möglich zu machen. Mit FETs usw. gelingt weit besser als mit nur "normalen" Transistoren.

CPUs usw. haben nur FETs, aus gutem Grund: Ströme so gering als möglich zu halten.

Ich verstehe noch immer nicht, warum Du die Stromkomponente einfach außer Acht lässt, sie ist nun mal einfach da... auch wenn schaltungstechnisch unerwünscht und durch verschiedene Maßnahmen kompensiert werden kann.

Eine Spannung alleine bewegt doch keine Löcher/Elektronen in einer Sperrschicht, das gelingt nur in den anders aufgebauten FETs usw.

Meiner Sicht und Kenntnis nach sind Ladungsträgerbewegungen in PN-Übergängen unabdingbar, physisch notwendig. Es gibt keinen Transistor, der mit Ib=0 funktioniert, und die Kennlinien zeigen klar Abhängigkeiten zw. Ib und Ic.

Eine Steuerspannung bedingt immer auch einen Steuerstrom in der Basis, kann man doch gar nicht abstreiten - oder? ;-)

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Lutz28213  23.05.2024, 15:47
@CatsEyes

Hier meine Antwort:

Die Stromgegenkopplung in Emitterschaltungen per Emitterwiderstand wirkt der temperaturbedingten Basisstromerhöhung entgegen durch Anhebung der Emitterspannung und somit Verringerung von Ube und deswegen Verringerung des Basisstromes. Somit spielt doch der Basisstrom eine entscheidende Rolle.

 Nein - dass die Spannung die entscheidende Größe ist, wird durch das Ansteigen des Eingangswiderstandes bestätigt. Das ist Bestandsteil der Gegenkopplungstheorie.

 Natürlich ist Ib, auch aus den Kennlinienfeldern ersichtlich, mit Ube eindeutig gekoppelt. Ib ist da aber immer "mit dabei", kann man auch schaltungstechnisch nicht einfach ignorieren,

 Wer ignoriert denn die Existenz dieses Stromes? Er existiert - eindeutig. Wird aber z.B. von B. Gilbert (einer DER Elektronik-Gurus) als „defect“ bezeichnet. Und das ist er auch - eine unerwünschte Nebenwirkung.
Für sowas gibts doch viele Beispiele. Jeder Kondensator hat als unerwünschten Nebeneffekt auch einen Verlust-Strom. Steuert dieser Strom deswegen die Kapazität ?

 ..man macht, wie Du ja auch schriebst, den Basisspannungsteiler so niederohmig, dass der Einfluss des Basisstromes gering ist.

 Eben - warum wohl? Weil er eine wichtige Steuergröße ist? Nein, weil ein unerwünschter Nebeneffekt wenig Einfluss haben soll.

 Zudem gehört zum Kennlinienfeld auch ein Ib/Ic - Kennlinienfeld. Allein damit ist doch eine Abhängigkeit Ib/Ic klar belegt.

 Ja - wer bestreitet denn die Abhängigkeit. Klar - es gilt Ib=Ic/B. Also: B ist ein kleiner Teil von Ic. Mehr sagt doch diese Beziehung gar nicht aus.

 Ich verstehe noch immer nicht, warum Du die Stromkomponente einfach außer Acht lässt, sie ist nun mal einfach da...

 Wieso wiederholst Du ständig so eine falsche Aussage? Wenn man dem Basisstrom seine Steuerwirkung bestreitet, dann ignoriert man ihn doch nicht gleichzeitig! Hab ich das je gemacht?

Eine Spannung alleine bewegt doch keine Löcher/Elektronen in einer Sperrschicht,

Doch natürlich ! NUR die Spannung bzw. die von ihr erzeugte Feldstärke mit Kraftwirkung auf die Elektronen. Das gilt ja schon für die E-Röhre und für den FET.

Meiner Sicht und Kenntnis nach sind Ladungsträgerbewegungen in PN-Übergängen unabdingbar, physisch notwendig. Es gibt keinen Transistor, der mit Ib=0 funktioniert, und die Kennlinien zeigen klar Abhängigkeiten zw. Ib und Ic.

 Beides wurde und wird NIE bestritten. Und schon wieder die Unterstellung (zum 3. Mal) mit Ib=0, was nie behauptet wurde. Kennlinien zeigen Zusammenhänge und Abhängigkeiten - richtig! Sagen aber nicht automatisch was aus über Ursache und Wirkung. Das muss man separat überlegen.

 Eine Steuerspannung bedingt immer auch einen Steuerstrom in der Basis, kann man doch gar nicht abstreiten - oder? ;-)

Jetzt die falsche Unterstellung zum 4. mal. Hab ich das denn je abgestritten?

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CatsEyes 
Beitragsersteller
 23.05.2024, 16:47
@Lutz28213

Ok, dann vielen Dank für die ausführlichen Beiträge.

Eine Frage hätte ich noch: Wie ist Stromsteuerung definiert und wo findet Stromsteuerung überall statt?

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Lutz28213  23.05.2024, 17:53
@CatsEyes

Ein nicht ganz "sauberes" Beispiel wäre der "Transconductance Amplifier" (OTA) mit Spannungs-Eingang (hochohmig) und Stromausgang (hochohmig). Hier ist es ein dritter Steuereingang, der extra niederohmig gestaltet ist, so dass man durch einen hier eingespeisten Strom die Steilheitdes Vesrtärkers (seine transconductance) extern steuern kann. Aber auch das ist keine echte Stromsteuerung - die gibt es physikalisch nicht, da jeder Strom in elektronischen Schaltungen durch eine Spannung getrieben werden muss.

Ein anderes Beispiel: Wenn an die Basis des BJT über z.B. Rv=10kOhm eine Spannung von 10V gelegt wird, fließt ein Strom von etwa 9,3/10=0,9mA in die Basis. Dann sagt man gerne, dass diese SCHALTUNG durch einen Strom gesteuert werden kann - was man ja auch so sehen kann. Trotzdem wird der TRANSISTOR aber - physikalisch gesehen - weiterhin von Ube gesteuert.
Dazu muss man sich nur den Spannungsteiler vorstellen aus Rv und B-E-Strecke (an der ja die Spannung Ube erzeugt wird).

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CatsEyes 
Beitragsersteller
 23.05.2024, 18:28
@Lutz28213

Ok, danke, Beides kenne ich natürlich, habe es aber unter diesem Aspekt noch nicht gesehen.

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AMG38  23.05.2024, 18:36
@CatsEyes

Im Grunde kann man die Frage sogar soweit zurückspielen, sodass wir bei der Kausalitätsfrage im Elektromagnetismus landen :)

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CatsEyes 
Beitragsersteller
 23.05.2024, 22:02
@AMG38

Stimmt, was war zuerst da... ;--) Wir können sehr gut damit umgehen, aber was es ist, wissen wir nicht. Ich sage gerne, wir sehen nie die Dinge selber, sondern nur deren elektroḿagnetische "Absonderung".

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Lutz28213  24.05.2024, 15:01
@CatsEyes

Eigentlich schade, dass man so etwas extra betonen muss - aber heute ist das leider nicht selbstverständlich: Ich fand es sehr schön, dass der Meinungsaustausch zwischen uns sachlich und fair blieb.

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Der Bipolartransistor ist spannungsgesteuert. IC wird durch die Spannung zwischen Basis und Emitter bestimmt. Der Basisstrom ist ein unerwünschter Effekt, mit dessen Vorhandensein man aber dennoch Rückschlüsse auf das (nicht ganz so präzise aber für viele Anwendungen dennoch ausreichende) Verhalten schließt. Dass man aus dem Basisstrom das Verhalten ableitet, macht den Basisstrom nicht zur steuernden Komponente.

Für viele Anwendungen reicht dieser Rückschluss bzw. diese Ableitung über den Basisstrom aber dann doch nicht aus.

Im unteren Diagramm (Buch ist unten verlinkt) siehst du IC aufgetragen in Abhängigkeit von UBE. Die glatte Gerade zeigt uns sogar bei logarithmisch aufgetragenem Kollektorstrom, wie präzise die Abhängigkeit von UBE ist

Bild zum Beitrag

Der lückenhafte und verfälschende Verlauf von IB spricht für sich selbst.

Buch und Quelle

Zitat (von englischem ins deutsche übersetzt)

Wir stellten uns den Transistor als Stromverstärker vor, dessen Eingangsschaltung sich wie eine Diode verhielt. Das ist im Großen und Ganzen richtig, und für einige Anwendungen ist das auch gut genug. Aber um Differenzverstärker, logarithmische Wandler, Temperaturkompensation und andere wichtige Anwendungen zu verstehen, muss man sich den Transistor als ein Transkonduktanz-Bauelement vorstellen - der Kollektorstrom wird durch die Spannung zwischen Basis und Emitter bestimmt.
 - (Strom, Spannung, Steuerung)

Lutz28213  23.05.2024, 17:39

Hier noch ein Zitat von Barrie Gilbert (einer der bekanntesten Elektronik-Entwickler mit zahlreichen Innovationen):

But current-gain is not a fundamental aspect of the real BJT;
the DC basecurrent is best regarded as a defect.
It is something annoying, to put up with.

(Aber die Stromverstärkung ist keine entscheidender Aspekt des echten BJT;
der Basisstrom wird am besten als Defekt betrachtet.
Er ist etwas Ärgerliches, mit dem man sich abfinden muss.)

 

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Ein PNP/NPN-Transistor kann aus strom- oder spannungsgesteuerter Sicht betrachtet werden, wird aber hauptsächlich als Stromgesteuert angesehen. Stromgesteuert: Der Basisstrom kontrolliert den Kollektorstrom. Spannungsgesteuert: Die Basis-Emitter-Spannung aktiviert den Transistor. Beide Perspektiven sind gültig und hängen vom Anwendungsfall ab. Im Vergleich dazu sind MOSFETs primär spannungsgesteuert. Sie reagieren auf die Gate-Source-Spannung. Die Funktionsweise von MOSFETs unterscheidet sich grundlegend von bipolaren Transistoren. Letztendlich können beide Perspektiven zur Beschreibung des Transistorverhaltens verwendet werden.


Lutz28213  23.05.2024, 13:31

"Beide Perspektiven sind gültig" - was heißt das?

Soll der BJT wirklich das einzige elektronische Element sein, bei dem eine eindeutige physikalisch begründbare Erklärung nicht möglich sein sollte?

Natürlich ist das möglich: Im Gegensatz zu manchen einfachen Lehrbüchern (oder gar anonymen Internet-Beiträgen) gibt es etliche Erklärungen und Nachweise zur Spannungssteuerung. Das wird von allen Fachleuten mit internationalem Renomme, seriösen Fachbüchern und anerkannten Universitäten bestätigt.
Es gibt etliche Schaltungen, die sich überhaupt nicht auf der Basis der Stromsteuerung erklären lassen (Stromspiegel, Differenzvetrstärker, PTAT, Kaskode,..). Es gibt KEINEN einzigen Nachweis zur Stromsteuerung,

Ganz simpel erklärt: Wie bei der pn-Diode beeinflusst eine externe Spannung (Ube) die Durchlässigkeit/Leitfähigkeit der Sperrschicht und ermöglicht so einen durch Ube steuerbaren Strom - die allseits bekannte und angewendete Shockley-Beziehung Ic=f(Ube) bestötigt das.

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PNP/NPN sind normalerweise stromgesteuert, MOSFET sind spannungsgesteuert.
Quellen gibt es ausreichend im Internet, die Arbeit musst du dir schon selbst machen.


Lutz28213  23.05.2024, 15:05

"normalerweise" ....? Warum diese Einschränkung?

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odine  23.05.2024, 15:29
@Lutz28213

Da die Steuerspannung (typischerweise etwa 0,7 V für Silizium-Transistoren) diesen Wert überschreiten muss, damit der Transistor überhaupt leiten kann.

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Lutz28213  23.05.2024, 15:51
@odine

Und das ist die Begründung für "normalerweise stromgesteuert"? Ganz abgesehen davon, dass diese ominösen 0,7V keine feste Grenze ist. Im A-B-Betrieb werden Transistoren mit Ube=0,1...0,5 V betrieben - und es fließt ein Kollektorstrom gemäß exponentieller Shockley-Gleichung Ic=f(Ube).

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Lutz28213  24.05.2024, 09:50
@odine

Was sollen solche blöden Bemerkungen in einer technischen Diskussion?
Du sprichst von "überschreiten" (was wie eine echte Schwelle klingt) - und das sollte richtiggestellt werden.

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