Gödels Unvollständigkeitsaxiom und die Riemann-Vermutung, kann man Unbeweisbarkeit beweisen?
Hallo Leute,
Ich interessiere mich extrem für Mathematik. Eines der größten Themen der Mathematik ist die Riemannsche Vermutung, welche es als eines der ungelösten "Millenium Probleme" immer noch zu beweisen gilt.
Das ist geschichtlich gesehen ein Beweis mit der Schwierigkeit vom Format des Beweises, dass keine allgemeine lösungsformeln für Nullstellen von Polynomen mit Grad größergleich 5 existieren....
Frage 1: weiß jemand wie Nahe man aktuell dem Beweis der Vermutung ist?
Ich glaube nämlich, dass es ähnlich zum o.g. historischen Beweis wohl notwendig sein wird komplett neue Lösungsstrategien zu erarbeiten (wie die komplette Galois Theorie im Grunde!) oder man komplett neue Denkweisen etablieren müsste. Und hierzu habe ich mich mit Kurt gödels unvllständigkeitsaxiom beschäftigt und dachte mir, dass die Riemann Vermutung doch gerade ein großer Kandidat wäre für eine Aussage die innerhalb eines formalen Systems (die Funktionentheorie) weder belegt noch widerlegt werden kann. Mit anderen Worten frage ich mich:
Frage2: ist das ein sinnvoller Ansatz aus eurer Sicht zu versuchen gödels Satz auf die Hypothese als Aussage innerhalb des formalen Systems der funktionentheorie anzuwenden? Wurde dazu gar bereits geforscht?
2 Antworten
- Dazu liefert der Wikipedia-Artikel zur Riemannschen Vermutung Hinweise und weitere Literatur.
- Ja, dazu wurde bereits geforscht, siehe z.B. https://scienceblogs.de/mathlog/2010/06/15/ruelle-13-fundamente/
Nebenbei müsste zunächst mal geklärt werden, ob für die Axiomatik der reellen Zahlen, die auch die komplexen Zahlen aufbauen, auch die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Gödels Satz gelten:
https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/559299
Das ist ein klein wenig ... komplizierter als für die Peano Axiome der Arithmetik der natürlichen Zahlen.
Ich weiß das nicht nebenbei. Ich habe den Gödelschen Unvollständigkeitssatz sowohl in theoretischer Informatik (Informatik III) wie auch privat aus Interesse bearbeitet. Ich bin nicht mehr tief im Thema drin, aber ich bin vor allem gut im Recherchieren und kann die Quellen die ich verlinke zumindest in der Hinsicht bewerten dass sie mit dem Thema etwas zu tun haben.
Die Cantorschen Kontinuumshypothese war die erste Behauptung von der gezeigt werden konnte, dass sie weder beweisbar noch widerlegbar ist.
P.S.1.: In der berühmten Liste von 23 mathematischen Problemen, die David Hilbert dem Internationalen Mathematikerkongress 1900 in Paris vortrug, steht die Kontinuumshypothese an erster Stelle. Viele Mathematiker hatten im Umfeld dieses Problems bedeutende Resultate beigetragen, weite Teile der heute sogenannten deskriptiven Mengenlehre ranken sich um die Kontinuumshypothese.(aus Wikipedia)
P.S.2: Wenn die Riemannsche Vermutung unbeweisbar sein sollte, dann würde daraus folgern, dass sie wahr wäre und damit wäre auch die Unbeweisbarkeit der Riemannschen Vermutung nicht zu beweisen. Die Gödelschen Unvollständigkeitssätze sind hierzu unnötig.
P.S.3: Spekulationen sind Überlegungen eines ungeduldigen Verstandes.
Ergänzung: Das physikalische Problem der spektralen Lücke ist offensichtlich im Allgemeinen ebenfalls unlösbar. Eines der bekanntesten Probleme im Zusammenhang mit spektralen Lücken ist die Frage, ob das Standardmodell der Teilchenphysik eine spektrale Lücke vorhersagt. Die "Yang-Mills-Massenlücke-Vermutung" gilt als eines der sieben sogenannten Millennium-Probleme. Es ist unbekannt ob Bedingungen formuliert werden können, die einerseits physikalisch begründet sind und andererseits die allgemeine Unbeweisbarkeit der spektralen Lücke in diesem speziellen Fall verhindern.
Nun habe ich noch eine Frage die mir auf dem Herzen liegt:
Wie aussagekräftig ist der Unvollständigkeitssatz in philosophischer Hinsicht?
Folgende Beispiele:
Gleichungen mit Koeffizienten aus Z sind nur in Q lösbar => ich bin gefordert mein mengensystem zu erweitern um eine Aussage für eine Lösung machen zu können. Da ist es auch so dass dann die nächste zahlenbereichserweiterung wieder neue potentielle Fragen aufwirft und eine neue Erweiterung des Systems nötig macht um die neuen Fragen zu lösen.
Man muss außerhalb eines sich drehendes Karussells stehen um seine Drehung beschreiben zu können. Da kann es aber dann sein, dass ich wieder auf einer kreisscheibe stehe, die sich dreht. Usw usw.
Vermag es der unvollständigkeitssatz nicht sogar dieses scheinbare Prinzip zu beweisen, dass man niemals zu vollständiger Erkenntnis gelangen kann?
Zumindest erklärt er doch, dass es eine Weltformel nach der Vorstellung von Albert Einstein nicht geben kann.
Unentscheidbarkeit scheint ja auch ein riesenthema zu sein wenn ich an Schlagwörter aus der string Theorie usw denke....
Quasi durch sukzessive Fortführung auf aussagensysteme haha. sry wenn viel Quatsch ist. Ich bin halt Laie aber wirklich interessiert
Polynomalgleichungen sind in der Menge der komplexen Zahlen lösbar nicht in Q.
Ich meinte natürlich nur die Teilmenge der polynome die dann in Q lösbar ist. Grins*
Danke ich frage mich noch zu P.S.2:
Riemannsche Vermutung unbeweisbar => Riemannsche Vermutung ist wahr; liegt das daran, dass aus der unbeweisbarkeit auch aus irgendeinem Grund gleich mit folgt, dass es keine "Gegenbeispielnullstellen" im Sinne der Vermutung gibt?
Den Rest verstehe ich, danke
Wenn Riemmannsche Vermutung falsch wäre,
dann müsste es eine Nullstellen r geben,
die im Bereich 0 < Re(s) < 1 liegen würde
und nicht Re(s) = 0,5 hat.
Dann wäre dies beweisbar.
Danke für die ausführliche Antwort! Finde die Rhemen ungeheuer interessant. Kannst du vll nochmal auf meine eben nachgereicht etwas detailreichen Fragen eingehen?
Mega! Danke für die ausführlich Zuarbeit dieser Quellen. Das ist von mir ungeahnt zugänglich auf bereitet für Laien wie mich. Top!
Was mich der Neugierde halber interessiert: bist du als so schneller Antwortgeber hier einfach auch schonmal explizit interessiert gewesen an diesem Thema oder bist du so krass gemeingebildet in Mathe? Dass du das so nebenbei weißt :D