Gab es Fälle von Befehlverweigerung von DDR-Grenzsoldaten, die das Schießen auf Flüchtige im Todsstreifen verweigerten, oder z.B. absichtlich daneben schossen?

8 Antworten

Mit den Schießbestimmungen verschärfte das Ost-Berliner Verteidigungsministerium auch die Strafen für Grenzer, die daneben zielen:

- Ein Jahr und acht Monate Gefängnis erhielt der Gefreite Walter aus der 11. Grenzkompanie Lüttgenrode, Grenzregiment 22, Halberstadt, weil er nicht die Flucht von zwei Arbeitern verhindert hatte;

- zweieinhalb Jahre Zuchthaus muß der Gefreite Focke von der 14. Grenzkompanie Streufdorf verbüßen, weil er seinen Postenkameraden in die Bundesrepublik entkommen ließ;

- mit drei Jahren Zuchthaus muß der Volksarmist Ralf Gängelbach büßen, daß er im Bereich Appenrode einen Flüchtling begünstigte, indem er absichtlich daneben schoß.

Für Schießen auf den Mann wurden unter anderen belohnt:

- Soldat Mai von der 4. Kompanie des Grenzregimentes 36 erhielt für die Tötung eines 18jährigen Flüchtlings den Gefreitengrad, eine goldene Armbanduhr und die Schützenschnur;

- Unteroffizier Schlegat und Gefreiter Wagenknecht wurden mit der Verdienstmedaille für vorbildlichen Grenzdienst ausgezeichnet, nachdem sie zwei jugendliche Flüchtlinge mit Steckschüssen zur Strecke gebracht hatten.

Im Gewissenskonflikt zwischen "Fahrkarte" und "Zielschuß" schlichen seit dem 13. August 1961 bis zur letzten Woche 2000 DDR-Waffenträger über eben jene Grenze, die sie bewachen sollten: Sie flohen in den Westen.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46407268.html

Woher ich das weiß:Recherche

exxonvaldez  20.08.2018, 15:06

Seht gute Antwort!

Schade dass der Fragesteller nie Sterne vergibt.

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Befehlsverweigerungen sind im Internet nicht auf die Schnelle auffindbar. Absichtliches Danebenschießen wird sicherlich vorgekommen sein...

Ein bewegtes Ziel aus der Entfernung zu treffen, ist auch nicht wirklich einfach...


kazulator  08.03.2019, 17:00

Was noch schwieriger ist als ein bewegtes Ziel zu treffen: ein sich bewegendes Ziel zu trefffen!

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Ja, gab es! Diese wurde aber nie (oder nur sehr geheim) dokumentiert. Das wäre ja ein Eingeständnis von Schwäche gewesen.

Der betreffende Grenzer wurde allerdings bestraft, in schwerwiegenden Fällen auch nach Schwedt verbracht, v.a. dann, wenn der Grenzverletzer "erfolgreich" war.


Krawallmaxe  20.08.2018, 13:52

Dazu sollte man noch erwähnen, dass in Schwedt a.d. Oder u.a. ein Armeeknast war.

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DogDiego  20.08.2018, 16:27
@Krawallmaxe

Ja, der NVA-Knast "Schwedt" ist der Inbegriff für die Hölle. Wie armseelig das Unrechtsregime, wie armselig die diensthabenden NVA-Soldaten selbst gefangen im großen Knast DDR mußten sie abtrünnige Kameraden bewachen und beließen es dabei nicht. Wer Schwedt verließ, der war ein Anderer.

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666Phoenix  20.08.2018, 17:36
@DogDiego

Wer vorher keinen Blödsinn verzapfte, war auch ein "anderer"!!

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Jeder mußte seinen Wehrdienst leisten - alle in der NVA. Die Staatssicherheit, die in allen Kreisdienststellen war, überprüfte in der Aktion "grün" die zukünftigen Grenzsoldaten. Diese wurden also aus der Masse herausgefiltert nach Westverbindungen. Die keine hatten, wurden genommen. Zweites Kriterium war, ob sie auch die Waffe anwenden würden. Dazu mußten sie sich äußern. Wenn nein, dann wider ab zur NVA oder wer gar nicht mit der Waffe aus religiösen Gründen dienen wollte, ging zu den Bausoldaten.

Die Grenztruppen gehörten zur NVA, waren also keine eigene Truppe. Nach dem Fahneneid und der täglichen Vergatterung vor dem Wachdienst hatten die Soldaten ihren Dienst zu verrichten und sie hatten auch zu schießen, um eine Grenzverletzung zu unterbinden. Man hat die Leute ja nicht mit Pfeil und Boden ausstatten können, dann wären die Menschen hin- und hergewechselt. In den Grenzkompanien gab ea IMs, die im Innern aufpaßten, wer ein "Wackelkandidat" war. Niemand wollte Menschentöten, aber jedem war bewußt, das er unter Befehl handeln mußte.

Es ist als ein Märchen, daß jemand absichtlich danebenschoß, denn er hätte sich danach vor den Kameraden als Lusche verantworten müssen und wäre ins Militärgefängnis gekommen.

Wenn es Tote gab, dann war das ein Trauma für alle. Das kann ein Außenstehender nicht nachvollziehen, schon gar nicht ein Wessi am Gartenzaun.

Garantiert