Fremdscham (sich für andere schämen) = mangelndes Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl?
Moin.
Was denkt ihr: Ist es ein Zeichen mangelnden Selbstbewusstseins/Selbstwertgefühls, sich fremd (für jemand anderen) zu schämen? Schließlich betrifft es einen ja nicht persönlich, wenn sich jemand so verhält, dass man sich persönlich in seiner Situation schämen würde. Aber man ist nicht in der Situation des anderen und muss sich daher auch nicht schämen, weil man ein Außenstehender ist. Wieso sagen trotzdem so viele Leute, dass sie sich für andere fremd schämen? Und warum behalten diese Leute es nicht einfach für sich, dass sie sich in der Situation eines anderen schämen würden? Haben solche Leute ein unbedingtes Mitteilungsbedürfnis?
Ich will mit meiner Frage auch darauf hinaus: Wenn ein Mensch sich tatsächlich für jemanden schämt/schämen will, wäre das nicht ein Zeichen dafür, dass er dem anderen psychische Last (Scham) abnehmen will (ihn entlasten, aber sich selber belasten), so nach dem Motto "Geteiltes Leid ist halbes Leid"?
Ja, ich weiß, dass man den Spruch "Ich schäme mich fremd" eher sprichwörtlich als Provokation, Beleidigung und dergleichen verwendet. Aber mich kitzelt das Wortwörtliche und ich gehe solchen alltäglichen Sachen gerne auf den Grund, um den Hintergrund ihrer Existenz zu erfahren, weil es oft auch recht interessant ist :D.
13 Stimmen
5 Antworten
Fremdscham ist meist aus einer Gruppe heraus, also man schämt sich gemeinsam mit jemandem in einer "Gruppe" zu sein. Also als Deutscher gegenüber Ausländern für Neonazis, obwohl man keiner ist oder eben für die Freundin die in der Disko den Türsteher eindeutig anmacht weil man da in der Gruppe da ist. Das (Fremd)Schämen ist auch sehr situationsbedingt. Und man kann das auch Gedanklich gut abschalten.
Man hat selber zuviel Anstand und deshalb schämt man sich dann, wenn andere sich daneben benehmen.
Wenn die Person dich nichts angeht, dann ist es gar kein "Fremdschämen"!
Fremdschämen kann man sich nur für Personen, zu denen man eine enge Beziehung hat und mit denen man sich identifiziert.
Nein, ich kann mich auch für völlig Unbekannte schämen und leider kommt das auch öfter vor.
Bei weitem nicht jede Unsicherheit hat ein „mangelndes Selbstbewusstsein“ als Ursache! Beim „Fremdschämen“ identifiziert man sich oftmals ganz einfach in irgendeiner Weise mit diesem Menschen, man ist irgendwie mit ihm verbunden und mit dem was er da tut; er stellt etwas dar, vertritt etwas, ist etwas, tut etwas, das man selber auch vertritt und tut, aber er tut es auf eine Art und Weise, die man selber und andere Beteiligte nicht in Ordnung finden, und das was er tut wirkt mehr oder weniger peinlich. Es braucht also Empathie, um sich „Fremdschämen“ zu können, und Empathie ist Bestandteil jeden gesunden Selbstbewusstseins. Peinliches Verhalten ist eine ungewollte Form der Selbstentblössung und/oder wird von anderen als solche empfunden. Solche Situationen geschehen meistens ziemlich plötzlich und unvorhergesehen, man reagiert emotionell und spontan darauf. Nach dem ersten „Schock“ versucht man mit der Situation klar zu kommen. Und nun erst kommt ein gesundes Selbstbewusstsein zum tragen und unterscheidet sich klar von einem Menschen mit schlechtem Selbstbewusstsein und seinem Verhalten.
Fremdschämen ist der Begriff dafür, dass man sich schon fast dafür schämt, dass jemand aus der eigenen Familie, aus der eigenen Kultur oder aus dem eigenen sozialen Umfeld sich völlig unmöglich verhält.
„...muss sich daher auch nicht schämen, weil man ein Außenstehender ist.“
Nein! Gerade NICHT!
Wer sich fremdschämt, ist kein Außenstehender sondern hat eine enge Beziehung zu dem „Täter“ oder gehört mit ihm zusammen zu einer Gruppe und identifiziert sich mit ihm.
Bei Außenstehenden gibt es kein Fremdschämen – warum auch?
Was hat Anstand damit zutun, sich für jemanden zu schämen? Ich für meinen Teil würde Anstand so sehen, sich gar nicht erst über eine Person, die einen nichts angeht, aufzuregen oder sich dafür zu interessieren, weil es vielleicht banal ist.