Erziehung in Ägypten heute?

4 Antworten

Keine Schule für bessere Bildung

Der junge Ägypter Mostafa Magdi hat im alten Haus seines
Großvaters eine Schule eröffnet, die den Kindern der Nachbarschaft
alternative Lernmöglichkeiten bietet.

„Wir sollten uns nicht gegenseitig stören, sondern lernen und hart
arbeiten, ohne uns gegenseitig unter Druck zu setzen“, denn letztlich
„soll ein Student nicht den gleichen Fehler zweimal begehen.“ Diese
Mahnungen zur Ruhe und Wertschätzung von Wissen stehen auf einer
Holztafel im Haus einer angesehenen Familie im ägyptischen Saft
El-Laban, das im Gouvernorat Giza liegt. Ein Sohn der Familie hat es in
ein Klassenzimmer umgewandelt, in der er den Kindern der Nachbarschaft
alternativen Unterricht anbietet. Die Revolution, die im Januar 2011 in
Ägypten ausbrach und die Ägypter zu Veränderungen und dem Traum von
einem besseren Leben inspirierte, veranlasste drei junge Männer, eine
neue Art Unterricht anzubieten, um den Unzulänglichkeiten des
staatlichen Bildungssystems entgegenzutreten.

Der 24-jährige Mostafa Magdi, der in einer
Management-Consulting-Firma arbeitet, sowie seine beiden Freunde
Abdelaziz und Hazem sind überzeugt, dass sich gesellschaftlicher Wandel
nicht allein durch politische Arbeit, Demonstrationen und Parolen
herbeiführen lässt. Sie wollen die Probleme auch auf lokaler Ebene
lösen, etwa in Saft El-Laban. Am schlechtesten, so sagen die drei, stehe
es um die staatliche Bildung. Deshalb schicken Eltern ihre Kinder in
privaten Unterricht. Doch nicht alle Familien können sich die Nachhilfe
leisten, die immer teurer wird. Im Jahresbericht 2015/16 des
Weltwirtschaftsforums zum Thema Wettbewerbsfähigkeit belegt Ägypten in
der Kategorie „Qualität der Schulbildung“ den vorletzten Platz – nur
Guinea schneidet von insgesamt 140 Ländern noch schlechter ab.

Keine traditionelle Schule

Angesichts dieser Mängel im ägyptischen Bildungssystem entschieden

sich die drei jungen Männer dazu, die NGO Mish Madrasa („Keine Schule“)
zu gründen. Seit Februar 2014 unterrichten Mostafa, Abdel Aziz und
Hazim dreimal die Woche Grundschulkinder in fünf Fächern, unter anderem
in Sozialkunde, Englisch und Arabisch.

Die drei jungen Männer nutzen Soziale Netzwerke, insbesondere
Facebook, um für ihre Idee zu werben und Unterstützer aus Ägypten und
dem Ausland zu gewinnen. „Die meisten, die für Mish Madrasa arbeiten,
tun das ehrenamtlich“, betont Mostafa und erläutert: „Wir sind weiterhin
auf Spenden und freiwillige Mitarbeiter angewiesen.“ Deshalb wünschen
sie sich, dass sich Menschen außerhalb Saft El-Labans von ihren
Erfahrungen inspirieren lassen.

„Der Name der Initiative“, so Mostafa, „soll sich auch in der
konkreten Arbeit wiederspiegeln“, eine „traditionelle Schule“ solle Mish
Madrasa niemals werden. „Das Wichtigste für uns ist“, erklärt er
weiter, „dass wir zur Lösung des Bildungsproblems beitragen.“
Alternative Lehransätze bilden neben überarbeiteten staatlichen
Lehrplänen die Grundlage von Mish Madrasa. So soll zum Beispiel
Sozialkunde in Form eines Theaterstücks vermittelt werden.

Der Bürgermeister

Mit dem Einverständnis seiner Familie wandelte Mostafa das

Empfangszimmer seines Großvaters, eines ehemaligen Bürgermeisters, in
sein derzeit einziges Klassenzimmer um. Dabei hatte seine Mutter anfangs
Vorbehalte gegen die Idee gehabt. Derzeit bemüht sich Mostafa, die
Räumlichkeiten auszubauen, um auch Schüler der Mittelstufe aufnehmen zu
können.

das Klasssenzimmer ist mit Ledersesseln, einem Sofa, Stühlen, einem

großen Holztisch, und einem Schrank möbliert. Bücher liegen auf dem
Tisch, und an den Wänden hängen verschiedene Weltkarten, arabische und
lateinische Buchstabentafeln sowie anatomische Lehrtafeln.

Bei Mish Madrasa können die Kinder ihre Gedanken offen aussprechen
und bekommen Werte und Prinzipien vermittelt, die für ihre Lehrer
Bausteine einer besseren Zukunft sind. Sie können malen, gestalten,
Musik hören, singen und ihrer Persönlichkeit Ausdruck verleihen –
Möglichkeiten, die sie an staatlichen Schulen nicht haben. Dort sind die
Klassen völlig überfüllt. Laut der Zahlen des ägyptischen Ministeriums
für Bildung leben 2015 im Gouverneurat Giza 1,7 Millionen Schüler, die
an 2.833 Schulen lernen. Das sind durchschnittlich rund 600 Schüler pro
Schule, aufgeteilt in wenige Klassen. Für das Jahr 2016 kündigte der
Bildungsminister an, die Schülerzahl pro Klasse auf 40 senken zu wollen.

Auch außerhalb des Unterrichts ist Mostafa froh und stolz, wenn er
seinen Einfluss auf die Schüler sieht und wie sich ihre Persönlichkeiten
positiv verändern. „Ich habe Amir gesehen, einen der Schüler von Mish
Madrasa, wie er auf der Straße seinen älteren Bruder aufforderte,
aufzuhören, ein Mädchen zu belästigen, weil das abscheuliches Verhalten
sei.“ Die Förderung sozialer Kompetenzen hat in Mish Madrasa Vorrang vor
der reinen Wissensvermittlung.

Drei kleine Ganoven

In der Klasse gibt es „drei kleine Ganoven“, drei Schüler, die

keine Angst vor Fremden kennen. Der kleine Mostafa zum Beispiel erzählt,
dass er zu Mish Madrasa kommt, weil er etwas lernen will und hier Raum
zur Selbstverwirklichung findet. Über seine Schule in Saft El-Laban sagt
er: „[Bei Mish Madrasa] ist die Situation besser als in der staatlichen
Schule, wo uns die Lehrer schlecht behandeln und nicht eingreifen, wenn
Schüler sich prügeln. Ich hasse meinen Englischlehrer, weil er mich und
andere schlägt.“ Hier fühlt sich Mostafa sicher: Er spielt Fußball und
singt mit seinen Kameraden Lieder. Der Ton in seiner Stimme wird noch
selbstbewusster, als er beginnt, über „Onkel Mansour“ zu sprechen, den
Besitzer der Garage neben der Schule. Er behandle die Schüler wie seine
eigenen Kinder und sei lustig und einfühlsam.

Mit kindlicher Schüchternheit erzählt Youssef von seinen Gründen,
Mish Madrasa zu besuchen: „Sie unterrichten uns besser als in den
staatlichen Schulen, wo man mich mit Schlägen bestraft, wenn ich einen
Fehler mache, manchmal sogar mit Tritten.“ Dem National Council for
Childhood and Motherhood zufolge wurden in Ägypten in den Jahren 2013/14
insgesamt 289 Fälle von Gewalt gegen Kinder in Bildungseinrichtungen
gemeldet. Im Jahr 2013 allein wurden 156 Fälle von Gewalt und anderen
Verletzungen der Rechte von Kindern beobachtet.

Die Eltern der Kinder, die bei Mish Madrasa angemeldet sind, lehnten
Interviews ab. Sie haben Angst, für arme Leute gehalten zu werden, da
sie kostenlose Angebote wahrnehmen – ein Vorurteil, das häufig im
ägyptischen Fernsehen verbreitet wird. Bei der schwierigen Frage der
Finanzierung haben die Mish-Madrasa-Initiatoren eine Lösung gefunden,
die dem Projekt Stabilität gibt: Sie stützen sich auf die Zakat-Abgaben –
eine im Islam vorgeschriebene Spende an Bedürftige – von fünf wichtigen
Familien in Saft El-Laban. Diese Familien halten das Projekt für einen
wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Bildung in Ägypten,
insbesondere in armen und marginalisierten Gegenden.

Der FUTUREPERFECT-Beitrag „Keine Schule für bessere Bildung“ von Nahed Samir ist lizensiert unter CC BY-NC-ND 4.0.

Mai 2016

Hallo Ms Nope,

die Fragestellung ist viel zu groß - hat der Lehrer keine weiteren Informationen gegeben?! Darüber könnte man ein ganzes Buch schreiben!

Vielleicht kannst Du auch den Lehrer nach Literaturtips fragen.

Wie kommt er überhaupt auf Ägypten? Wie passt die Frage in den Unterricht? Das ist ja eine sehr spezielle Frage.

Geht es um einen Vergleicht mit anderen Ländern? Oder einen Vergleich zu heute und früher?

Gerade Ägypten ist sehr komplex, wegen der großen politischen Veränderungen der letzten Jahre. Erziehung unter Mubarak war bestimmt anders als unter Mursi und wieder anders unter Sisi.

Dann gibt es in Ägypten noch große Unterschiede zwischen armen Menschen (wohl ein großer Teil der Bevölkerung) und den wenigen Reichen.

Geht es um das Schulsystem oder die Erziehung zu Hause?

LG, Hourriyah


MsNope 
Beitragsersteller
 16.11.2016, 11:19

Wir müssen ein Referat über Erziehungsmethoden in anderen Ländern halten. Unsere Gruppe hat Ägypten ausgewählt.

Wir haben über die frühere Zeit uns Notizen gemacht als der Lehrer meinte, wir sollten die heutige Zeit mit einbeziehen. Darüber findet man aber nichts im Internet.

Es geht dabei um die Erziehung im allgemeinen also auch Bildung etc

Danke für deine Antwort
LG :)

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hourriyah29  16.11.2016, 13:28
@MsNope

Ich habe auch mal eben gegoogelt... Auf Englisch lässt sich einiges finden. Könnt ihr schon Englische Seiten lesen? Den Lehrer würde es beeindrucken ;)

Ansonsten würde mir einfallen....

Upperclass erzieht eher westlich - beeinflusst von Englischer Besatzungszeit. Europa ist Vorbild. Man gibt sich bewust säkular, modern und europäisch, ist aber stolz auf seine Wurzeln. Kinder gehen in Privatschulen - oft Englische. Man lebt in Ghettos für Reiche Leute und verbringt die Freizeit in Clubs mit Zutritt nur für Mitglieder, in denen es Gärten, Bars, Kaffees und alle möglichen Sportangebote von Fussball bis Judo gibt. Mütter sind oft auch berufstätig.

In den weniger wohlhabenden Familien ist die Erziehung eher traditionell arabisch, geprägt vom Islam und patriarchalischen Strukturen. In Mittelschicht-Familien sind Mütter meist Hausfrauen. Bei den ganz armen Familien auch schwer arbeiten. Es gibt kinderreiche Familien und das Leben findet in der Großfamilie und auf der Straße statt.

Ich habe vor kurzem auf einer Fortbildung einen interessanten Satz gehört (ich arbeite im Flüchtlings-Bereich)...

Die Unterschiede sind zwischen den Kulturen oft kleiner als zwischen unterschiedlichen Gruppen innerhalb einer Kultur.

Das bedeutet z.B. dass eine ägyptische Akademikerfamilie ähnlich erziehen wird, wie eine deutsche Akademikerfamilie. Und eine ägyptische Familie am unteren Rand der Gesellschaft wird ähnlich erziehen wie eine ähnliche deutsche Familie.

Vielleicht findest Du dazu noch ein paar Infos.

LG, Hourriyah

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da hat sich nicht so ganz viel verändert -

google mal bei einer NGO die in Ägypten tätig ist - am besten bei einer kleineren ( die selbst nicht so politisch vertreten ist, wie die UN z.B. )