Entjesuanisierung nach Hubertus Halbfas?
Hallo meine Lieben,
ich bin im Internet auf diesen Text gestoßen, konnte nur leider nicht den wahren Kern der Entjesuanisierung herausfinden. Hat einer diesen komplexen Text verstanden und könnte mir erklären was es mit diesem Begriff auf sich hat? Also eine Art Definition von „Entjesuanisierung“?
Vielen lieben Dank im vorraus! :)
“Der Jude Jesus, der in jüdischer Weise glaubte und in der alltäglichen Welt ihre göttliche Bestimmung zur Sprache brachte, hat mit seiner Botschaft in den ersten Jahrzehnten nach seinem Tod nur in der palästinischen Welt überlebt. [...]
Ganz anders die Entwicklung in den hellenistischen Städten. Hier fanden im Milieu des Diaspora-judentums und des damit sympathisierenden Heidentums von Anfang an Gemeinde gründungen statt. Aus ihnen ging ein Christuskult hervor, dessen zentrale Botschaft nicht mehr die Reich-Gottes-Programmatik Jesu war, sondern die Deutung des Todes Jesu und die Verkündigung seiner Auferste-hung.
Während Jesus in seinem Evangelium lehrte, wie in dieser Welt mitmenschlich gelebt werden kann (wenn dieses Leben ganz von Gott her verstanden wird), wurde dieser Inhalt nun ausgetauscht gegen die Botschaft von Jesus als dem Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Das zentrale Programm Jesu trat zurück hinter die Deutung seiner Person. Während Jesus keine Lehre verkündete, die zu glauben sei, sondern eine Existenzform praktizierte, die gelebt werden will, entwickelte sich im hellenistischen Milieu die metaphysische Vorstellung von einem präexistenten Gottessohn, den Gott gesandt habe, um die Menschheit durch seinen Tot am Kreuze wieder mit sich zu verschnen.
Das Apostolische Glaubensbekenntnis greift alle die Eckpunkte des Lebens Jesu auf - Geburt und Tod -, unterlässt aber jeden Hinweis auf seine spezifische Botschaft und niemand empfindet diese Lücke als Lücke. (...) Hinter die Deutung des Todes Jesu als Sühnetod trat die Botschaft Jesu von der Liebe Gottes, die bereits Erlösungsbotschaft ist und , keiner zusätzlichen Leistung bedarf, ganz zurück. Nun hat zweifellos die historisch-kritische Forschung der letzten Generationen den dogmatisch übermalten Christus wieder abgetragen. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, die schon e früh erfolgte Entjesuanisierung des Christentums wieder aufzuheben. Die Folgen dieses Prozesses sind noch nicht überschaubar. Sie werden zu einer - wenn man so sagen darf - Neuerfindung des Christentums führen, das zu seinem verlorenen Anfang zurückkehrt.
Hubertus Halbfas, 2010“
4 Antworten
Der Name Jesus und der Titel Christus sind die zwei Pole, um die es in der Theologie geht. Erst nach Tod, Auferstehung und Himmelfahrt bekam Jesus den Titel "Christus" zuerkannt. Die drei ersten Evangelien Mt, Mk und Lk enthalten viel von Leben und Lehre des Menschen Jesus von Nazareth. Paulus entwickelte rund um Tod und Auferstehung eine Christologie - also eine Deutung dieser Ereignisse. Dabei trat der Mensch Jesus in den Hintergrund (Entjesuanisierung). Nun neigt sich diese Waage wieder zugunsten des Menschen Jesus, und der Christus, dessen Tod die Sünde hinweggenommen hat und der am Ende der Zeit als Weltenrichter auftritt, tritt in den Hintergrund.
Hat einer diesen komplexen Text verstanden und könnte mir erklären was es mit diesem Begriff auf sich hat?
Der Text versucht etwas zu erklären, was in der Bibelwissenschaft schon lange bekannt ist: Die nachösterliche christliche Botschaft, in der der gekreuzigte und erhohte Christus gepredigt wird, hat nur wenig mit dem gemeinsam was der historische Jesus vor seinem Tod selbst gepredigt hat.
Was Halbfas wohl anzustreben scheint, ist die nachösterliche Predigt "abzutragen", das scheint für ihn diese "Entjesuanisierung" zu sein, wenn ich den Text richtig verstehe.
Ich finde, dazu muss er erstmal begründen, warum man das tun sollte, und zum anderen frage ich mich, ob er noch nie von der Leben-Jesu-Forschung gehört hat.
ausgetauscht gegen die Botschaft von Jesus als dem Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen
Eine Vergebung der Sünden durch den Opfertod Jesu am Kreuz soll eine Erfindung Paulus sein.
Um eine bessere Welt für alle Menschen zu gestalten, braucht es keinen strafenden Gott. Jesus selbst soll diese Lehre nicht vertreten haben.
Ich verstehen Text, was ist daran kompliziert oder unverständlich?