Eine Frage zur Toleranz?
Hallo an alle,
Vorab: Diese Frage soll fernab jeglicher politischer Zuordnung betrachtet werden. Meine Aufassung zu Toleranz mag sich im wesentlichen mit dem Decken was als "Links" verstanden wird. Es geht mir hier jedoch nicht um noch ein ausuferndes "du Linksversiffter x/y" oder auf der anderen Seite um ein "du Rechtsextremer x/y" wie das ja gerne mal passiert. Es geht einfach nur einzeln betrachtet um eine Frage, die ich zum Thema Toleranz habe.
Ich verfolge diese Debatte schon sehr lange und ein Argument, welches gerne mal gebracht wird, wenn es um Toleranz geht ist: "Ihr (die die Toleranz für alle Menschen fordern) wollt ja immer Toleranz, merkt aber eure eigene Doppelmoral nicht, wenn ihr unsere Meinungen nicht toleriert". Diese vermeintlichen Meinungen beziehen sich hier auf eine Haltung, die z.B. gegen homosexuelle Menschen oder Menschen anderer Herkunft gerichtet ist. Und genau das verstehe ich einfach nicht. Das ist jetzt nicht als Angriff an all jene gemeint, die diese Aussage tätigen, aber in meinem Kopf macht es einfach faktisch keinen Sinn wie man das nicht akzeptieren von Intoleranz als Intoleranz verstehen kann. Also auf dem Punkt gebracht ist es in meinem Kopf so: "Intoleranz nicht zu tolerieren ist keine Intoleranz" Das ist schlicht und einfach ein "Toleranz Paradoxon". So nun habe ich dieses Wort auch oft genug hintereinander gebraucht, ich hoffe mein Punkt wurde klar :D
Vielleicht ist ja sogar jemand mit dieser Auffassung hier, der das erklären kann. Danke schonmal im Voraus
6 Antworten
Es ist immer schön, wenn man sich mit jemandem sachlich und respektvoll über solche Themen unterhalten kann, das gibt es leider viel zu selten.
Meine Auffassungen decken sich zum überwiegendem Teil mit dem, was allgemein als "rechts" bezeichnet wird. Gleichzeitig lehne ich aber jegliche Form von Extremismus oder Gewalt ab, egal von welcher Richtung sie kommt, empfinde keinerlei Sympathie gegenüber dem Nationalsozialismus und allem was auch nur ansatzweise in diese Richtung geht, und nebenbei bin ich schwul. So viel einmal zu meiner Person.
Das von dir angesprochene Toleranzparadoxon heißt Toleranzparadoxon, weil es ein Paradoxon ist. Es liegt in der Natur eines Paradoxons, dass es sich selbst widerspricht und unlösbar ist.
Ich möchte an dieser Stelle Rechtsextreme, die verbale oder gar physische Gewalt anwenden bzw. sich dies herbeiwünschen, explizit ausklammern. Solche Menschen toleriere auch ich nicht. Aber nun zurück zum eigentlichen Thema.
Nehmen wir beispielsweise das Thema Zuwanderung:
Ich habe in keiner Weise ein Problem mit Menschen, die eine andere Nationalität, Hautfarbe, Religion oder Kultur haben. Ich habe grundsätzlich auch überhaupt kein Problem damit, dass sich solche Menschen bei uns niederlassen, was auch immer sie dazu bewegt.
Ein Problem habe ich allerdings damit, wenn Menschen zu uns kommen, die uns gegenüber nicht den Hauch von Toleranz zeigen (die sie umgekehrt aber von uns erwarten), die unsere Kultur nicht akzeptieren, Straftaten begehen, unsere Kinder in der Schule mobben weil sie keine Muslime sind - und das in solchen Massen, dass wir nicht mehr wissen, wo wir sie unterbringen sollen.
Ich verachte einen Menschen nicht, weil er Afghane, Türke oder Marokkaner ist oder an den Islam glaubt. Ich verachte ihn, wenn er anderen Menschen gegenüber ein Verhalten an den Tag legt, das ihn verachtenswert macht.
Wenn man sich die Statistiken ansieht, lässt es sich nicht leugnen, dass die Kriminalität unter Migranten um ein Vielfaches höher ist, als unter Einheimischen. Warum tolerieren Linke solche Menschen?
Und damit sind wir dann wieder beim Toleranzparadoxon angelangt. Linke tolerieren Rechte nicht, weil Rechte keine von Linken tolerierte Zuwanderer tolerieren, die unsere Kultur und unsere Rechtsordnung nicht tolerieren...
So nun habe ich mal wieder ein bisschen Zeit um zu Antworten. Danke erstmal für deine Ausführliche und aufschlussreiche Antwort :)
Das was du beschreibst macht Sinn, und in solchen Fällen kann ich auch nachvollziehen warum man den Vorwurf der Intoleranz an jene zurückwirft, die diesen als erstes ausgesprochen haben. Ich hatte anfangs bei dieser Frage tatsächlich nur Menschen im Sinn gehabt, die schlicht und einfach sagen: "Ausländer mag ich nicht" oder "Schwule find ich doof" um es mal plakativ auszudrücken. Das solche Fälle aber wirklich nicht toleriert gehören, siehst du ja, wie ich deinem Text entnehme genauso.
Du hast verständlich dargelegt, dass das Toleranz Paradoxen auch anders herum gegen die Menschen, die eher als "Links" bezeichnet werden verwendet werden Kann, wenn diese Gewalt tolerieren, nur weil sie möglichst "Gastgeberfreundlich" gegenüber Menschen anderer Herkunft sein wollen.
Dieser Auffassung nach würde ich dich persönlich nur als "Gewaltgegner" und nicht als "Ausländerfeindlich" einordnen. Dass viele sich als Links begreifen Menschen diese Differenzierung nicht vornehmen, ist mir bewusst.
Was ich aber immer im Hinterkopf habe wenn man z.B. sagt "tendenziell begehen Menschen mit Herkunft x/y mehr Gewalttaten" ist: was macht man jetzt mit dieser Information? Ich bin und bleibe auf ewig der Meinung jeden Menschen individuell zu betrachten, egal wie schwer das in Hinblick auf manche vorurteilsbehafteten Gruppen auch fallen mag. Und solche oben genannten Tendenzen führen oftmals dazu Menschen, die man nicht kennt, doch wieder vorschnell in eine Kategorie einzuordnen. Dann fällt es dem vermeitlichen Vermieter oder dem Arbeitgeber aufeinmal leicht zu sagen "oh ein ausländischen Name, nee den Streß tu ich mir nicht an". Und zack ist die Chancengleichheit dahin.
Ich unterstelle diese Denkweise natürlich nicht jedem Menschen pauschal, aber oft ist die Grenze zwischen "diese Tendenz gibt es" und "die sind doch alle so" ziemlich schmal.
Vielleicht bin ich da persönlich auch ein wenig zu sehr emotional dabei, da ich einen geflüchtet kenne, der sich von seinem Glauben und seiner Kultur lossagte und dann von seiner Familie verstoßen wurde. Ohne auch nur eine Person an seiner Seite ist er nun hier in diesem Land, wo er sich sehr viel Hass aussetzen muss.
Damit spreche ich übrigens nicht dich an, da du deinem Text nach wirklich zwischen "Tat" und "Mensch" differenzierst. Ich glaube nur dass das vielleicht nicht jedem so leicht fällt... Leider.
So genug geschrieben. Vielleicht liest du dir das ja mal alles durch bei Zeiten :D
LG
Vieleicht liegt es eine wenig daran das das Wort Toleranz von vielen benutzt wird ohne zu wissen was es wirklich bedeutet.
Toleranz ist keine Eigenschaft, die man hat oder eben nicht.
Man kann sie sich deswegen nicht einfach zu eigen machen, oder erlenen.
Das Wort Toleranz bedeutet erdulden, ertragen, erleiden.
Fordert man also von jemanden Toleranz fordert man ihn zum erdulden, ertragen und erleiden auf.
Jeder Mensch hat aber andere Grenzen, aber wann fûr ihn etwas unerträglich wird und die ändern sich ja nicht, durch eine Aufforderung toleranter zu werden. ZB, wenn mir zu heiß ist mir zu heiß. Ich ertrage es nicht mehr, auch wenn jemand noch so viel Toleranz zur Hitze fordert, nur weil er bei 30 Grad noch nicht schwitzt.
Diejenigen , die Toleranz als erlernbare Eigenschaft auffassen, sehen Intoleranz als Lernverweigerung. Jemanden eine Lernverweigerung vorzuwerfen ist fûr sie ein Vorwurf und keine Intoleranz.
Aus ihrer Sicht haben sie ja die "Eigenschaft" Toleranz.
Tatsächlich ertragen (tolerieren) sie aber deine Meinung (Leidensgrenzen) nicht. Da sie das nicht ertragen sind sie faktisch intolerant.
Toleranz (erdulden) endet nun mal dort wo das Wohlbefinden unerträglich eingeschränkt ist.
Und diese Grenze ist auch bei jedem Menschen anders.
Mir sind Homosexuelle egal. Die meisten kennen ja nicht mal welche.
Kannst du wirklich entscheiden wie du dich fühlst?
Wenn dich zum Beispiel jeden Tag ein Homosexueller anmacht und berührt, wann ist deine Grenze überschritten? Wie fühlst du dich dabei?
Die Grenze ist überschritten wenn es dir schadet. Und das nicht nur Körperlich sondern eben auch auf der Gefühlsebene.
Menschen anderer Herkunft sind mir auch egal. So lange sie niemand schaden.
Bei Flüchtlingen kommt dann schon ein finanzieller Schaden zum tragen. Ich kann durch aus ertragen das von meinem Lohn anderen geholfen wird.
Beuspiel:
Nehmen wir an du hast ein Haus, mit 5 Zimmern.
Es kommen ukrainische Flüchtlinge. Du nimmst 4 auf und bezahlst ihnen jeden Tag das essen.
Wie fühlst du dich? Kann man noch als helfen gutheisen.
Nun kommen noch mehr. Wie viele nimmst du auf ? Ab wann ist dein räumliches und finanzielles Wohlbefinden so eingeschränkt das du es nicht mehr erduldest?
An dieser Grenze kommen noch mehr und jemand sagt: Nimm sie auf sei nicht so intollerant !
Wie fühlst du dich ?
Was sagst du zu ihm?
Und im Beispiel geht es nur um dein Wohlbefinden.
Und jetzt überlege mal das ein Staat jeden reinlässt, die auf Menschen mit unterschiedlichen Grenzen treffen.
Im Beispiel geht es nur um Raum und etwas Geld.
Beim Staat geht es um sehr viel Raum um extrem viel (unser) Geld.
Hinzu kommen noch unterschiedliche Religionen und Gewohnheiten.
Da treffen Kulturen aufeinander.
Das da bei dem ein oder anderen irgendwann der Leidensdruck zu groß wird ist nicht verwunderlich.
Und dem dann intolleranz vorwerfen?
Eventuell von jemand den die Kulturen nicht stören weil er es toll findet diese zu erleben.
Ich möchte mal die "Seid tollerant " Leute sehen, wenn man denen die Bude mit Leuten voll stellt, die sie nicht mögen.
Und wenn sie anfangen sich zu beschweren einfach sagen "Komm schon, sei einfach tolleranter"
Liebe Grüße
Toleranz ist nicht grenzenlos.
Unser Verständnis von einer liberalen Gesellschaft beruht auf den Ideen der Aufklärung.
Handle so, wie du es von anderen auch erwarten würdest. (Kant)
Oder: die Freiheit des einzelnen endet da wo die Freiheit des anderen beginnt.
Darum heisst Toleranz: ich mache anderen keine Vorschriften wie sie leben sollen oder was sie glauben sollen. Aber meine Toleranz endet, wenn jemand diese Grundwert nicht anerkennt, wenn er mir (oder anderen) Vorschriften macht, selber Dinge macht, die er anderen nicht zugesteht, weil die andere Ethnie oder Religion, oder Lebensweise minderwertig ist.
Darum sehe ich mich als liberal, tolerant. Aber die Toleranz endet wenn jemand mir meine Freiheit nehmen will, wenn er Verbrechen wie einen Angriffskrieg unterstützt. Oder wenn jemand uns eine extreme, von keiner Partei unterstütze Klimapoltik aufzwingen will.
Ein guter Massstab ist die Menschlichkeit. Da sehe ich bei LInken immer noch ein wenig mehr davon, als von Rechtsradikalen.
Ich bin eben immer noch mit den 68er verhaftet. Rudi Dutschke und Freunde haben eben genau meine Meinung vertreten. Schade, dass ich die nie kennengelernen konnte..
Theoretisch ist das nicht tolerieren von Intoleranz zwar intolerant gegenüber der Intoleranz, aber insgesamt untermauert und bestätigt man einfach die eigene Toleranz, indem man sich klar gegen Intoleranz stellt.
Danke für deine Antwort erstmal, jedoch muss ich sagen, dass ich da anderer Auffassung hinsichtlich Toleranz bin.
Das Hitze-Beispiel von dir hinkt mir da leider ein wenig. Dass du bei einer gewissen Temperatur anfängst zu schwitzen ist ein biologischer Prozess und ist nicht änderbar. Ich würde nun auch soweit mitgehen und sagen, dass dein Wolhbefinden dadurch eingeschränkt werden kann. Aber an diesem Punkt bist du, meiner Auffassung nach nicht Intolerant. Intolerant würdest du (bleiben wir bei dem Beispiel) werden, wenn du nun anfängst die Temperatur zu verdammen für das was sie ist und dich offen über sie beschwerst. Die Toleranz besteht darin, dass vorliegende zu dulden, obwohl dies 0ber deine Komfortzone hinausgeht.
Das ist nun auch ein harmloses Beispiel. Wenn du dich darüber beschwerst dass es zu heiß ist, dann ist dadurch keinem geschadet. Gehen wir nun jedoch über zu den von mir genannten Punkten wie Homosexuellen Menschen oder Menschen anderer Herkunft, so gibt es hier ganz klar Leidtragene.
Vielleicht gibt es in deiner innenwelt (warum auch immer) ein unangenehmes Gefühl wenn es um diese Menschen geht. Diesem bist du aber meines Erachtens nicht erlegen und kannst durchaus entscheiden: mache ich meinem Unguten Gefühl nun Luft oder erdulde (toleriere) ich es, weil ich weiß, dass hierdurch anderen Menschen geholfen ist.
Es geht also nicht darum, dass am Ende alles meinem Wohlbefinden entsprechen muss, damit ich Toleranz sein kann. Es geht darum etwas zu dulden OBWOHL dieses Wohlbefinden eingeschränkt ist.
Und unter diesem Verständnis von Toleranz habe ich meine Frage gestellt. Hast du hier vielleicht ein paar Gedanken zu?
Danke dir jedenfalls nochmal für deine Antwort, ich freue mich immer über Austausch :)
Liebe Grüße