"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt"?

5 Antworten

Contra:

  • Wissenschaftler entdecken ständig Phänomene für die es noch keine Wörter gibt (Allerdings ist unsere Sprache durchaus in der Lage, diese zu beschreiben)
  • Es gibt viel Tourismus in anderssprachige Länder

Pro:

  • Unser Verständnis ist sehr direkt mit unserer Sprache verbunden. Eine hohe Intelligenz geht häufig mit einem hohen Sprachverständnis einher. (Welt im Sinne von der gedanklichen Welt > Was man nicht benennen kann, kann man auch nicht verstehen). Ich hab mal gehört, dass man diesen Zusammenhang zwischen Komplexität der Sprache und Intelligenz auch bei Tieren beobachten kann.
  • Man bewegt sich hauptsächlich in Kreisen, in denen man sich verständigen kann. Ein ausschließlich deutschsprachiger wird vermutlich nicht nach Korea ziehen. Außerdem wird auch jemand mit simpler Sprache Schwierigkeiten haben in akademische Kreise zu gelangen. Die Art der Sprache verrät auch häufig den sozialen Hintergrund.
  • Man kann sehen, dass Immigranten meist deutlich größere Schwierigkeiten in der Schule etc. haben > Sprachbarriere

Das ist Unsinn. Hör mal einige Sportler-Interviews. Der Weltmeister kriegt kaum einen vernünftigen Satz raus. Sprache ist nicht sein Ding. Aber Skifahren / Fussball spielen / Radfahren ist seine Welt.

Auch wenn du mal das Mathegenie der Klasse erklären lässt, wie's geht, kommt da oft nicht viel raus. Der kann zwar Mathe. Aber er kann nicht erklären, wie's geht. Sprache ist linear. Denken ist vernetzt. Es ist sehr schwierig, vernetztes Denken in Sprache auszudrücken.

Professoren haben dabei sogar mehr Mühe als einfache Leute. Professoren schliessen öfter ihre Sätze nicht korrekt ab. Das leuchtet ein. Sie haben ein viel grösseres Netzwerk von Gedanken. Da ist es schwieriger, einen Gedanken zu verfolgen.


Littlethought  11.02.2023, 09:58

Auch Sprache kann vernetzt sein. Jede Doppeldeutigkeit stellt so einen Knoten der Vernetzung dar. So etwas kann Spaß machen.

diderot2019  11.02.2023, 17:35
@Littlethought

Aber wenn du sprichst, musst du eine Kette von Wörtern bilden. Nach einem Wort kommen nie zwei Wörter gleichzeitig. Wenn du an deine Grossmutter denkst, kommen dir Dutzende von Erinnerungen und Assoziationen. Wenn du sprichst, musst du eine davon auswählen und zu dieser eine Wörterkette bilden. Kaum hast du eine ausgewählt, kommen dir durch diese Auswahl wieder Dutzende von Assoziationen. Gesprochene Sprache hat eine ganz andere Struktur als Gedanken, die immer vernetzt bleiben können, solange du sie nicht in Sprache ausformulierst. Das Ausformulieren ist Schwerarbeit.

Littlethought  11.02.2023, 21:54
@diderot2019

Das stimmt zwar einerseits so wie du es darstellst, aber andererseits gillt auch, dass der Mensch eine Sprache braucht um denken zu können. Assoziationen sind nicht als Gedanken zu werten. Das autobiographische Gedächtnis des Menschen beginnt erst im Alter von etwa 3 Jahren seine Funktion aufzunehmen und ist erst im Alter von etwa 5 bis 6 Jahren voll funktionsfähig. Sprechen können Kinder aber schon mit 1,5 bis 2 Jahren.

diderot2019  11.02.2023, 22:02
@Littlethought

Ich weiss nicht, ob Menschen eine Sprache brauchen, um denken zu können. Alle Menschen, die ich kenne, haben eine Sprache. Deshalb kann ich nicht beurteilen, ob sie auch ohne Sprache denken könnten.

Affen haben keine Sprache. Denken sie nicht? Es gibt schon Fälle, in denen Affen eine Art von Denkleistung bewiesen haben. Ich könnte mir durchaus eine sprachlose Spezies vorstellen, die sehr kluge Gedanken hat. Tintenfische sollen sehr klug sein. Aber weil sie alleine leben, haben sie keine Sprache.

Sicher ist, dass Gedanken sehr viel wertvoller werden, wenn sie mit Sprache vervielfältigt werden können.

Littlethought  11.02.2023, 22:05
@diderot2019

Normalerweise heißt es sogar: "Wenn du etwas nicht formulieren kannst, dann hast du es nicht verstanden."

diderot2019  11.02.2023, 22:21
@Littlethought
"Wenn du etwas nicht formulieren kannst, dann hast du es nicht verstanden."

Das finde ich eben schwierig, wenn du das einem Mathegenie sagst, welches sehr schwierige Aufgaben offensichtlich richtig löst, aber niemandem erklären kann, was es da tut. Im Physikstudium habe ich verschiedene solche Typen getroffen.

Ich finde den Satz ausgezeichnet, wenn du ihn einem Philosophen sagst, der völlig unnötig extrem kompliziert redet. Wir sollen uns bemühen, unsere Gedanken so einfach wie möglich zu formulieren. Aber es gibt eben schon auch kluge Gedanken, die (noch?) nicht einfach formuliert sind.

Littlethought  11.02.2023, 22:28
@diderot2019

Die Forderung es so einfach darzustellen, dass ein anderer (unabhängig von dessen Kenntnisstand) es auch verstehen kann, hat aber mit der grundsätzlichen Fähigkeit es zu formulieren zunächst nichts zu tun. Einer meiner Mathematikprofessoren sagte mal. "Wenn mir etwas klar ist, dann muß ich nichts beweisen." Ich entgegnete: "Ihnen selbst müssen sie natürlich nichts beweisen, aber den anderen. Allein schon deshalb, damit der Beweis geprüft werden kann."

Littlethought  11.02.2023, 22:36
@Littlethought

Ergänzung: Erklärungen von Mathematikern sind meist sehr kurz und für Nichtmathematiker meist völlig unverständlich. Analog wie Marvin, der depressive Computer aus "Per Anhalter durch die Galaxis", ist dann der Mathematiker versucht zu sagen: "So sehr ich mich auch bemühe, es gelngt mir einfach nicht mich auf euer geistiges Niveau herunterzudenken."

Dies ist eine Variation des Satzes von Ludwig Wittgenstein aus dem Tractatus logico-philosphicus: "Die Struktur der Sprache bestimmt, was sich sinnvoll sagen läßt." Schon darüber kann man sich streiten, denn die Eindeutigkeit der Sprache ist nicht immer unbedingt gegeben, sonst gäbe es ja keine Zweideutigkeiten. Ironie und Satire waren aber nicht Teile von Wittgensteins Denken. Er war zu dieser Zeit Anhänger des von seinem Lehrer Bertram Russel und Gottlob Frege vertretenen Positivismus. Später aber fühlte er sich von den Positivisten mißverstanden und ging auch auf Distanz zu seinen eigenen Darstellungen. "Worüber man nicht sprechen kann, darüber sollte man schweigen." Nach der Veröffentlichung der Unvollständigkeitssätze durch Kurt Gödel.war der Positivismus gescheitert und Bertram Russel und Gottlob Frege waren anständig genug dies zuzugeben.

Die Reaktionen auf den Tractatus logico-philosophicus, das einzige zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Werk Wittgensteins, reichten von blankem Unverständnis bis hin zu grenzenloser Begeisterung. Sogar ein versierter Logiker wie Frege gestand in einem Brief an Russell, von dem ganzen Buch kein Wort verstanden zu haben.

Nach meiner persönlichen Einschätzung spukt in diesen Gedanken noch der Essentialismus von Platon und Duhem herum. (Die Wesenseinheit geht der Existenz voraus)

Der Satz "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt" schließt alles nicht sprachlich fassbare aus der Welt aus. Das scheint mir ein sehr armseliger Ansatz zu sein und Kurt Gödel hat gezeigt, dass das zu Grunde liegende logische Grundprinzip nicht haltbar ist.

Man könnte auch biologisch argumentieren: Wenn der Satz richtig wäre, dann könnte ein Neugeborener die Welt nicht erfahren, wenn er keine elementare angeborene Sprache hätte. Dies hat dann den Gedanken der Universalgrammatik ins Leben gerufen. Angeblich wird dies immer noch an den Hochschulen gelehrt. Da es Sprachen gibt, die keine Grammatik haben (zumindest so wie wir sie verstehen, z.B. Navajo), kann man diesen Ansatz als gescheitert ansehen.

Das ist kein Argument. Sonder eine Behauptung. Oder einfach nur eine Aussage.

Ich finde bei dieser Aussage ist es ziemlich unsinnig von pro und contra argumentation zu reden. Schliesslich kann man sie einfach an der realen Welt überprüfen.

So gesehen stimmt die Aussage nur bedingt. Man braucht keine Sprache um die Welt zu erfahren. Nen Stuhl kann ich auch wahrnehmen ohne ihn irgendwie beschreiben zu können.

Daher nein die Grenzen meiner Sprache ist nicht die Grenze meiner Welt.

Sprache erweitert aber die eigene Welt über das hinaus was man selbst erfahren kann. Ich kann dir z b. Erzählen wie Menschen in Afrika leben. Dann sind die Lebensweisen der Afrikaner Teil deiner Welt. Auch das es Afrika gibt. Und das da überhaupt Menschen leben würdest du sonst nur erfahren wenn du dahin reisen würdest.

Daher: ja die Grenzen meiner Sprache ist die Grenze meiner Welt.

Korrekt müsste der Satz lauten: die Grenze meiner sinneserfahrungen und Sprache ist die Grenze meiner Welt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Aus interesse

Pro:

  1. Sprache spielt eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion unserer Weltbilder und bei der Art und Weise, wie wir über die Welt um uns herumdenken und sprechen.
  2. Unsere Sprache bietet uns eine begrenzte Palette an Begriffen und Konzepten, die es uns ermöglicht, die Welt zu beschreiben und zu verstehen.