Darf man in einem Notfall schneller fahren als die Polizei erlaubt?

Das Ergebnis basiert auf 15 Abstimmungen

Nein 93%
Ja 7%

9 Antworten

Diese Frage kann man nicht pauschalisiert mit einem "Ja" oder mit einem "Nein" beantworten, juristisch entscheidet immer der jeweilige, konkrete Einzelfall.

Theoretisch käme auf jeden Fall eine Berufung auf "rechtfertigenden Notstand" nach §34 Strafgesetzbuch (StGB) bzw. nach §16 Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) in Betracht. Der Gesetzestext lautet jeweils: "Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht um die Gefahr von sich oder einem Anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren das geschützte Interesse das Beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden".

Im Einzelnen bedeutet dies:

1.) Die Gefahr muss gegenwärtig sein,

2.) Die Gefahr darf nicht anders als durch die Begehung der Notstandshandlung abwendbar sein, es darf also kein weniger eingreifendes Mittel, welches die Gefahr ebenso gut abwendet zur Verfügung stehen. Hieran sind in der Tat strenge Maßstäbe anzulegen,

3.) Im Rahmen der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung, muss das geschützte Interesse das Beeinträchtigte wesentlich überwiegen und

4.) Die Tat muss ein "angemessenes Mittel" zur Abwendung der Gefahr darstellen.

Straßenverkehrsvorschriften sind grundsätzlich zur Gefahrenabwehr bzw. zum Schutz von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer*innen erlassen worden. Wer sich nicht an diese Vorschriften hält, der hat ein erhöhtes Unfallrisiko und gefährdet damit natürlich auch immer unbeteiligte Dritte. In der Rechtsgüterabwägung stehen sich also zunächst Leben und Leib der anderen Verkehrsteilnehmer*innen und Leben und Leib der Schwangeren und des ungeborenen Kindes gegenüber, es sind also zwei grundsätzlich einmal gleichwertige Rechtsgüter, die sich gegenüber stehen und es gibt kein "wesentliches Überwiegen". In einem solchen Fall, dass sich zwei grundsätzlich gleichwertige Rechtsgüter gegenüberstehen, kommt jedoch der Gefahrengrad des §34 StGB bzw. des §16 OwiG zum Tragen. Die Unfallgefahr ist juristisch eine sogenannte "abstrakte Gefahr", denn es ist ja nicht sicher, dass es durch die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einem Unfall kommt. Dagegen ist aber gesichert, dass die Schwangere und/ oder das ungeborene Kind einen gesundheitlichen Schaden davontragen werden, wenn sie nicht schnellstmöglich medizinische Hilfe erhalten, es liegt demnach eine "konkrete Gefahr" vor. Dies bewirkt, dass sich die Rechtsgüterabwägung zugunsten der akuteren, also der konkreten Gefahr hin, verschiebt. Es darf jedoch zu keinem Zeitpunkt zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer*innen kommen, denn dann steht konkrete Gefahr gegen konkrete Gefahr und jede Rechtfertigung versagt damit.

In der Praxis, wird es jedoch wohl allermeist an der Angemessenheit der Notstandshandlung scheitern. Es ist nicht angemessen, mit dem Privatfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten, wenn es einen Rettungsdienst gibt, der in 95% aller Notfälle jährlich innerhalb von zehn Minuten (landesrechtlich unterschiedlich geregelt aber in keinem Bundesland länger als maximal 15 Minuten) am Notfallort sein muss. Etwas anderes kann im Einzelfall gegeben sein, wenn der Disponent in der Rettungsleitstelle beim Notrufgespräch sagt, dass es bis zum Eintreffen eines Rettungswagens 30, 40 Minuten dauern kann. Dies ist in absoluten Ausnahmefällen möglich. Ich nenne hier mal beispielhaft weil es aktuell ist das schwere Zugunglück in Bayern. Hier waren alle in der Umgebung verfügbaren Rettungsmittel natürlich erstmal beim Zugunglück angebunden und es kann durchaus länger dauern, bis ein Rettungswagen die schwangere Frau erreicht. In einem solchen Fall, lässt sich jedoch ggf. auch eine Eilzuständigkeit der Polizei begründen, d.h. statt des Rettungsdienstes, kommt ggf. dann die Polizei und fährt die Schwangere mit Blaulicht und Folgetonhorn in das Krankenhaus.

Mfg

Nein

weil auch für solche Transporte der Rettungsdienst zuständig ist.

Nein

Bei solchen Fragen geht es um die etwas komplizierte Unterscheidung zwischen Rechtmässigkeit und Strafbarkeit.

Nein, man darf als Privatperson nicht schneller fahren als erlaubt, auch in Notfallsituationen nicht. Wenn man es aber trotzdem tut, und wird dabei erwischt, hat man bei solchen Notfallsituationen gute Chancen, mit einer sehr milden Strafe davonzukommen.

Auch in einer solchen Situation, habe ich im Rahmen einer Kontrolle sehr höfliche, sich hilfreich, empathisch verhaltende Beamte erlebt, die mich sofort aus der Schleife rausgezogen haben - die nächste Streife auf der Strecke ins KH informiert haben, die uns dann auch durchgewunken hat - i.d.R. eine Frage der Kommunikation .

Nein

Nein, auch nicht wenn das Auto das kann... Es ist eine Ausnahmesituation. man ist mit den gedanken woanders. Dann sind die wenigsten Fahrtüchtig.

Steht auf der ersten Seite im Fahrschulbuch: Nicht berauscht fahren udn nicht übermüdet fahren. Auch nicht mit "psychischen" Einschränkungen wenn man schlimmes erlebt hat udn an was gaaanz anderes denkt oder eben Stress hat.... alles Ablenkung.

Leute selber ins Krankenhaus fahren nur wenn es kein Notfall ist und immer noch mit einer Begleitperson.

Verletze Schwangere oder beginnende geburt besser den Rettungsdienst rufen. Damit wird man sicher und Schnell transportiert. Ausserdem hat der Privat PKW keine Signaleinrichtungen.


ZoeeK 
Beitragsersteller
 09.06.2022, 18:13

In dem Moment wäre es mir gelinde gesagt scheissegal

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Davidtheanswer  09.06.2022, 19:43
@ZoeeK

Ja natürlich... aber es kann auch schnell schief gehen... Auch wenn ein triftiger Grund vorliegt, sollte man sich besonnen und normal verhalten. Wem nützen Unfälle deswegen? Ob man nen milderes Urteil bekommt wegen der Umstände weiss ich nicht...

Zumal wenn man mit dem Rettungsdienst gefahren wird, die bei Komplikationen auch sofort eingreif können oder auch die Klinik schon vorinformieren können. (Zeitersparnis)

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TheMonkfood  10.06.2022, 08:01
@ZoeeK

Ich denke, spätestens wenn du wegen der Aufregung in Verbindung mit überhöhter Geschwindigkeit einen Crash baust, ist es dir nicht mehr scheissegal

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