Buddhismus Widerspruch?
Die Buddhisten sagen ja, dass es keine Seele existiert, aber glauben dennoch an die Wiedergeburt. Ist das nicht ein Widerspruch, weil wenn sie doch denken, dass es sich selbst nicht gibt und keine Seele existiert, warum glauben sie, dass sie wiedergeboren werden?
8 Antworten
Tatsächlich handelt es sich sich hierbei um einen schwierigen Sachverhalt. Schon zu Zeiten Buddhas hat das zu Verwirrung geführt. Wenn es keine Seele (Sanskrit: Athman oder Jiva) gibt, was soll dann widergeboren werden? Diese Frage ist unter den buddhistischen Schulen widersprüchlich beantwortet worden bzw. wird manchmal sogar gar nicht beantwortet. Meist wird diese Frage auch als weniger wichtiger erachtet.
Eine große Aushnahme ist der tibetische/Vajrayana/Diamantweg Buddhismus. Dort ist der Prozess der Reinkarnation philosophisch sehr relevant & unterliegt einer klaren Systematik. Dort spielt der Zwischenzustand (Tibetisch: Bardo) zwischen zwei Geburten eine sehr wichtige Rolle. Vielleicht hast du schon einmal vom Tibetischen Totenbuch (Tibetisch: Bardo Thödröl) von Padmasambava aus dem 8/9.J.h. gehört. Dieses heißt eigentlich "große Befreiung durch Hören im Zwischenzustand". Es ist eine der wichtigsten Quellwerke im (tibetischen) Buddhismus. Darin wird die Auffassung vertreten, dass man im Zwischenzustand zwischen einem Leben & dem Nächsten noch Karma bereinigen kann, seine Wiedergeburt bestimmen kann & mit viel Glück & Übungen sogar Erleuchtung erlangen kann. Diesen Prozess nach tibetisch buddhistischer Sicht zu erklären ist nicht ganz einfach. Sehr grob lässt es sich wie folgt beschreiben:
Dem Ganzen liegt die Auffassung zugrunde, dass jeder Art von Erscheinung drei Formen der Existenz zugrunde liegen. Eine bedingte Ebene, eine grobstoffliche Ebene & eine feinstoffliche Ebene. Die drei Ebenen werden auch mit den bekannten drei Körpern des Buddha (Trikaya) veranschaulicht. Der Buddha Körper auf der feinstofflichen Ebene ist der Körper des Dharmas (Dharmakaya), der auf der grobstofflichen Ebene der Körper der nützlichen Hilfsmittel (Sambhogakaya) & der auf der bedingten Ebene der Körper der Emanationen (Nirmanakaya). Im Moment befinden wir uns natürlich auf der bedingten Ebene oder nehmen besser gesagt die Welt in dieser wahr. Das ändert sich allerdings, wenn wir sterben. Dort nähern wir uns immer mehr der feinstofflichen Ebene. Das ist auch das weiße Licht, was man sieht, wenn man stirbt. Viele Menschen die über eine halbe Stunde tot waren berichten davon, dass sie in das Licht eingegangen sind & sich in einem Zustand unendlicher Glückseeligkeit mit der Welt verbunden gefühlt haben. Sie haben dort das Ich-Bewusstsein kaum mehr wahrgenommen. Die feinstoffliche Ebene bzw. das weiße Licht ist der Urgrund allen Seins, weshalb er auch keine räumlichen Einschränkungen hat. Da sich der Mensch aber in Verblendung (Sanskrit: avidiya; Pali: Moha) befindet beginnt er nach einer gewissen Zeit wieder zu reinkarnieren & beginnt damit grobstofflich zu werden. Dies ist dann im Prinzip derselbe Prozess nur aus anderer Richtung, also von der feinstofflichen Ebene zur grobstofflichen. Wenn man jetzt im Sterben eine bestimmte Meditation anwendet, dann kann man in diesem Prozess eingreifen. Tibetische Mönche üben diese 4-6x am Tag jeweils etwa 10 Minuten.
Ob man nun der tibetisch buddhistischen Systematik folgt oder nicht, man sollte eine Sache beachten. Der Buddha bzw. der Buddhismus schließt zwar einen Kern des eigenen Ich aus (Pali: Anathman), aber dies bedeutet nicht, dass es nichts gibt, was den biologischen Tod eines Körpers überleben könnte. Dieses etwas dürfte nur nicht die Essenz des Menschen ganzheitlich verkörpern.
Aber es gibt auch Buddhisten, die nicht an die Reinkarnation glauben. Diese Buddhisten werden säkulare Buddhisten genannt. Diese Buddhisten begründen ihren Glauben auf verschiedene Arten:
- Einige meinen, Buddha hätte in Wahrheit nie an die Reinkarnation geglaubt. Er vertrat sie nur, da er eine andere Vorstellung nicht für gesellschaftlich akzeptabel erachtet hat. Zumindest für die Zeit bzw. das Umfeld in dem er wirkte & lebte. Und in der Tat, oft enthielt sich Buddha der Frage, wenn er zum Leben nach dem Tod gefragt wurde. Auf der anderen Seite hatte Buddha um das Phänomen der Reinkarnation ein rudimentäres Konzept formuliert. Dieses Konzept heißt bedingtes Entstehen (Sanskrit patityasamutpapa; Pali: paticcasamutpada), aber beantwortet dabei die Frage auch nicht, was denn wiedergeboren werden soll. Insofern wirkt es nicht allzu glaubwürdig, dass er die Reinkarnation ablehnte.
- Andere Buddhisten vertreten die Ansicht, dass Buddha den Kreislauf der Widergeburten (Sanskrit/Pali: Samsara) & auch das bedingte Entstehen metaphorisch verstand. Allerdings bleibt es dann fragwürdig, warum er keine Motive oder Anhaltspunkte dafür lieferte, dass er in Metaphern sprach.
- Wieder andere vertreten die Ansicht, dass Buddha sich schlicht weg geirrt hat. Dies würde den Buddhismus nicht gänzlich unnötig machen, da einige Aspekte dieser Lehre als wissenschaftlich gesichert gelten können. Außerdem hat Buddha die Menschen dazu eingeladen, ihm nichts zu glauben, ohne es zu hinterfragen. Also ein Irrtum Buddhas kann nicht mit einem Irrtum von Jesus oder Mohamed verglichen werden.
Allerdings hat der Buddha nie von einem leeren Selbst gesprochen.
Das verwirrt mich. Anatta ist doch der Begriff, den der Buddha verwendet, ob das nun leeres Selbst, leer von Zuschreibungen oder Nicht-Atman... genannt wird. Wäre das Erlöschen des Wiedergeborenen Ich nicht die Befreiung von samsara? Das Konzept von Ich ist unsere Todesfalle.
Anatman, das Sanskritwort des Pali Wortes Anatta, lässt es jedoch offen, ob damit gemeint ist "etwas wie Atman existiert gar nicht" oder "Atman ist leer". Ersteres wird gängiger Weise vertreten. Wahrscheinlich da zweiteres nicht/schwer zu Buddhas Lehre der fünf Anhäufungen (Sanskrit: Skandhas) passen würde.
Der Unterschied ist gravierend. Etwas existiert nicht - oder etwas existiert nur aufgrund seiner auftretenden Einzelteile. Und Letzteres ist doch das karmische Prinzip. Ohne Erde, Wasser und Sonne wird nichts aus dem Samen. Anatta bedeutet wohl, dass die Anhäufungen oder Atman so lange reprodiziert werden, wie die Bedingungen dafür vorhanden sind. Darin ein fixes Selbst auszumachen wäre töricht, da die Bedingungen ebenfalls sofort wegfallen könnten.
Entschuldige bitte, das fällt mir nur gerade so ein 😌🙏
Öhm, Jesus ist ebenfalls historisch belegt. Im Grunde genommen sogar mehr belegt als Buddha.
Du darfst Worte wie "Seele", "Ich", Selbst", oder "Ego" nicht gleichsetzen !
Buddha hat auch nie gesagt, dass es keine Seele, oder kein Ich gäbe. Er hat nur gesagt, dass diese VORSTELLUNGEN, die wir davon haben, falsch sind...
Weil das aber die wenigsten verstehen, gibt es solche scheinbare Widersprüche.
Siehe hier in diesem Radiobeitrag:
keine Seele existiert
Yep. Es gibt keine Seele wie zB im Sinne des Christentums. Keine Seele, die einfach in den nächsten Körper hüpft.
Buddhism denies there is any such soul or self in a living being, but does assert that there is a cycle of transmigration consisting of rebirth and redeath as the fundamental nature of existence.
https://en.wikipedia.org/wiki/Rebirth_(Buddhism)#Buddhist_terminology_and_doctrine
- Buddhisten sagen ja, dass es keine Seele existiert
Daß dies nicht stimmt habe ich bereits in einer anderen Frage beantwortet.
- Ist das nicht ein Widerspruch
Das wäre es tatsächlich und in der Tat gibt es sich Buddhisten nennende Leute, die diesen Teil der Lehre abstreiten. Oft haben diese gemein, daß sie lediglich an oberflächlicher Wellness interessiert sind, anstatt den Dingen auf den Grund zu gehen.
- warum glauben sie, dass sie wiedergeboren werden
Hier berühren sich Glauben und Vertrauen. Auch wenn wir persönlich keine Erinnerung an diesen Prozess haben, lassen wir das (vorerst) als potentielle Möglichkeit stehen, weil wir uns während unserer eigenen Nachfolge auf dem achtfachen Pfad bisher von der Richtigkeit von Buddhas Erkenntnissen überzeugen konnten. Zudem würde dessen fehlen diese komplexe Lehre auf eine unfertige, zusammengesponnene Idee reduzieren.
Es gibt da 2 verschiedene "Zustände", die wir unterscheiden müssen. Das eine ist die Alltagsrealität. Das andere ist die völlig gereinigte geistige Haltung eines erwachten Wesens.
Der Alltag ist genau das, was unsere leidvolle Existenz ausmacht. Und weil wir alle ziemlich unvollkommene Wesen sind, tragen wir unsere Fehler gerade nur so ab. Aber unser Karma aus Milliarden Jahren, unsere Ängste, Vorlieben, Handlungsmotive aus bereits erlebten Glück und Schmerzen, das bleibt als ungeklärtes Bewusstsein nach dem Tod des Körpers.
Diese Trübung des Geistes, die Unwissenheit produziert Materie gemäß den Anhaftungen Durst und Abneigung.
Der völlig geklärte Geist des Erwachten ist frei von ichbezogenem Verlangen oder dem Bedürfnis nach Schutz gegen andere.
Im Bedingten Entstehen ist das Grundprinzip von Karma sehr anschaulich in 12 Schritten wiedergegeben. Nach dem Tod folgt das Ergreifen aus Unwissenheit über unsere wahre Natur. Liegt darin nicht der Kern der Wiedergeburten und sagt das nicht aus, dass das Erlöschen gleichbedeutend mit dem Verlust der illusionären Zuschreibungen eines eigentlich leeren Selbst ist und gleichzeitig stattfindet?