AFD in der ehemaligen DDR?

3 Antworten

Das dürfte mehrere Gründe haben.

Der Osten ist auch heute noch der östlich-europäischen Region mehr zugetan, als es der Westen ist. Zudem dürften sich im Osten von Deutschland nach wie vor Menschen befinden, die sich gegenüber dem Westen benachteiligt fühlen. Mit der damaligen Widervereinigung hat man eben nicht einfach nur "widervereinigt", man hat den Osten mehr oder weniger einfach annektiert. Das merkt man bis heute. Das Credo war damals klar: "Ihr gehört jetzt zu uns, also läuft es so, wie wir es wollen - schliesslich ist bei uns alles besser."

Damit hast du selbst heute noch Menschen mit ordentlich Verdruss im Herzen - und genau da schlägt dann die AfD-Ideologie zu.


musso  07.02.2024, 10:35

dann hätten die "Westler" aber auch viele Gründe, allein jahrzehntelanger Soli. Das sollte kein Grund sein, rechtsextrem zu wählen.

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Mungukun  07.02.2024, 10:46
@musso
dann hätten die "Westler" aber auch viele Gründe, allein jahrzehntelanger Soli.

Den Soli haben auch alle Bürger im Osten bezahlt.

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Mungukun  07.02.2024, 11:10
@musso

Wie naiv bist du eigentlich? Glaubst du ernsthaft dass Steuern dafür genutzt werden was als Begründung für die Einführung genannt worden ist? Die Schaumweinsteuer wird dann bestimmt auch heute noch für die Finanzierung der kaiserlichen Marine genutzt, da sie deswegen eingeführt worden ist.

Steuern sind nicht zweckgebunden, § 3 AO. Jede Steuereinnahme kann für alles im Haushalt verwendet werden, auch der Soli.

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SarahSchweiz  07.02.2024, 11:15
@musso

Es geht doch vor allem nicht nur darum.

Die Menschen im Osten waren sich gewohnt, sich einer Ideologie zu unterwerfen. Eigenständiges Denken war da gar nicht erst erlaubt, man hatte einfach nach System zu funktionieren. Andernfalls waren drastische Sanktionen fällig. Damals konnte jeder noch so gute Nachbar ein Spitzel der Stasi sein. Nicht schwer zu verstehen, dass diese Wiedervereinigung für einen Teil der dortigen Bevölkerung zwar schön wär, sie jedoch damit total überrumpelt wurden. Es gab keinen Angleich, es war einfach so - von jetzt auf sofort. Das führt zu einer Überforderung. Wenn du jahrelang in einer Art Gefangenschaft lebst, dann musst du dich erst mal wieder an eine plötzliche Freiheit gewöhnen. Dieser Vorgang wurde durch den Westen derart beschleunigt, dass er einfach an gewissen Leuten vorbei gezogen ist.

Das ist nicht so einfach, wie es scheint. Da entstanden nebst dem einen oder anderen Entzücken grosse Ängste, Hilflosigkeiten vor der neuen grossen "Freiheit", der offenen Grenzen. Und genau da setzt die AfD ja an: Sie spielt mit Hilflosigkeiten und Ängsten. Da ist es naheliegend, dass ihr Klientel im Osten zu finden ist.

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musso  07.02.2024, 11:29
@SarahSchweiz

ja, der Soli war auch nur ein Beispiel, dass es auch im Westen Leute gab, die sich aus Gründen benachteiligt fühlten. Rechts zu wählen ist ja auch die eine Sache, Ausländer durch die Stadt zu jagen nochmal eine andere. Das kann ich nicht gutheißen. Auch wenn es psychologisch vielleicht in Teilen erklärbar ist.

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SarahSchweiz  07.02.2024, 11:47
@musso

Bloss ist der Soli hier halt ein Beispiel, welches kaum verwendbar ist. Es geht nicht um den Soli, es geht um viel mehr. Es geht um die Lebensweise, um Freiheiten zu wählen, wann man wo hingehen darf. Es geht um Gedankengut, dass man äussern darf ohne deswegen im Knast zu landen. Es geht um so viel mehr als "nur" um einen kleinen, am Rande stehenden Posten irgendwo in der Marktwirtschaft. Hier geht es um Existenzen, um das Auseinanderreissen ganzer Familien. Es geht um so viele Schicksale und darum, dass man vor der Vereinigung im einen Teil des Landes nicht frei denken durfte. Man wurde mit starker Hand geführt, man vertraute einem System, das vermeintlich da war, wenn man es brauchte und um klare Strukturen, die einem das Denken abgenommen haben, weil klare Formen der Zuständigkeiten da waren. Man musste keine grossen Entscheidungen treffen, weil man in seinem Handeln derart kastriert war. Entscheidungen über einen selbst wurden von anderen getragen. Man kriegt gesagt, was gut und schlecht ist, was man konsumieren darf und wo es produziert werden muss. Es gab kaum Grauzonen, die wurden hart sanktioniert und man brachte sich und die Familie in grosse Gefahr, wenn man sich in solchen Grauzonen hat zu bewegen versucht. DIESES Denken, das musst du erst einmal aus den Köpfen der Betroffenen raus kriegen. Es wird über Generationen weiter getragen und verschwindet nur langsam.

Zudem hat man seit Anbeginn der AfD nie versucht, die Wählerschaft wieder über die Altparteien abzuholen. Genau so schnell wie man dachte, es wäre allen klar, dass das DDR-Regime nun weg ist und alles werden sollte, genau so schnell hat man Anhänger der AfD sofort diffamiert und in eine Ecke gedrängt, anstatt sie eines besseren zu belehren. Und was passiert mit einer Raubkatze, die man in die Ecke drängt? Sie wird sich verteidigen und nicht mehr darauf achten, ob der Wärter nur Futter bringen wollte.

Die Leute im Osten haben teilweise Angst und dieses Angst-Vermächtnis wurde ihnen nie wirklich genommen. Wie auch? Sie wurden einfach "geschluckt". Man hat nicht aufgearbeitet, man hat einfach weiter gemacht und ein Tuch drüber gelegt. Die Mentalität des Ostens ist in vielen Teilen im Stillen östlich geblieben.

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musso  07.02.2024, 12:06
@SarahSchweiz

aber auch im Osten wählen viele junge Menschen die AfD, die die DDR gar nicht mit erlebt haben. Und deren Ende war vor bummelig über 30 Jahren. Und jetzt schwenken sie plötzlich alle nach rechts...

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Im wesentlichen weil die Leute sich dort abgehängt fühlen, da auch über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch keine wirkliche Einheit vorhanden ist.

Das Lohngefälle zwischen Ost/West ist größer als das Lohngefälle zwischen Mann und Frau. Trotzdem hört man in den Medien gefühlt 4x im Jahr über den Unterschied Mann/Frau und wenn überhaupt 1x im Jahr über den Unterschied Ost/West. Zumal es in Ostdeutschland gar kein Lohngefälle zwischen Mann und Frau gibt. Frauen verdienen im Osten sogar mehr als Männer. Das ist ein rein westdeutsches Problem.

Es wird sich also aus Sicht der Bürger dort über ein Problem beschwert, was im Osten keines ist, während gleichzeitig der Lohn im Osten niedrig bleibt, worüber nicht gemeckert wird.

Trotz geringerer Löhne sind die Lebenshaltungskosten im Osten höher. Ein durchschnittlicher Haushalt im Osten bezahlt 15% mehr für den Strom als ein durchschnittlicher Haushalt im Westen.

Gleichzeitig führen die geringen Einkünfte dort auch zu Existenzängsten. Wenn die Inflation voll rein schlägt und man überlegen muss, wie man das nächste Essen bezahlt und das Benzin, weil ÖPNV dort im ländlichen Raum auch schlechter ausgebaut ist als im westdeutschen ländlichen Raum, dann stoßen solche Aussagen, dass man sich Mal für mehrere 10.000 € eine Heizung kaufen soll für den Klimaschutz eher auf Ablehnung, da die Leute nicht wissen wie sie das bezahlen sollen.

Auch politisch ist der Osten in Deutschland traditionell unterbesetzt. Während 20% der Bevölkerung im Osten lebt, ist nur jeder 33. Mitarbeiter in Ministerien ein "Ossi", also gerade einmal 3%. Da fühlt man sich als Bürger dort einfach nicht politisch gehört und hat das Gefühl, dass "die da oben" über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entscheiden.

Daraus entsteht Frust, den die Populisten mit falschen Versprechungen dann natürlich vermeintlich lösen können.

Woher ich das weiß:Recherche

alaskamusher  07.02.2024, 11:36

WTF leben im Osten ist teurer? Lebst du nur vom Strom ? Vergleich z.B. mal die Mieten...!

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Mungukun  07.02.2024, 12:25
@alaskamusher

Schwache Leistung von dir, dass du dich von meiner gesamten und ausführlich mit Quellen belegten Antwort nur einen Bruchteil als Grundlage für deinen Kommentar nimmst.

Was bringt dir 300 € weniger Miete, wenn du 1.000 € weniger Arbeitslohn hast? Zumal der Lohnunterschied zwischen Ost und West größer statt kleiner wird.

Der Reallohn nach Abzug der Kosten ist im Osten am geringsten, wie man auf dieser Karte sehen kann.

Jetzt denke einmal weiter insbesondere auf den von mir genannten Punkt der Heizungen. Womit werden Wärmepumpen hauptsächlich betrieben? Mit Strom wenn da der Preis im Osten höher ist, werden auch die Heizkosten nach der Umstellung im Osten mehr steigen als im Westen und das alles bei wesentlich geringerem Lohnniveau.

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Unsere Mitbürger aus der ehemaligen DDR haben lange unter einer Diktatur gelitten und kennen die Zeichen. Sie können zwischen den Zeilen lesen und haben Erfahrung mit undemokratischen Entwicklungen. Da viele sich mittlerweile auf dem Weg in eine DDR 2.0 sehen wählen sie eben eine Partei die dagegen angeht. Außerdem wissen sie noch wie wertvoll vieles ist, das ein funktionierender, freier Staat anbietet und wollen diesen schützen und erhalten.


Silicium58  07.02.2024, 12:03

Wenn man Ossis so zuhört, sind sie quasi in Allem überlegen.

Ihnen macht niemand etwas vor, sie kapieren schneller, und wie funktionierende, freie Staaten zu erhalten sind, ist gängigstes Ossiwissen.

Ein Ossistaat müsste so ziemlich das Mächtigste sein, was die Menschheit bereithält.

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verreisterNutzer  07.02.2024, 12:27
@Silicium58

Ich (Wessi) kenne leider nicht so viele ehemalige DDR Bewohner persönlich. Aber es ist doch wohl klar, dass jemand der aus einer Diktatur kommt, die Zeichen besser und sensibler erkennt als jemand der auf seinem gefälligen Wohlstand degeneriert ist und seit Jahrzehnten umerzogen wurde. Außerdem wissen ehemaligen Opfer mehr zu schätzen was Anderen selbstverständlich vorkommt. Niemand sagt, dass sie die absolut überlegenen Superhelden sind. Aber sie können unvoreingenommener an die Sache herangehen.

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Silicium58  07.02.2024, 12:42
@verreisterNutzer

Und genau das bezweifel ich.

Angepasst und kuschend in einer Diktatur gelebt zu haben, setzt keine kollektive Erhöhung der Auffassungsgabe frei.

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verreisterNutzer  07.02.2024, 13:00
@Silicium58

Viele die mal einen Stromschlag bekommen hat, werden zukünftig vorsichtig mit Elektrizität umgehen. Und wer mal vom Staat überwacht und unterdrückt und seiner Freiheiten beraubt wurde, wird sehr sensibel reagieren, wenn ihm das erneut passiert.

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Silicium58  07.02.2024, 13:39
@verreisterNutzer

Das ist keineswegs pauschal so und vom Intellekt und Auffassungsgabe des Einzelnen abhängig.

Was man gut an der Qualität der Einlassungen sehen kann, die zum Thema aufkommende Diktatur ausgerechnet von AfD-Betroffenen mit DDR-Vita getätigt werden.

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