Abitur mit 1,0 und mit 16 studieren - was bringt das?

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Naja, die Ausbildung ist ja kein Wettrennen, wo es darum geht, möglichst schnell durchzukommen. Das Ziel ist nicht, dass diese Kids möglichst schnell an allen anderen vorbeigeschleust werden und mit einem frühen Studienabschluss belohnt werden sollen.

Aber für solche Schülerinnen und Schüler wird die Regelschule schnell so langweilig, dass sie Probleme entwickeln könnten. Ich selbst habe da negative Erfahrungen gesammelt, die sich bis ins Berufsleben hineinziehen. Ein Überspringen von Klassenstufen ("acceleration") sowie frühes Studieren soll bei hochbegabten Kindern Disziplin und Eigenmotivation wecken mit den Mitteln, die das Schulsystem zur Verfügung hat. Es ist halt auch (leider) so, dass die Hochbegabtenzüge oder gar Hochbegabtenschulen, die es gibt, nicht dafür ausreichen, bei allen dieser Schülerinnen und Schülern flächendeckend das der "acceleration" entgegenstehende Konzept der Begabungsförderung, das "enrichment". zu betreiben.

Nicht selten ist es jedoch auch so, dass solche "Überflieger", die das Glück haben, von ihrem Umfeld so gefördert zu werden, nach ihrem ersten Studienabschluss noch ein anderes Studium machen oder sehr intensiv forschend tätig werden. Letztlich kann dieser "Zeitgewinn" ja genutzt werden, um den Horizont zu erweitern, weil man ja sein Umfeld immer noch vergleichsweise wenig - oder zumindest dann "gleich viel" kostet.

Ich sehe das sogar noch kritischer als du. Wenn sie ihren Uni-Abschluss denn wirklich mit 20 machen und dann ins Berufsleben einsteigen, lass ich das Argument, dass sie mehr Zeit haben, ihre Karriere aufzubauen, ja stehen.

In der Realität sieht es aber weitaus häufiger so aus, dass diese Leute nach der Schule in Wahrheit planlos und nicht selten auch: erschöpft sind. Sie stürzen sich dann zum Beispiel aus schlechter Ambition heraus Hals über Kopf in einen der üblichen Prestige-Studiengänge, obwohl sie charakterlich und interessenmäßig null kompatibel dafür sind, und dann folgt der Studiengangwechsel, zack schon ist mindestens ein Jahr wieder „einkassiert“. Oder: sie nehmen die berühmte „Pause nach der Schule, um sich selbst zu finden“, und diese Pause zieht sich, und zieht sich, und zieht sich. Auch hier kickt dann oft die Kombination aus Erschöpfung und überfliegenden Ambitionen, die dafür sorgt, dass sie letztendlich gar nichts machen, weil sie für das eine keine Kraft haben und das andere unter ihrer Würde ist. Was auch ein häufiges Phänomen ist, ist dass solche Leute sehr schlecht damit umgehen können, wenn sie zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben die Erfahrung machen, dass irgendetwas nicht gleich sofort super toll klappt, sie irgendwas nicht perfekt beherrschen, oder irgendwas einfach mal Zeit braucht.

Deshalb, so wichtig ich Talentförderung und Bildung und Ambition finde und gegen Zeitverschwendung bin, aber auch Charakterentwicklung ist wichtig und braucht nun einmal Zeit.

Haben bei mir viele gemacht. Hatte einige 16-jährige im Bachelorstudiengang. Gehe in die Niederlande, dort macht man früher Abi und diene Mitstudenten sind jünger, das Bildungssystem ist besser und wenn du (wie ich) BSc+MSc in 4 Jahren schaffst hast du einiges vom Leben (mehr Urlaub, Geld, Zeit für Beziehung usw.).

Wenn du kein Bock hast ist ein Jahr work&travle o.ä. auch sehr interessant.

Das bringt sicherlich mehr, als sich zusammen mit Gleichaltrigen in der Schule bloß zu langweilen.

Ob es aber letztlich einfacher vom sozialen Umfeld her und wirklich "besser" ist, als ganz normal das Abitur zu machen und zu studieren, bezweifle ich zwar ebenfalls, aber das suchen sich die Leute dabei ja auch nicht ganz aus.

Studium und Promotion bieten allerdings andererseits eben sehr viel Freiheit und ermöglichen Individualität, dann gerade auch bei einer wissenschaftlichen Laufbahn. Bei Frauen kommt der Wunsch nach Kindern und Familie dazu. Da ist es dann sogar von Vorteil, bereits mit 30 Professorin zu sein.

Die Frage ist: Muss es etwas bringen? Und: Wir sähe die Alternative aus?

Was würde es bringen die Leute warten zu lassen? Sollen sie nach dem Abi Däumchen drehen? Für wen?

Es kann für solche Menschen demotivierend sein, wenn sie auf die "normale" Geschwindigkeit "gezwungen" werden. Sie fühlen sich dann unterfordert.

Ihren Lebensweg finden müssen sie dann eh selbst... wie jeder andere auch.

Ich halte den ganzen gesellschaftlichen Kram mit: Du musst in dem Alter studieren... und in den Job einsteigen für Blödsinn.