Was bringt Leistungsdruck an Unis?

8 Antworten

Also ich kann das nachfühlen. Ich habe Chemie studiert (ist aber schon etliche Jahre her), und kurz vor dem Vordiplom sind mir die Praktika und die ganzen anderen Veranstaltungen auch zu viel geworden. Also habe ich mal 1 Semester langsamer gemacht.

Das Praktikum Organische Chemie (viel Stoff) habe ich um 1 Semester verschoben, und in diesem einen "langsamen" Semester habe ich ein kleineres Nebenfach begonnen (Kristallographie/Festkörperchemie).

Und das tat mir auch gut. Später habe ich das Praktikum nachgeholt, das hat auch gut funktioniert. Und das Nebenfach habe ich noch später weitergemacht und habe es auch beim Diplom genutzt als Wahlfach.

Was bringt Leistungsdruck an Unis?

Der dient zum Aussieben und reduzieren der Studentenzahlen auf ein erträgliches Maß. Übrig bleiben die, die genügend leistungsbreit sind und ein ausreichendes Zeitmanagement haben, um auch später im Beruf bestehen zu können.

Profs erzählen im Smalltalk, dass das früher nicht anders war

Da haben sie wohl recht.

Kommilitonen (auch aus höheren Semestern) und ich sind uns einig, dass etwa 2-3 Wochen vor den Prüfungen die wöchentliche reine Lernzeit (Vorlesung + Lernen) auf gute ca. 50 Stunden hoch geht.

Da machen es sich aber einige ziemlich bequem im Studium, wenn sie nur die 2 - 3 Wochen vor den Prüfungen ihre Lernzeit auf 50 h hochschrauben. Das sollte der Aufwand von Anfang an sein.

aber Lernstress ist meiner Meinung nach nicht mit Arbeitsstress vergleichbar.

Stimm. Wenn ich Praktikanten oder Berufseinsteiger eingestellt habe, waren die zumindest im ersten Halbjahr der Meinung, sie dachten, das Studium wäre schon anstrengend. Dass der Job noch anstrengender ist, daran mussten sie sich erst gewöhnen.

Das deprimierendste ist aber die Tatsache, dass gefühlt ca. 80% des Wissens sowieso (unabsichtlich) vergessen wird, weil man es später im Beruf bzw. in seiner gewählten Fachrichtung dann nicht mehr auswendig wissen braucht.

Aber wenn man es doch braucht, ist es ganz schnell wieder zu aktualisieren. Was man in den ersten Semestern lernt, braucht man immer wieder als Grundlage für das, was man wirklich wissen muss. Es kommt nicht drauf an, das auswendig zu wissen, sondern verstanden zu haben, um es leicht reaktivieren zu können.


Kiwi5ccc 
Beitragsersteller
 06.07.2024, 03:10
Dass der Job noch anstrengender ist, daran mussten sie sich erst gewöhnen.

Der Unterschied zwischen Studium und Job ist der, dass der Job eine geregelte Arbeitszeit hat. D.h. ein offizieller Feierabend. Im Studium gibt es dieses Feierabend nicht oder zumindest nur künstlich, weil lernen kann man ja 24/7.

Ich komme aus der Lehre und weiß sehr gut, was es bedeutet ,,Feierabend" zu haben. Man lässt alle Probleme und Sorgen auf der Arbeit und zu Hause ist man zurück in der Wohlfühloase.

Es kommt nicht drauf an, das auswendig zu wissen, sondern verstanden zu haben, um es leicht reaktivieren zu können.

Für die Prüfung ist es aber leider notwendig, dass man am besten alles auswendig weiß. Verstehen bedeutet nämlich nicht wissen. Und in der Prüfung wird gerade dieses Wissen, das man im Kopf haben muss, abgefragt. Ich kann viele Dinge verstehen. Ob ich dieses Verständnis in 3 Jahren noch wissen werde, ist aber eine andere Frage.

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Universitäten besitzen begrenzte Kapazitäten was z. B. die Betreuung von Abschlussarbeiten angeht. Würden alle Studienanfänger zum Abschluss kommen, stünde die Universität vor einem Problem. Da muss man als Fachbereich ein wenig über die Klausuren eingreifen und sicherstellen, dass am Ende nur die motivierten Studenten in den Arbeitsgruppen landen. Von meinem Professor hieß es immer: "Nur unter Druck entstehen Diamanten". Ich finde das so eigentlich recht fair geregelt, anders als in den Staaten wo es anstatt schwieriger Klausuren teilweise "grading on a curve" gibt und Studenten in Relation zur Leistung ihrer Kommilitonen bewertet werden. Das schürt Zwietracht untereinander.


Ansegisel  04.07.2024, 23:27

Die Kapazität eines Studiengangs berücksichtigt bereits den Schwund. Sind also Gelder für sagen wir 100 Studis pro Kohorte vorhanden, dann wird der zu erwartende Schwund bei den Anfängern schon draufgerechnet und es können dementsprechend mehr als 100 zugelassen werden. Sinkt der Schwund und es gibt mehr Absolventen, sinkt nachfolgend auch die Zulassungszahl der Anfänger. Rein kapazitär ist ein Studiengang also in der Lage, 100% Absolventen zu verkraften.

Damit kommt auch die Hypothese nicht hin, dass Fachbereiche oder Fakultäten Klausuren als Steuerungsinstrumente nutzen würden, um Abbrecher zu produzieren. Das wäre sogar ein ziemlicher Skandal, weil damit in die Freiheit der Lehre der Profs eingegriffen würde. Und diese lassen sich so etwas in der Regel alles andere als gefallen.

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pchem  04.07.2024, 23:58
@Ansegisel
Rein kapazitär ist ein Studiengang also in der Lage, 100% Absolventen zu verkraften.

In Massenstudiengängen wo kein großer Wert auf die Qualität der Abschlussarbeiten und auf den Nachwuchs insgesamt gelegt wird, mag das sein. Sie schrieben in Ihrer Antwort, dass Lehre im Vergleich zu Forschung ungeliebt sei. Da möchte ich einwenden, dass diese Ansicht zum Glück nicht überall verbreitet ist. Ich habe den Eindruck, dass gute Forscher auch den Wert von guter Lehre kennen, denn nur sie führt zu gutem Nachwuchs.

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Hamburger02  05.07.2024, 10:08
@Ansegisel
Die Kapazität eines Studiengangs berücksichtigt bereits den Schwund. Sind also Gelder für sagen wir 100 Studis pro Kohorte vorhanden, dann wird der zu erwartende Schwund bei den Anfängern schon draufgerechnet und es können dementsprechend mehr als 100 zugelassen werden

Das gilt nur für Fächer mit NC. In den MINT-Fächern sind aber fast alle Studiengänge ohne NC. Da wird gar nix draufgerechnet. Da ist halt da, wer sich eingeschrieben hat und das sind eben mehr Leute, als im Vertiefungsstudium betreut werden können.

Damit kommt auch die Hypothese nicht hin, dass Fachbereiche oder Fakultäten Klausuren als Steuerungsinstrumente nutzen würden, um Abbrecher zu produzieren.

Doch, genau das passiert in den MINT-Fächern ohne NC. Große Studentenzahlen in den ersten Semestern, wo es nur Vorlesungen und Übungen gibt, sind kein großes Problem. Wenn es allerdings in die Labore geht und erst recht in die praktische Forschung, sind die Kapazitäten halt sehr begrenzt und deshalb muss ausgesiebt werden.

Erfahrungsgemäß hat die Aussiebung aber nicht viel mit der Intelligenz oder der Vorbildung zu tun, sondern es fallen regelmäßig die durch, die nicht von der ersten Vorlesung an am Stoff dran bleiben, sondern glauben, das funktioniert wie in der Schule, dass man ein lockeres Studentenleben führen kann, die Vorlesungen besucht (oder auch nicht) und ansonsten nicht viel macht. In zwei oder drei Wochen will man dann den ganzen versäumten Stoff nachholen und sich draufschaufeln. Das funktioniert aber nicht in den anspruchsvollen Studienfächern und genau aus diesem Irrtum resultiert dann der Prüfungsstress.

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Ansegisel  05.07.2024, 10:49
@Hamburger02
Das gilt nur für Fächer mit NC.

Ich bin da beruflich sehr nah dran und ich kann dir versichern, dass bisher an allen Unis und Fachhochschulen, die ich kennengelernt habe, das auch für zulassungsfreie Studiengänge gilt. Auch diese Lehre muss finanziert werden und das geschieht anhand der von mir umrissenen Kapazitätsberechnung, die jährlich geplant und an die zuständige Behörde übermittelt wird. Dafür gibt es mit der so genannten Kapazitätsverordnung sogar eine eigene rechtliche Grundlage.

Anhand des prognostizieren Schwundes werden auch die Laborkapazitäten der höheren Semester im Voraus geplant. Reichen diese dauerhaft nicht aus, weil der Schwund nicht mehr da ist, dann muss der Studiengang letzten Endes eben zulassungsbeschränkt werden. Auch das wird jährlich durchgerechnet und immer wieder neu festgelegt.

Es ist ein Gerücht, dass einfach Studis reingepumpt werden und dann muss rausgeprüft werden, was zu viel ist bzw. letztlich zu teuer wird.

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Hamburger02  05.07.2024, 13:10
@Ansegisel
Auch diese Lehre muss finanziert werden und das geschieht anhand der von mir umrissenen Kapazitätsberechnung,

Ich sage nichts anderes....die Unis haben bestimmte Kapazitäen und auf die entsprechende Studentenzahl muss reduziert werden. Das machen die über die Klausuren.

Es ist ein Gerücht, dass einfach Studis reingepumpt werden

Das habe ich auch nicht behuaptet, dass da irgendeine Stelle Studenten reinpumpt. Die bewerben sich meines Wissens nach alle freiwillig und meistens mehr als den Kapazitäten entspricht.

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Ansegisel  05.07.2024, 14:28
@Hamburger02
und auf die entsprechende Studentenzahl muss reduziert werden

Es tut mir leid, dass ich da nicht locker lasse, aber das stimmt nicht und ich weiß auch nicht, wo diese Überzeugung herkommt. Es ist kein Problem, wenn mehr Studis abschließen. Dann wird notfalls eine Zulassungsbeschränkung verhängt, um die Belastung gegen Ende auszugleichen. Das ist auch bei Mint-Studiengängen problemlos möglich. Jede Fakultät und jede Uni würde vor Freude ausrasten, wenn sie alle Anfänger zum Abschluss bekommen würde. Denn dann fließen von dieser Kennzahl abhängige Gelder etwa über den Zukunftsvertrag Studium und Lehre an die Uni und diese gibt sie dann an die Fakultäten weiter.

Die einzigen, die ein Interesse daran haben, Studis loszuwerden, sind die Profs selbst. Denn die werden gleich bezahlt, egal ob zehn oder hundert Studis im Studiengang sind, haben aber mehr Zeit für anderes als Lehre, wenn möglichst wenige dabei bleiben.

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pchem  05.07.2024, 14:46
@Ansegisel
Jede Fakultät und jede Uni würde vor Freude ausrasten, wenn sie alle Anfänger zum Abschluss bekommen würde.

Im Gegensatz zu Gesellschaftswissenschaften erfordern Abschlussarbeiten in den MINT-Fächern wesentlich mehr Ressourcen: Computerarbeitsplätze, Lizenzen für teure Spezialsoftware (je nach Arbeitsgruppe anders), Maschinen, Abzüge, Chemikalien usw. Es muss sinnvolle Fragestellungen geben, die von den Studenten bearbeitet werden können und da kann man sich je nach Andrang nicht einfach mehr Inhalte aus dem Hut zaubern. In Gesellschaftswissenschaften mag es vielleicht möglich sein wohlklingende Wörter aneinanderzureihen und schon hat man ein neues Thema, über welches sich eine Abschlussarbeit schreiben lässt, aber in echter Wissenschaft geht das nicht so einfach.

Die einzigen, die ein Interesse daran haben, Studis loszuwerden, sind die Profs selbst.

Das Interesse besteht nicht darin, Studenten loszuwerden. Das Interesse besteht darin Studenten loszuwerden, die nicht motiviert genug sind. Und das geht über Klausuren.

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Ansegisel  05.07.2024, 15:53
@pchem

Kapazitäten für Abschlussarbeiten werden von Anfang an mitgeplant und in der Kapazitätsrechnung für den gesamten Studiengang berücksichtigt. Das ist auch einfach eine Größe wie jede andere. Ein Studiengang, der nicht genug Kapazität hat, um genügend Abschlussarbeiten durchführen zu können, schafft es gar nicht über das Planungsstadium hinaus. Auch dafür muss also niemand rausgeprüft werden.

Die Abwertung von Geisteswissenschaften sowie von Studis, die es nicht schaffen, als nicht genügend motiviert, fast aber ganz gut die Geisteshaltung zusammen, wegen der viele Mint-Studiengänge seit inzwischen Jahren Probleme haben, genügend Studis zu finden oder zum Abschluss zu führen. Ich beobachte da immer wieder eine Art Standesdünkel, der eine Reflexion von Problemen oder neue Ansätze von vornherein abblockt. Das ist mir im Grunde auch egal und sowas gibt es auch in Feldern der Geisteswissenschaften, aber es bringt einfach niemandem etwas, außer denen, die damit ihr Ego aufpolieren.

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pchem  05.07.2024, 16:07
@Ansegisel
Die Abwertung von Geisteswissenschaften sowie von Studis, die es nicht schaffen, als nicht genügend motiviert

Wenn es nicht an mangelnder Motivation liegt, weswegen brechen dann sonst so viele ab? Es ist nicht gerade so, dass MINT-Studiengänge übertriebener Maßen schwierig wären. Ganz im Gegenteil, früher war es deutlich härter. Recherchen konnten nur in Bibliotheken durchgeführt werden. Zeichnungen, für die es heute Programme gibt, mussten in mühevoller Handarbeit durchgeführt werden usw. Ich habe eher den Verdacht, dass die Menschen heutzutage immer träger werden. Wozu etwas lernen? Es steht doch sowieso im Internet. Und die Abiturnoten sprechen Bände. Jedes Jahr gibt es mehr Spitzennoten, aber in internationalen Vergleichen wird Deutschland immer schwächer.

Und überhaupt zwingt einen ja niemand. Bei Fragen wie "Wozu der Leistungsdruck" wird sich über zu viel Stress beschwert und der böse Professor nimmt überhaupt zu viel Stoff durch. Anstelle einmal zu reflektieren, ob es nicht doch an einem selbst liegt. Es ist bereits ein Privileg so günstig studieren zu können. In vielen anderen Ländern ist das nicht gegeben. Wie leicht kann man es den Menschen bitte noch machen?

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Hamburger02  05.07.2024, 16:58
@Ansegisel
Die einzigen, die ein Interesse daran haben, Studis loszuwerden, sind die Profs selbst. Denn die werden gleich bezahlt, egal ob zehn oder hundert Studis im Studiengang sind, haben aber mehr Zeit für anderes als Lehre, wenn möglichst wenige dabei bleiben.

Also geht es doch darum, die Zahl der Studenten zu reduzieren, wie du eben selber bestätigst. Warum das so ist, darüber habe ich mich bislang nicht ausgelassen.

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Leistung.

Das Arbeitsleben wird auch aus Druck bestehen. Dabei sagt dir irgendjemand höheres in der Hierarchie, was du tun oder erreichen sollst.

Und es ist an dir, das zu tun bzw. dir selbständig Gedanken zu machen, wie du das Ziel erreichst, das ein anderer dir gesetzt hat.

Es ist nicht an dir, zu entscheiden, was nützlich oder notwendig ist.

Insofern sind Ausbildungen, in denen man Dinge tut, die man für überflüssig hält, sogar in der Tat die beste Vorbereitung für eine hierarchische Welt, in der man selbst nicht ganz oben in der Hierarchie steht.

Wenn du ein Bill Gates oder Elon Musk bist, musst du das natürlich nicht mitmachen. Dann lässt du andere das machen. Denn dann bist du ganz oben.

Es steht dir frei, auszusteigen und einen solchen Weg zu gehen :)

Tja, keiner hat gesagt, dass ein Studium easy ist.

Ihr wolltet es doch so🤭. Die Elite mit Abi und dann Kohle, Karriere und Burnout...


XXsadXX  05.07.2024, 01:01

Warum sollte man deswegen Elite sein?

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DocPsychopath  05.07.2024, 11:56
@XXsadXX

Als Akademiker erreicht man durchschnittlich höhere Positionen als ohne.

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