Wie ist biologisch gesehen eine Freundschaft zu erklären?

3 Antworten

Hallo,

Die Natur legt keine Begriffe, Zwecke oder Prinzipien fest, und da ist auch niemand, der darüber wacht, dass diese eingehalten würden. Die Natur ist eher so etwas wie ein Zufallsgenerator, ständig entstehen irgendwo kleine Veränderungen in den Eigenschaften, beispielsweise den Verhaltensweisen von Lebewesen. Wenn eine Veränderung mehr Vorteile als Nachteile hat, dann setzt es sich durch, wenn nicht, dann verschwindet es wieder. So kommt es nach und nach zu Veränderungen, die dazu führen, dass Gruppen von verwandten Lebewesen immer besser mit den herrschenden Bedingungen klarkommen. Wenn aber für manche Eigenschaften über lange Zeiten nichts Besseres auftaucht, dann bleiben diese stabil, vielleicht weil diese Eigenschaft schon sehr nahe an der bestmöglichen Lösung ist, die den Fortpflanzungserfolg am besten sichert.

Erst wenn wir so etwas beobachten und beschreiben, dann tauchen dafür Begriffe wie Zweck oder Prinzip auf, und wir erwarten, dass die Natur sich immer peinlich daran halten müsste, weil wir es so festgelegt haben. Wir neigen einfach sehr stark zu einem Schubladendenken, offensichtlich hat das unseren Vorfahren Vorteile gebracht. Manchmal aber haben wir einfach die Mechanismen nicht vollständig erkannt oder begriffen, die hinter dem stehen, was wir beobachten.

In dem, was du fragst scheint es mir aber ziemlich klar:

Wenn wir Bündnisse, Freundschaften eingehen, dann haben wir Unterstützer. Dies macht uns stärker, erfolgreicher als Artgenossen, die solche Bündnisse nicht haben, und somit in einer schwierigen Situation ohne Unterstützung da stehen.

Liebe ist eine noch intensivere Bindung, meist exklusiv zwischen nur zwei Partnern, die auch miteinander Nachwuchs haben. Der Vorteil gegenüber anonymen Sex zur Fortpflanzung besteht darin, dass ein sehr eng verbundenes Paar sicher erfolgreicher Junge aufziehen kann. Warum kommt es dann trotzdem zum Fremdgehen? Vielleicht, um das Risiko zu streuen? Was ist, wenn das Paar zwar hervorragend harmoniert und sehr erfolgreich Junge großziehen kann, aber die Kombination der eigenen Gene mit denen anderer Individuen des jeweils anderen Geschlechts möglicherweise zu genetisch fitterem Nachwuchs führen würde? Was, wenn zB in einem Paar beide dieselbe rezessive Anlage zu einer Erbkrankheit hätten? Ihr gemeinsamer Nachwuchs hätte ein hohes Risiko, mit anderen Partnern wäre es viel geringer...

Empathie, denke ich, ist eine der Voraussetzungen, um so etwas wie Freundschaften überhaupt haben zu können: nur wenn ich mich in ein anderes Individuum hineinversetzen kann, kann ich erkennen, wo es eventuell Hilfe benötigt. So könnte sie sich entwickelt haben: wer besser die Bedürfnisse anderer Individuen erkennen kann, wird es leichter haben, Bündnisse zu schmieden und auch die vorteilhaftesten Bündnispartner zu erkenn. Bei nichtmenschlichen Tieren sollte daher Empathie am ehesten bei initelligenteren Arten zu finden sein, die sozial, nicht einzelgängerisch leben, und so etwas wie Freundschaften kennen. Schimpansen, Bonobos, aber auch Wölfe oder Wildschweine, das wären für mich daher heiße Tipps.

Eine Freundschaft ermöglicht vor allem eine gewisse Berechenbarkeit des Kontaktes. Das spart Zeit und Energie beim Aushandeln von Optionen, die anderswo eingesetzt werden kann. Evolutionär gesehen hatten und haben Freundschaften die Eigenschaft den Einzelnen widerstandsfähiger zu machen.

Die Familie ist nicht das Optimum der evolutionären Entwicklung, sondern die größere Gruppe steht da noch ne Stufe höher., und das wahrscheinlich auch schon sehr lange.

Selbst unter Tieren finden sich ja Herden, Schwärme, Meuten usw. da ist nicht viel Ungewöhnliches dran.


justanna76 
Beitragsersteller
 09.04.2023, 20:52

Inwiefern widerstandsfähiger? Könntest du es vielleicht anders erklären?🙈

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treppensteiger  09.04.2023, 20:55
@justanna76

Diese Widerstandsfähigkeit meine ich bereits in Bezug auf alle möglichen Ereignisse, bei denen man allein oder maximal zu zehnt, bereits überfordert, oder vor allem schlechter ernährt, schlechter vor Wetter und Tieren geschützt, wäre.

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Ich weiß es nicht genau, aber alles dient dem Überleben. Freundschaft stärkt Gemeinschaft und macht das Überleben wahrscheinlicher. Der Mensch ist ein Gruppentier. Wie viele Menschen würden überleben, wenn alle Einzelgänger wären? Vermutlich nur die wenigsten.