Es gibt keine einzige Bibelstelle, die Dir Deine Verantwortung für Dein Verhalten abnehmen könnte.
Manche Bibeltreuen tun so, als müsse man nur die Bibel aufschlagen und bekäme mit der richtigen Bibelstelle die richtige Verhaltensregel.
So funktioniert die Bibel aber nicht.
Abraham soll seinen Sohn opfern - und dann doch nicht opfern.
Man muss sich diese Geschichte einmal aus der Perspektive des Isaak anschauen. Ich hätte mit meinem Vater nie mehr ein Wort gewechselt, wenn der mich gefesselt auf den Altar gelegt und das Messer erhoben hätte!
Ist Abraham glaubensstark, weil er Isaak gefesselt hat, oder weil er im letzten Moment davon abgelassen hat?
Ist es eine Geschichte, derzufolge man sich auf alles einlassen muss, was man als Offenbarung Gottes erfahren hat? Ulrich Bach sagt: Eltern behinderter Kinder machen Unfassbares durch, und diese Geschichte könnte ihnen insofern eine Hilfe sein, sich af das Unfassbare einzulassen, was Gott einem manchmal zumutet. Und dem will ich insofern nicht widersprechen.
Für mich ist diese Geschichte aber ganz bibeltreu vor allem die Aufforderung, niemals Gewalt gegen seine Kinder ausüben zu wollen aufgrund eines wie auch immer gearteten göttlichen Gebots. (Ausnahme: ein akuter Anschlag durch das Kind, und das Kind ist nicht mehr anders zu bremsen.)
War es letztlich eine göttliche Vision? War es eine dämonische Vision?
Und was folgt daraus für unser Verhalten?
Mit anderen Worten: Niemand kann Dir Deine Verantwortung abnehmen, wie Du mit Deinen Träumen umgehst und wie Du sie interpretierst. Sie können göttlich sein oder dämonisch. Oder sie können "einfach nur" Träume sein: Die Verarbeitung des Gehirns von allem, was Du denkst und erlebst.
Und gerade die Abrahamsgeschichte sagt: Selbst göttliche Visionen können von Gott situativ zurück genommen und korrigiert werden. Völlig rätselhaft!
Und Du hast keinerlei Garantie!
Es ist auch nicht auszuschließen, dass Du Dich bei dieser Intensität (bis 16 Stunden täglich!) in eine psychiatrisch relevante Situation gebracht hast. Ich habe als Krankenhausseelsorger leider auch mit Menschen zu tun, die
Stimmen hören oder Visionen haben und sehr darunter leiden. Und manchmal sind auch Christen mit religiösen Wahnvorstellungen dabei.
Meine Meinung dazu ist: Je mehr man seine Kontrolle an andere Institutionen verlagert (Gurus, Geister, auch Träume), desto mehr können diese die Kontrolle über einen bekommen. Und manchmal geht das so weit, dass man seine eigene Kontrolle nicht mehr zurück findet.
Insofern würde ich Dir raten, Dich nicht zu sehr darauf einzulassen und mehr in der Realität und weniger in den Träumen zu bleiben.
Die Gabe der Prophetie kann eine Gnade und eine Last sein. Aber es gibt keinerlei Garantie, nicht doch zu einer Lügenprophetin zu werden und Ungöttlichen Eingebungen zu erliegen.
Gott lässt viel zu. Ich erzähle immer wieder von einer meiner Lieblingsmitarbeiterinnen in der Gemeinde, die ich innerhalb von 10 Tagen im Krankenhaus habe sterben sehen. Ich habe mit Angehörigen zu tun, die von jetzt auf gleich zu Trauernden geworden sind. Junge Mütter mit Kind, ohne jegliche Rentenabsicherung, weil sie nicht verheiratet waren, als der Freund bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte. Gott lässt sehr viel zu.
Die Frage im Blick auf Deine Träume ist aber: Was lässt Du alles zu? Was dürfen die Träume mit Dir machen? Und wo beginnt Deine Verantwortung, Deinen Träumen auch eine Grenze zu setzen?
Für manchen der psychiatrischen Patienten ist dies (neben einer medikamentösen Therapie, auf die ich keinen Einfluss habe und auch nicht nehme) die einzige Möglichkeit, aus ihrem Leiden wieder heraus zu kommen: Zu schauen, wie sie aktiv die (Alb-)Träume gestalten und ihnen eine Richtung oder Grenzen geben können, die sie nicht mehr belasteen.
Im Gleichnis vom großen Weltgericht (Mt 25) finden sich in der Schlange mit den Böcken Menschen wieder, die der ehrlichen Auffassung sind, bibeltreu alles richtig gemacht zu haben. Und Jesus sagt ihnen: Das nützt Euch nichts. Ihr habt Eure Verantwortung nicht wahrgenommen.
Ich glaube im Übrigen, dass dieses Gleichnis nicht vor allem beschreiben möchte, wie das Gericht ablaufen wird, sondern dass Jesus damit vor allem aufmerksam machen möchte: Du bist für Dein Tun und Handeln und letztlich auch für Deine Träume selbst verantwortlich. Und Du kannst dich dabei grob falsch verhalten und merkst es nicht. Da möchte Jesus wach rütteln und uns sensibel dafür machen.
Ansonsten gilt, dass Gott auf uns wartet wie der Vater auf den verlorenen Sohn.
Ich schreibe das so ausführlich und irgendwie am Thema vorbei und irgendwie doch ganz nah am Thema dran, weil mir viele sogenannte "Bibeltreue" genau diese Bibeltreue bestreiten würden, obwohl ich selber der Meinung bin, so bibeltreu zu sein, wie es mir möglich und der Bibel angemessen ist. Besser kann ich einfach nicht.
Ich hoffe, dass ich Dir damit weiter helfen konnte.
Alles Gute und Gottes Segen