Als seit ca. zwei Jahren Gläubiger Christ bin berzeugt, dass Gott nach Seinem eigenen weisen Ermessen eingreift. Wie komme ich dazu?
Die lange Antwort
Zu 1): Das Leben ist nicht ausschließlich eine Prüfung, auch wenn Teile Prüfungen sein mögen. Gott wird in der Bibel nicht ausschließlich als "der Prüfer" beschrieben, man findet so etwas wie den Klassiker, der die Welt als geliebt und nicht als prüfungsbestimmt beschreibt (Johannes 3:16):
Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.
Zu 2): Sicherlich fügen sich manche Menschen selbst Leid zu. Aber offensichtlich passiert. Das sagt sogar schon das Alte Testament (Prediger 9:2):
Alles [geschieht] gleicherweise allen. Es kann dem Gerechten dasselbe begegnen wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem Unreinen, dem, der Opfer darbringt, wie dem, der keine Opfer darbringt; dem Guten wie dem Sünder, dem, der schwört, wie dem, der sich vor dem Eid fürchtet.
Zu 3): Das ist eine wertvolle Feststellung, die bitte unbedingt als Wahrheit im Hinterkopf behalten werden muss. Manche "Rettungen" sind natürlich einfach nicht zu erklären. Nichtsdestotrotz deckt das wirklich "nur" die Minderheit des Unheils ab, das wir sehen.
Zu 4): Wer so ewtas behauptet redet Unfug auf ähnlicher Ebene wie beim Wohlstandsevangelium. Der Herr Jesus selbst sagt etwas, das universellen Schutz vor Unglück komplett ausschließt (Matthäus 24:9):
Dann wird man euch der Drangsal preisgeben und euch töten; und ihr werdet gehasst sein von allen Heidenvölkern um meines Namens willen.
Soweit so gut bzw. eigentlich so schlecht. Gott sucht sich also augenscheinlich nach Seinem eigenen Gutdünken ohne Sinn oder System Situationen aus, in denen Er schützt und ignoriert andere.
Mitnichten! Es gibt tolles Buch in der Bibel, dass sich (u.a.) mit diesem Konflikt auseinandersetzt. Es ist das Buch Hiob. Hiob hatte ein tolles Leben, hat es dann aber irgendwann nicht mehr und erkennt selbst überhaupt kein System darin. Er weiß, dass er selbst unschuldig ist und sein Leid als gottesfürchtiger, gerechter Mann nicht verdient und auch Gott weiß das. Und prompt kommen drei Freunde hauen ihm Gotteslob sowie Verherrlichung der Gerechtigkeit Gottes um die Ohren (der Großteil davon findet sich übrigens sogar im Buch der Sprüche oder Psalmen wieder). Nachdem das ganze ein paar Runden dreht und Hiob sich wehrt sagt Gott selbst nach langer Zeit zum ersten der drei Freunde (Hiob 42:7b):
Mein Zorn ist entbrannt über dich und deine beiden Freunde, denn ihr habt nicht recht von mir geredet, wie mein Knecht Hiob.
Key Takeaway #1: Wir können Gott nicht in den Dienst unseres Glaubens oder unserer Unschuld/Gerechtigkeit stellen.
Hiob wird von Anfang als der Beste der Beste und Weiseste der Weisesten beschrieben udn damit hat Gott auch absolut kein Problem. D.h. wenn ein Mensch Ahnung von Schutzengeln hat, dann ja wohl Hiob. Nur erkennt der leider nach Gottes ausführlicher, wenn auch kryptischer Anwort (Hiob 42:3b):
Fürwahr, ich habe geredet, was ich nicht verstehe, Dinge, die mir zu wunderbar sind und die ich nicht begreifen kann!
Key Takeaway #2: Es ist völlig egal wie klug oder "theologisch" wir sind, wir werden den Grund für Ungerechtigkeit nicht peilen. Gott hingegen tut das und auf seine weise und zugleich liebende Entscheidung müssen wir vertrauen oder uns allein in der freien Fall begeben.
Hiob wird (siehe Key Takeaway #1) ja von Gott gelobt und sagt im Laufe der vorangehenden Diskussionen folgendes (Hiob 28:28):
und [Gott] sprach zum Menschen: »Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und vom Bösen weichen, das ist Einsicht!«
Key Takeaway #3: Egal wie gerecht/ungerecht, cool/uncool, lieblich/grausam, ... etwas sein sollte, der richtige Umgang ist Gott zuerst zu fürchten. Keinen Autounfall, keine Existenzbedrohung und auch keinen Terroristen: Gott ist der ehrfurchtgebietende.
(Die volle Antwort Gottes ist im Buch Hiob, Kapitel 38-41 zu lesen. Bitte nicht wundern, wenn das wie eine eigenartige Antwort rüberkommt: Das Buch besteht zu 98% aus dichter, hebräischer Poesie.)
Und noch eine letzte Sache: Der Teufel selbst ist zu Jesus gekommen und hat ihn auf etwas verwandtes wie Psalm 119:114, den du nennst, engesprochen (Matthäus 4:6b / Psalm 91:11-12):
Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich hinab; denn es steht geschrieben: »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht etwa an einen Stein stößt«.
Und wenn jemand wohl ein "Änhänger Gottes" ist, oder gerecht ist, oder gläubig ist, oder der Sohn Gottes ist, dann ist es ja wohl Jesus und kann diesen Anspruch auf Schutz erheben. Und trotzdem sagt Jesus, dass der Teufel keine Ahnung hat, wie man die (hebräische) Bibel verstehen darf (Matthäus 4:7 / 5. Mose 6:16):
Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht geschrieben: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!«
Uns steht es absolut nicht zu, Gott Vorwürfe zu machen oder von ihm oder Seinen Engeln Schutz einzufordern. Das ist nicht unsere Position. Das ist offensichtlich nicht einmal die Position Jesu selbst, der doch um einiges über jedem von uns steht.
"Das ist echt unbefriedegend", spüre ich mich selber bei diesen Worten denken. Das ist es auf jeden Fall, wenn man es so wie der Teufel oder die drei Freunde Hiobs macht und einige Bibelstellen zur Hand nimmt und Gott zum Geschöpf der eigenen Einbildung macht (Römer 1:25!). Wir dürfen aber darauf vertrauen, dass das genau so richtig ist, denn Key Takeaway #4 (Römer 5:8):
Gott aber beweist
seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.
Gottes Liebe ist bewiesen und damit vertraue ich, dass auch durch jedes noch so grausame Leid Gott gerecht sorgt.