Klar ist, dass Überwältigung immer schon Teil der Strategie von Autoritären ist. Sie wollen ihre politische Gegner mit so vielen Nebelkerzen wie möglich zermürben und hätten es am liebsten, dass die Opposition sich resigniert ins Private zurückzieht. Autor Timothy Snyder rät jedoch in seinem Büchlein „Über Tyrranei“ mit zwanzig Anregungen zum Widerstand gleich zu Beginn: „Leiste keinen vorauseilenden Gehorsam.“ Spätestens seit gestern fragen sich viele Leute, woher sie dafür überhaupt die Kraft nehmen sollen.
In Sachen Immigration, Welthandel, Umwelt und Gleichberechtigung will Trump das Land massiv umkrempeln, letztlich alles genau so, wie er es im Wahlkampf versprochen hat. Für Millionen Menschen beginnt damit endgültig eine Phase der Angst vor Deportation, Diskriminierung und steigendem wirtschaftlichen Druck. Auch in Deutschland fragen sich viele, wie sie mit den kommenden vier Jahren umgehen sollen.
"Nachrichten sind mir gerade zu viel“, höre ich häufig, wenn ich jemanden von meinem Beruf erzähle. Nach Trumps rasantem Start wird sich nun zeigen, ob es trotz dieser breiten Resignation auch genügend Strukturen und Energie gibt, die Republikaner in ihre Schranken zu weisen.
Fest steht auch: Der Mann hat keineswegs ein so eindeutiges Mandat, wie er es behauptet, gut zusammengefasst von Ezra Klein in der „New York Times“. Trump kam auf gut 31 Prozent der Stimmen der Wahlberechtigten, Kamala Harris erhielt knapp 31 Prozent – und etwa 37 Prozent der Menschen blieben daheim. Im Senat waren die Kandidaten der Trump-Partei in vier Fällen unterlegen, obwohl ihr Präsident eine Mehrheit erzielte. Und die Mehrheit im Repräsentantenhaus ist so knapp wie seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren nicht mehr. Gerade einmal 7000 Menschen in drei besonders umkämpften Wahlkreisen hätten sich für die Demokraten entscheiden müssen und die Republikaner wären in der Minderheit gelandet.
Barack Obamas einstiger Redenschreiber Dan Pfeifer unterstreicht, dass auch viele der ersten Entscheidungen Trumps unbeliebt sind. In Umfragen geben jeweils um die 60 Prozent oder mehr der Amerikaner an, dass sie wirtschaftliche oder gar militärische Maßnahmen ablehnen, um den Panamakanal oder Grönland zu US-Gebiet zu machen. Sie wollen an der Staatsbürgerschaft per Geburt festhalten und sagen, dass Ausgaben für Sozialhilfe und Gesundheit wichtiger seien als Steuersenkungen.
Pfeifer hatte bereits am Montag eine Liste mit Ideen für den Widerstand veröffentlicht. Er sagt konkret: „Man muss Trump nicht bei jedem Thema folgen.“ Pfeifer hat recht. Der 78-Jährige und seine Partei beherrschen es perfekt, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber manches davon dient der Ablenkung, anderes ist wirkungslose Symbolpolitik oder wird möglicherweise noch jahrelang vor Gerichten verhandelt, bevor es tatsächlich in Kraft tritt. Eine Möglichkeit hier: sich auf weniger Themengebiete konzentrieren, die persönlich wichtig sind und die andere bewusst auslassen.
Alle, denen das noch zu luftig erscheint, erhalten von Daniel Hunter konkretere Ratschläge, die sich zunächst auch auf die eigene Psyche beziehen. Hunter hat schon im Wahlkampf angefangen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen zu beraten, wie sie sich auf eine erneute Präsidentschaft Trumps vorbereiten können. Sein erster Ratschlag lautet: Vertraue dir selbst! Autoritäre würden immer versuchen, gesellschaftliches Vertrauen zu zerstören und den individuellen Kompass vieler Menschen infrage zu stellen.
Man dürfe sich nicht ausreden lassen, dass Werte wie Teilhabe und das Ende von Diskriminierung klar berechtigt seien, findet Hunter. Er rät darüber hinaus in neun weiteren sehr praktikablen Punkten unter anderem dazu, Gemeinschaften zu finden und zusammen Niederlagen und Verluste zu betrauern, aber auch gehen zu lassen, was man nicht ändern kann. Das heißt zum Beispiel konkret: Die Zeit, die man mit Wut oder Angst darüber verbringt, dass Elon Musk ohne Mandat bei Trumps Telefonaten mit Wolodymyr Selenskyj sitzt, ist wenig produktiv. Mögen wir uns im Privaten noch so sehr darüber entrüsten – es wird die beiden nicht ändern. Erst klar öffentlich geäußerte Ablehnung hilft. Und möglicherweise ist sogar eine konkrete Handlung zu einem praktikableren Thema im direkten Umfeld eine klügere Verwendung für die eigene begrenzte Kraft.
Anregungen dafür liefert der nicht mit Klarnamen versehene Bluesky-Account Prisonculture. Dessen Autor oder Autorin hat ein Google-Dokument mit sehr konkreten Vorschlägen für „Aktionen abseits von Protesten und Wahlentscheidungen“ erstellt. Warum nicht einen politischen Buchclub einrichten, Kuchen für Aktivisten backen oder bei Gruppen mitmachen, die Briefe gegen Einsamkeit schreiben? Das gibt es als „Post mit Herz“ oder „Schreib los!“ auch in Deutschland.
Quelle: RND, Redaktionsnetzwerk Deutschland
- Wie geht Ihr mit 4 Jahren Trump in den USA um?
- Wie glaubt Ihr könnte diese konservative Revolution in den USA Euer Leben in Deutschland beeinflussen?
- Kennt Ihr "Bluesky"?