Wieso veränderte sich die deutsche Sprache?

5 Antworten

Sprachen verändern sich mit der Zeit, manche schneller, andere weniger schnell.
Meist verändern sich Sprachen mit einer großen Anzahl von Sprechern (Englisch, Chinesisch usw.) schneller oder auch stärker als "kleine" Sprachen, die nur ein kleines Gebiet betreffen (Isländisch ist fast noch genau so wie zu Zeiten der Wikinger, dort gab es wenig Änderungen, da auch der Einfluss von außen immer gering war). Daher können Isländer noch fast problemlos die Texte der Edda (aus dem Mittelalter) verstehen, wir haben aber Probleme, einen althochdeutschen Text zu verstehen, denn ohne Kenntnisse brauchen wir eine Übersetzung dazu.

Deutsch ist eine mittelgroße Sprache (hat deutlich weniger Sprecher als z.B. Englisch, ist aber auch keine kleine Sprache wie Isländisch). Folglich verändert es sich auch stärker als z.B. Isländisch. Dennoch bleiben gewisse Dinge bestehen, so haben wir noch ein recht konservatives Kasussystem (Englisch und Schwedisch ticken da anders).

Veränderungen können zum einen die Aussprache betreffen, andererseits auch die Wortwahl (Lexik). Meine Oma (väterlicherseits) hatte noch einen sehr ausgeprägten moselfränkischen Dialekt gesprochen (im Saarland), also mit "eich" und "dau" statt "ich" und "du" (andere Aussprache) oder mit anderen Wörtern (sie sagte "sier" statt "schnell", das Wort gibt es noch in Luxemburg als "séier").

Englische Wörter nutzte sie gar nicht (heute nutzen wir eine riesige Menge davon, ohne dass wir groß drüber nachdenken müssten). Dafür brachte sie mir ein paar französische Wörter bei. Einmal sagte sie mir, es gäbe "Rotz" im Fernsehen. Ich wusste zuerst nicht, was sie meinte, aber ich schaute nach, es gab "Roots" (Wurzeln).

Dialekte sind fast überall auf dem Rückzug. In den Städten wird heute fast überwiegend Hochdeutsch statt Dialekt gesprochen, und wer Schwäbisch hören will, sollte besser nicht nach Stuttgart fahren, sondern weiter in den Süden (auf die Alb).

Natürlich sage ich zu meinem Kollegen nicht "sier", der würde mich eher seltsam anschauen (im Schwäbischen ist das Wort unbekannt). Ich weiß nun auch, was ein "Breschdlingsgsälz" ist (Erdbeermarmelade), aber zu meinem Schwager (aus Hamburg!) würde ich das eher nicht sagen, zumindest nicht ohne zusätzliche Erläuterung.

Bei euch in der Familie scheint es ja eine hohe sprachliche Konstanz gegeben zu haben. Das kann schon sein, anderswo kann es aber auch anders ablaufen. Je öfter man umzieht (ich bin 5 mal umgezogen), umso mehr merkt man auch die sprachlichen Unterschiede in Deutschland.

Im Englischen ist der Unterschied recht deutlich zu sehen. Lies mal einen Shakespeare-Text und vergleiche mit modernem Englisch. Heutiges Englisch will einerseits gerne "einfach" sein, nimmt aber doch eine ganze Menge neuer Einflüsse auf und verändert sich ständig. Shakespeare-Englisch kann man noch verstehen, dennoch muss man mitunter was nachschauen.

"Das muss man erstmal lernen." Die Frage ist ja nun, was genau.
Wir mussten als Kinder erst mal Hochdeutsch lernen. Früher sagte ich "eich hann kalt" = "ich habe kalt" - das war für mich völlig normal. Jedoch sagt man "mir ist kalt". Bei uns war "kalt haben" normal (wie im Französischen "j'ai froid"), bei uns hat man auch nicht "abgenommen", sondern "abgeholt", wenn man Gewicht verloren hat.

Hascht dau abgeholl? (Hast du abgenommen?)

Unser Deutschlehrer hatte seine liebe Mühe, uns die richtige Aussprache von "König" beizubringen. Ich weiß noch, dass wir als Kinder beim Spielen einen "Keenisch" hatten. Und das Wetter ist in manchen Teilen Deutschlands auch nicht "schön", sondern "schee".

Nur im Hochdeutschen reimt sich:
"Liebe Kinder, gebt fein acht,
ich habe euch etwas mitgebracht."

"Liwwe Kenner, awei passent mol uff,
eich hann eich eppes mitgebrung."

Aber natürlich gibt es auch Gegenden in Deutschland, die schon seit vielen Jahrzehnten (oder noch länger) bevorzugt Standarddeutsch nutzen. Die Randlagen Deutschlands haben oft aber immer noch starke dialektale Abweichungen (Saarland, der Schwarzwald, Ostbayern usw.).


Waterfight 
Beitragsersteller
 12.09.2024, 10:09

Ich komme aus Ostbayern :)

Das lief über Jahrhunderte ab, hatte auch mit Migrationsbewegungen zu tun. Google mal nach "Monotongierung und Diphtongierung". Ich kann hier nicht sehr ausführlich werden, schließllich ist das ein Studium von etlichen Semestern (Prof kommt rein und fragt: "Spricht hier jemand gotisch?")

Wenn Deine Uroma mit Dir redet, könnte Dir schon auffallen, dass sie Dinge anders ausspricht und betont als Du das tust, aber Deine Uroma ist nicht alt genug, dass Du eine echte Veränderung bemerkst, Aber deren Uroma - die vielleicht um 1830 geboren ist - würdest Du wohl noch verstehen, aber Unterschiede bemerken. Und sie würde Dich vermutlich kaum verstehen.

Und dann bedenke bitte noch, dass wir in Deutschland eine Vielzahl von Dialekten haben, die früher viel ausgeprägter waren!


Waterfight 
Beitragsersteller
 09.09.2024, 19:47

Okay aber was war genau der Punkt damit sich das so weiter entwickelt hat also das die Mutter mit ihrem Kind anders spricht als Sie es von ihrer Mutter erfahren hat.

Weil wenn man mal die Sprache vor 1000 Jahren oder so anschaut dann ist das ja etwas ganz anderes und man versteht ja kein Wort

ntechde  09.09.2024, 20:10
@Waterfight

Nein, so funktioniert das nicht. Ich geb Dir ein Beispiel:

Der just ausgelernte Schmied Heiner zieht auf seiner Walz in die Welt! Er lernt andere Gegenden, andere Dialekte und vielleicht Fremdsprachen kennen. Er verlobt sich und bringt seine frisch angetraute Liebe mit in Vaters Werkstatt.

Die reden auf einmal komplett anders als die Leute im Dorf! Natürlich passen sie sich an, aber die Dörfler übernehmen auch Ausdrücke und Betonungen von unserem Heiner (und seiner vielleicht gar ausländischen Frau - weil's chic ist)!

Sein Kumpel war auch einmal im Ausland und gewöhnt sich die Ausdrucksweise von Heiner an. Und schon wandelt sich im Dorf der Dialekt.

Und jetzt übertragen wir das auf unsere Zeit: Unter den Jugendlichen wird eine türkische Betonung und Ausdrucksweise modern. "Wallah!". Und "Talahon-Sprech" wird in einer Bevölkerungsgruppe auch angesagt. (*grusel*) Wir dürfen davon ausgehen, dass sich beides in der Umganssprache unserer Urenkel wiederfindet.

Ob's uns (die wir dann Uropas sind) Spass macht, oder nicht!

Also meine Antwort: Es gab nie einen ganz bestimmten "Punkt".

OlliBjoern  11.09.2024, 23:38
@Waterfight

Das ist eine gute Frage. Ich zitiere mal was:

"Lautverschiebungen lassen sich in der Geschichte vieler Sprachen beobachten. Sie treten schubweise auf, wobei der neue Zustand dann jahrhundertelang unverändert Bestand haben kann. Über die Auslöser so tiefgreifender Verschiebungen im Lautsystem einer Sprache besteht kein Konsens, da vermutlich nicht von einer einzigen, sondern unterschiedlichen Auslösern auszugehen ist, die zudem auch noch zusammenwirken können. Die wichtigsten bekannten Auslöser sind das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sprachvarietäten (Sprachkontakt) und die Vereinfachung artikulatorischer Abläufe aus physiologischen Gründen oder der Veränderung des Sprechtempos (Sprachökonomie)."

Mitunter möchte man etwas vereinfachen.
Nimm mal das Wort "wann" - im Niederländischen ist das "wanneer".
Im Schwedischen heißt es "när".

Du siehst wahrscheinlich, dass sowohl Deutsch als auch Schwedisch das früher mal zweisilbige Wort verkürzt haben. Deutsch nahm den ersten Teil (wann), Schwedisch den zweiten Teil (neer/när).

Oder "Automobil", wir sagen "Auto" (heute!).
Die Schweden sagen (du kannst es vielleicht schon erraten?) "bil".

Oder die Aussprache wurde als schwierig empfunden.
Das Wort für die Zahl 8 war im Chinesischen mal prjat.
Das ist nicht so leicht zu sprechen. Das empfanden die Chinesen auch so, heute heißt das Wort einfach bā.

Andere schoben noch einen Vokal ein. "pa riat" - auch das ist leicht zu sprechen.
Da es verschiedene Arten der Vereinfachung gibt, gibt es dazu auch unterschiedliche Lösungen.

Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Manchmal aus Effizienzgründen, weil es einfacher und billiger war, bestimmte Worte bspw. kürzer oder mit weniger Buchstaben zu schreiben. Beispielsweise wurden Worte wie "Swin" zu "Schwein", währned Worte die mit sp- oder st- beginnen zwar mit "Sch" gesprochen werden, aber weiterhin nur mit einem Konsonanten geschrieben werden.

Oft ist auch Migration eine Ursache von sprachlichen Veränderungen. Auch der Einfluss von Religion spielt eine Rolle.

Eine lebendige Sprache ist immer in der Entwicklung.

Heute ist die Sprache durch die Schrift festgelegt

Seit es Medien gibt gleicht Sprache sich an

Vor mehrern hundert Jahren gab es noch keine Schulpflicht und es konnte nicht jeder schreiben

fast in jedem Dorf sprach man einen anderen Daialekt


Waterfight 
Beitragsersteller
 09.09.2024, 19:46

Ja eben wenn man in jedem Dorf einen anderen Dialekt gesprochen hat wie konnte sich dann die Sprache vereinheitlichen

Waterfight 
Beitragsersteller
 09.09.2024, 19:48
@Dingeldei

Ja aber vor 500 Jahren gab es noch keinen TV die Sprache hat sich ja auch in der Zeit von 500 nach Christus bis 1500 nach Christus stark weiterentwickelt ohne TV

Waterfight 
Beitragsersteller
 09.09.2024, 19:54
@Dingeldei

Ja aber was ist der Auslöser für diese langsame Vereinheitlichung und das auch noch bei so ziemlich allen Menschen im gleichen Land gleich

Svarerus  09.09.2024, 20:11
@Waterfight

Die Medien (Bücher, Zeitschriften, Radio, Fernsehen, Internet) waren der Auslöser. Begonnen hatte es damit, dass die Menschen Lesen und Schreiben gelernt haben.

Vorher haben sie einfach nur das, was sie gehört haben, nachgesprochen. Dadurch konnte sich die Sprache leicht verändern.

Die Schrift hat auch eine Kontrollfunktion. Man kann das, was man gehört hat, nachlesen und bemerkt dabei Fehler, die man beim Sprechen gemacht hat, weil man sich bei manchen Wörtern verhört hatte.

adabei  10.09.2024, 21:42
@Waterfight

Sehr viel hat Luthers Bibel-Übersetzung zur Vereinheitlichung beigetragen.