Wieso wird Finnland in den letzten Jahren immer schlechter bei PISA?

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"[...]Viele Schulen in Finnland haben die Schulbücher abgeschafft und durch Arbeitsblätter aus dem Internet ersetzt, die nicht immer gut aufeinander abgestimmt waren. Eine Qualitätskontrolle fand nicht statt. Und einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auch aus meiner eigenen Fakultät, unterstützten damals diese Idee, die Schulbücher abzuschaffen. Sie sagten, sie seien altmodisch, zu strukturiert. Es gäbe keine Freiheit für das Kind, sein Lernen selbst zu steuern.

Und in den letzten fünf bis zehn Jahren wurden in vielen Schulen die Klassenräume ganz abgeschafft. Die neu gebauten Schulen sehen nicht wirklich wie Schulen aus – keine Klassenzimmerwände, oft keine richtigen Tische, nur weitläufige, offene Räume. Und gerade diese Schulen haben viel Kritik auf sich gezogen. Ich kenne mindestens drei Schulen in Helsinki, die solche Probleme hatten, dass sie nachträglich Klassenzimmerwände einbauen mussten.

Viele sehen im selbstgesteuerten Lernen die Zukunft guter Schule – auch viele Personen aus der Bildungsforschung. Wie passt das zu den sinkenden Leistungen?

Salminen: Viele Konzepte, die in der Bildungsforschung entwickelt werden, sind in der Schule nur schwer umsetzbar. Solche Konzepte müssen sorgfältig entwickelt und ausgiebig erprobt werden. Das ist bei uns nicht geschehen. In den letzten 20 Jahren ist die Kluft zwischen Rhetorik und Realität immer größer geworden, die Lehrkräfte sind immer erschöpfter und die Ergebnisse immer schlechter.

Für ein durchschnittliches Kind ist es nicht einfach, selbstgesteuert zu lernen. In einer normalen finnischen Schulklasse mit 25 Kindern sind vielleicht fünf dazu in der Lage, der Rest nicht. Und es gibt vielleicht sechs oder sieben Kinder, die eine viel strukturiertere Umgebung brauchen. Sie brauchen Ruhe, um sich konzentrieren zu können. Sie brauchen ihren eigenen Platz zum Lernen, einen normalen Schreibtisch.

Wie sehen finnische Lehrkräfte diese Reformen?

Salminen: Viele Lehrkräfte sind wütend über die Entwicklung der letzten zehn Jahre. Sie geben ihr Bestes, und in der Vergangenheit waren Lehrkräfte in der finnischen Gesellschaft hoch angesehen. Viele Eltern unterstützen sie immer noch und freuen sich, wenn ihr Kind den Lehrerberuf ergreift. Ich gebe ihnen nicht die Schuld an den Problemen. Diese Ideen kommen von den pädagogischen Fakultäten der Universitäten, von den Behörden und von der Politik. [...]"

https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/finnland-was-ist-fuer-den-pisa-absturz-verantwortlich/ 6.12.23

Herr Salminen ist Fachmann und äußert sich selbstkritisch:

"Und die Digitalisierung ist derzeit eines der am meisten kritisierten Themen. In Finnland wird sogar über ein Handyverbot an Schulen diskutiert, weil sich viele Schülerinnen und Schüler nicht mehr konzentrieren können."

Die Entwicklung hat 2006 begonnen.

Freilich, die Äußerung eines Fachmanns ist noch kein Beweis. Insofern müsstest du noch nach weiteren Aussagen suchen.

Die Einwanderung hat auch dort vor allem seit ca. 2010 drastisch zugenommen. Finnland hatte immer weniger Ausländer als die anderen skandinavischen Staaten, aber dies ändert sich seit über einem Jahrzehnt zusehends.