Wie wird eine Cellobiose gebildet?

3 Antworten

Moin,

ich muss dich leider korrigieren, weil das so nicht stimmt, was du schreibst. Schau mal:

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Wenn du die offenkettige form der Glucose (links) so ringartig drehst, dass die Carbonylgruppe an C1 in die Nähe der Hydroxygruppe an C5 kommt (Mitte), dann kommt es zu einer intramolekularen Ringbildung (in diesem Fall entsteht eine Pyranose, also ein Sechsring (Bilder rechts).

Vorab etwas zum begrifflichen Verständnis: Bei dieser Ringbildung wird eine Bindung zwischen dem Sauerstoff der Hydroxygruppe an C5 geknüpft, wobei der Wasserstoff dieser Gruppe auf den Carbonylsauerstoff verlagert wird. Da sich die Summenformel nicht ändert, aber verschiedene Strukturen entstehen, handelt es sich um Isomerie. Weil die Struktur anders wird, geht es um eine Konstitutionsisomerie. Und weil dabei eine Doppelbindung und ein Proton (H^+) verlagert werden, spricht man auch von einer Tautomerie.
Am Carbonylkohlenstoff entsteht bei dieser Ringbildung eine neue Hydroxygruppe. Weil dieses Kohlenstoffatom zuvor eine Carbonylgruppe war, danach aber eine Hydroxygruppe trägt, bezeichnet man dieses Kohlenstoffatom als „anomeren Kohlenstoff” (nur an dieser Stelle ist eine Ringöffnung möglich, indem die Ringbildung wieder rückgängig gemacht wird).
Die entscheidende Gruppierung, die bei der Ringbildung in Bezug auf C5, O und C1 entsteht bezeichnet man als Halbacetal:

C–O–C–OH
halbacetalische Gruppierung (anomeres Kohlenstoffatom fett dargestellt)

Die Ringbildung lässt sich nur umkehren, wenn das anomere Kohlenstoffatom eine Hydroxygruppe trägt, also Bestandteil eines Halbacetals ist.

Nun zurück zur alpha- und beta-Glucose.

Wenn du dir in der oberen Darstellung das mittlere Bild anschaust, dann siehst du, dass die Bindung zwischen dem Carbonylkohlenstoff C1 und dem nächsten Kohlenstoffatom C2 eine Einfachbindung ist. Um Einfachbindungen können die Bindungspartner gedreht werden. Wenn man also die Carbonylgruppierung gedanklich dreht, dann kann der Carbonylsauerstoff mal nach unten zeigen (wie im Bild zu sehen ist) oder nach oben.
Tja, und nun ist es entscheidend, welche Position der Carbonylsauerstoff gerade einnimmt, wenn es zur intramolekularen Ringbildung kommt. Schaut er nach unten, dann befindet sich auch die durch die Ringbildung entstehende Hydroxygruppe am anomeren Kohlenstoff unterhalb des Rings. Diese Position bezeichnet man als „alpha-Stellung” (oberes rechtes Bild). Befand sich der Carbonylsauerstoff dagegen gerade oben, dann liegt die entstehende Hydroxygruppe oberhalb des Rings (rechtes unteres Bild). Dies bezeichnet man als beta-Position.

Das bedeutet, dass alpha- und beta-Glucose Anomere zueinander sind. Das sind Isomere, die sich durch die Stellung der Hydroxygruppe am anomeren Kohlenstoff unterscheiden.

Wie du jetzt hoffentlich leicht einsiehst, können sich alpha-Glucose und beta-Glucose ineinander umwandeln. Das passiert so, dass sich die eine Ringform kurzzeitig wieder öffnet, es dann zu einer Drehung der Carbonylgruppe um die Einfachbindung zum C2-Atom kommt und sich schließlich der Ring wieder schließt. Dieses Phänomen bezeichnet man als Mutarotation. Darin stecken die Wörter Mutation (= verwandeln) und Rotation (= Drehung), also ist die Mutarotation eine Umwandlung der Molekülform, die durch die Drehung (um eine Einzelbindung) zustandekommt.

So! Nachdem nun geklärt ist, was alpha- bzw. beta-Glucose in Wirklichkeit ist, können wir die Bildung von Maltose respektive Cellobiose angehen...

Wenn du zwei Moleküle des Monosaccharids alpha-Glucose hast, dann können sich diese beiden Einzelmoleküle zu einem Zweifachzucker (einem Disaccharid) verbinden. Dies geschieht durch das Abspalten eines kleinen Wassermoleküls. Immer wenn sich zwei (größere) Einzelmoleküle zu einem (noch größeren) Molekül unter Abspaltung eines kleineren Moleküls (häufig Wasser) verbinden, spricht man von einer Kondensationsreaktion. Und immer, wenn sich in einer Kondensationsreaktion ein Zuckermolekül mit einem anderen Molekül verbindet, nennt man die resultierende Verknüpfung eine „glycosidische Bindung”. Die Zuckerkomponente ist dabei das Glycon, der Bindungspartner das sogenannte Aglycon (auch wenn es sich dabei ebenfalls um einen Zucker handelt).

Bei Maltose verbindet sich nun zwei Glucosemoleküle unter Wasserabspaltung zu Maltose:

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Wie du siehst, zeigt die Hydroxygruppe am anomeren Kohlenstoff C1 der Glucosemoleküle nach unten. Es handelt sich daher bei beiden Molekülen um eine alpha-Glucose. Außerdem siehst du, dass auch die Hydroxygruppe am Kohlenstoffatom C4 vom Ring nach unten gerichtet ist. Wenn sich nun diese beiden Hydroxygruppen (von C1 und C4) soweit annähern, dass es zur Kondensationsreaktion kommt, dann wird einmal Wasser abgespalten (siehe das „–H2O” auf dem Reaktionspfeil) und es bildet sich eine Sauerstoffbrücke zwischen den ehemals einzelnen Glucosemolekülen. Weil diese intermolekulare Etherbrücke zwischen den Kohlenstoffatomen C1 des einen und C4 des anderen Glucosemoleküls liegt, ist das eine 1--->4-glycosidische Bindung. Und weil die Hydroxygruppe am anomeren Kohlenstoffatom C1 in alpha-Stellung war, als die Verknüpfung passierte, handelt es sich um eine alpha-1--->4-glycosidische Bindung. Alles klar?

Übrigens ist an der glycosidischen Bindung in der Maltose noch etwas bemerkenswert: Durch die Verknüpfung veränderte sich die halbacetalische Gruppierung des linken Glucosemoleküls zu einem Vollacetal:

C5–O–C1–O–H (Halbacetal)
wurde zu
C5–O–C1–O–C4... (Vollacetal)

Ohne das Wasserstoffatom am Sauerstoff der Hydroxygruppe an C1 ist eine Ringöffnung an dieser Stelle nicht mehr möglich! Das bedeutet, dass sich eine vollacetalische Gruppierung an einem anomeren Kohlenstoffatom eines Zuckerrings nicht mehr öffnet. Hier kann es also nicht mehr zur Rückbildung eines Carbonyls oder zur Mutarotation kommen.

Am anomeren Kohlenstoff C1 des anderen (rechten) Glucosemoleküls in der Maltose ändert sich dagegen nichts. Hier kann es zur Rückbildung der Carbonylgruppe und auch weiterhin zur Mutarotation kommen.

Cellobiose:

Bild zum Beitrag

Das Disaccharid Cellobiose entsteht nun, wenn eine beta-Glucose (Stellung der OH-Gruppe an C1 nach oben) mit einer nach unten gerichteten Hydroxygruppe an C4 eines anderen Glucosemoleküls glycosidisch verknüpft wird.
Es entsteht also in einer Kondensationsreaktion unter Abspaltung von Wasser eine beta-1--->4-glycosidische Bindung.

Für diese Verknüpfung gibt es verschiedene Darstellungsmöglichkeiten. Sollen die beiden Glucopyranosen auf einer Höhe (in einer Zeile) sein, muss man entweder den oben gewählten Weg der Darstellung gehen und die glycosidische Bindung als Zickzachlinie einzeichnen (sie oben). Oder man spiegelt das beta-Glucosemolekül:

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Wenn die Pyranoseringe nicht in einer Zeile sein müssen, gibt es noch diese Möglichkeiten:

Bild zum Beitrag

oder als Sesselform (mit gespiegelter zweiter Glucose):

Bild zum Beitrag

Das anomere Kohlenstoffatom der beta-Glucose ist wieder vollacetalisch blockiert. Hier geht eine Ringöffnung nicht mehr. Das andere anomere Kohlenstoffatom ist nur halbacetalisch, so dass hier die Ringöffnung nach wie vor möglich ist (deshalb ist die rechte OH-Gruppe über diese Schlangenlinie verbunden, weil sie in alpha- oder beta-Stellung stehen kann).

Puh, fertig. Ich hoffe, dir ist das alles jetzt etwas klarer geworden.

LG von der Waterkant

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indiachinacook  01.06.2020, 19:13

Wow, das ist ja ein halbes Lehrbuch, das Du da schreibst! DH!

Waliyah07 
Beitragsersteller
 01.06.2020, 17:40

Dankeschön :)

Sowohl Maltose als auch Cellobiose befindet sich in zwei Formen, alpha und beta

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Glucose liegt (in der RIngform, also so gut wie immer) eintweder als α oder β vor; die beiden könen sich rasch ineinander umwandeln, indem sich der Ring kurzzeitig öffnet und dann wieder schließt.

Wenn Du ein Disaccharid aus zwei Glucose-Molekülen machst, dann kann jeder der bei­den Ringe α- oder β-konfiguriert sein. Aber nur einer davon (und manchmal gar kei­ner, siehe unten) kann sich noch umwandeln; der andere ist durch die Ver­knüp­fung („gly­co­si­di­sche Bindung“) fixiert.

Die beiden Disaccharide Cellobiose und Maltose sind genau gleich gebaut: Der Koh­len­stoff 1 des ersten Ringes ist mit dem Kohlenstoff 4 des zweiten Ringes zu­sam­men­gehängt. Aber der Kohlenstoff 1 des ersten Ringes kann dabei α oder β sein, und des­halb be­kommt man zwei mögliche Zucker, nämlich Maltose α(1→4) und Cello­biose β(1→4). Maltose sieht also aus wie ein kleines Bruchstück von Stärke (viele nach­ein­an­der α(1→4) verknüpften Glucosen), und Cellobiose sieht aus wie ein klei­nes Bruch­stück von Cellulose (viele nacheinander β(1→4) verknüpften Glucosen). Als Kon­se­quenz davon ist Cellobiose in Wasser viel schlechter löslich als Maltose.

Aber beide Biester haben ja noch ein anomeres Kohlenstoffatom 1 am zweiten Ring, das ist frei und kann sich immer noch zwischen der α- und der β-Form hin- und her­ver­än­­dern. Deshalb gibt es α-Maltose und β-Maltose, und α-Cellobiose und β-Cello­biose. Die griechischen Buchstaben beziehen sich dabei nur auf den zweiten Ring, bei dem die Konfiguration am anomeren Kohlenstoff 1 noch frei ist.

Genau dasselbe Spiel kannst Du auch mit Isomaltose α(1→6) und Gentiobiose β(1→6) spielen — bei diesen Molekülen ist die glycosidische Bindung zwischen den C-Atome 1 des ersten Ringes und 6 des zweiten Ringes, aber sonst ist alles gleich. Beide kommen also sowohl in einer α- als auch in einer β-Form vor (am zweiten Ring).

Anders ist es aber bei der Trehalose — die besteht auch aus zwei Glucose-Einheiten, aber die sind 1→1 verknüpft, wobei Kohlenstoffatome 1 an beiden Ringen in einer fi­xier­ten α-Konfiguration vorliegen. Hier gibt es also keine weitere Möglichkeit für α- und β-Isomere, es kann nur eine Trehalose geben. Die beiden anderen denkbaren Iso­mere (weiß jemand, wie sie heißen?) wären α(1→1)β und β(1→)β, aber die kriegt man nicht einfach, indem man Trehalose in Wasser wirft und wartet, daß sie sich um­wan­delt (genausowenig wie sich Maltose und Cellobiose inneinander um­wan­deln können).

Zucker mit dieser Eigenschaft wer­den auch nichtreduzierend genannt, weil sie nicht den Fehling-Test geben; das be­kann­te­ste Beispiel ist Saccharose, aber die besteht ja nicht aus zwei Glucose-Mole­kü­len, son­dern aus einer Glucose und einer Fructose. Die Verknüpfung ist α(1→2)β (bei der Fructose ist das anomere Atom ja nicht Kohlenstoff 1 sondern Kohlenstoff 2).

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik