Wie war das für Jugendliche aus der BRD oder aus West-Berlin wenn sie vor dem Mauerfall in der DDR waren, für einen Tagesbesuch oder sogar als Klassenfahrt?

7 Antworten

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Waren wir tatsächlich 1984? in Ostberlin. Es roch erbärmlich nach Hausbrand und man hatte Mühe das Ostgeld los zu werden, wenn das Schnitzel 2,53 Mark und das Bier 0,79 Mark kostet. Ich meine, dass wir den Rest einer Oma geschenkt haben.


Woropa 
Beitragsersteller
 02.04.2024, 13:50

Was bedeutet Hausbrand ? Dass ein Haus gebrannt hat ? Ich kenne den Ausdruck nicht.

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lesterb42  02.04.2024, 15:40
@Woropa

Hausbrand ist das, was im Haus im Ofen verbrannt wird. Im Osten war das sehr häufig schwefelhaltige Braunkohle. Entsprechend roch das dann.

Danke für das Sternchen.

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Es war bedrückend. Ein Grenzer in Berlin starrte mir die ganze Zeit in die Augen, wollte wohl, dass ich wegsah, um mich dann zu maßregeln, wie ich bei Mitschülern vor mir in der Schlange beim Fußgänger-Grenzübergang mitbekommen hatte - die hat er so richtig angebrüllt, sie sollten ihn gefälligst ansehen. Als ich dann dran war, habe ich einen kleinen Trick angewendet und ihm in den Bereich der Nasenwurzel gestarrt - das sieht für das Gegenüber so aus, als würde man genauso zurückstarren. Es war ein etwa zweiminütiges "Blickduell", keiner gab nach, aber ich wollte mich nicht auch anschreien lassen. Unserem Begleitlehrer ging total die Düse, weil er - hinter mir in der Schlange - nicht sehen konnte, was da geschah und wieso es nicht weiterging...

Der Grenzübertritt war aber schon an der innerdeutschen Grenze gruselig gewesen: Unsere Reisepässe wurden im Bus eingesammelt, und es gab eine nachnamenstechnisch alphabetisch sortierte Liste - wir bekamen alle eine individuelle Nummer zugeteilt. Ich war die 3 - das weiß ich bis heute. Doch zuvor war ein Grenzer in den Bus gekommen und brüllte den Fahrer zusammen, der, weil er nicht eingewiesen worden war, wie es üblich war (der Busfahrer hatte sehr viel Erfahrung hinsichtlich Transitreisen nach Berlin und Polen), den Bus vor einem Schlagbaum wartend abgestellt hatte. Da kam ein Grenzer angerannt, schon wüst gestikulierend, und als er in den Bus kam, schrie er den Fahrer an, was er da so blöd herumstehen würde! Der Fahrer gab an, nicht eingewiesen worden zu sein und sagte: "Und da dachte ich..." Weiter kam er nicht, denn der Grenzer brüllte: "SIE SOLLEN NICHT DENKEN!" Empörtes Raunen ging durch den Bus mit etwa 30 Schülerinnen und Schülern - unsere beiden Begleitlehrer warfen uns beschwörende Blicke zu.

Unser Bus ist zur "Strafe" dann "ein bisschen" länger durch- und untersucht worden... Als wir über Drewitz/Dreilinden hinweg und auf der AVUS waren, waren alle erleichtert.

Ja, die 25,- M waren schwer zu investieren. Selbst in einer renommierten Buchhandlung war das Angebot zu dem Zeitpunkt nicht reizvoll - immerhin konnte ich ein Buch erwerben, das mich interessierte. Was ich am schlimmsten fand: Wir waren in einer Gruppe von 3 Mädchen unterwegs und wurden öfter unverschämt behandelt, teils sogar angepöbelt. "Wessi-Tussis" nannte uns einer abfällig und meinte, wir hätten in seinem Land nichts verloren. Dabei waren wir freundlich - wir waren ja zu Gast.

Wir wurden teilweise nicht bedient, obwohl wir uns anständig und keineswegs überheblich benahmen (weswegen auch?). Aber es gab auch sehr nette Menschen - einer hat sich lautstark in einem Eiscafé dafür eingesetzt, dass wir bedient wurden. Gut, im Nachhinein muss ich immer noch über die Formulierung schmunzeln, die er benutzte: "Die Mädchen können doch nichts für ihre Herkunft." Wir wussten es aber richtig zu nehmen. ;-)

Was ich am krassesten fand, war der Kontrast zu West-Berlin: Da war zwar alles nicht unbedingt sauber, aber es war erheblich farbenfroher - der Unterschied war wirklich heftig, und ich hatte es immer für ein Klischee gehalten, wenn jemand diesen Eindruck so schilderte. Hier sah ich: Ich hatte das gleiche heftige Kontrasterlebnis.

Im Westteil der Stadt Berlin roch es der Abgase wegen auch nicht nach Veilchen, aber hier war der Geruch für uns extrem unangenehm: Es lag an der Verfeuerung von Braunkohle und dem Zweitaktergemisch der vielen Trabis, die herumknatterten.

Ein lehrreiches Erlebnis. Aber nicht nur negativ. :-) Es gab eben auch sehr nette Leute (leider auch das Gegenteil, aber das ist ja überall so). :-)


Bellezza0408  31.07.2024, 16:21

Herzlichen Dank für den Dank! :-) Ich könnte noch ewig weitererzählen. :-)

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Kenne es nur aus Erzählungen einer Lehrerin: die war mit einer Klasse in Ost-Berlin, alle hatten so viele Ostmark übrig, dass sie letztlich Blumen gekauft und diese an Passanten verschenkt haben.


theyl  01.04.2024, 11:42

Die Ostmark hatten wir auch immer übrig...
Das Geld ist man ja einfach nicht losgeworden.

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West-Berliner mussten erstmal umständlich ein Visum beantragen. An festgelegten Grenzübergängen musste man lange warten und kam mit vielen Kontrollen „rüber“. Als Kind war das einerseits langweilig, andererseits auch etwas beängstigend/ gruselig.

Wir haben da entweder Verwandte besucht (dann haben die das Geld bekommen) oder waren auf der Museumsinsel oder in Sanssouci. Das Geld ging dann für Eintritt und einen Imbiss drauf oder für Bücher - gerade die Kinderbücher waren in der DDR sehr ordentlich und günstig. Auch Klassiker konnte man durchaus kaufen oder etwas über Sehenswürdigkeiten wie Sanssouci oder den Dom. Nicht jedes Buch war ideologisch.

Ansonsten war man halt nicht zum Shoppen da, das konnte man ja auch zuhause. Doof fand ich allerdings, dass man beim Essen nicht die gewohnten Produkte bekam, also zum Beispiel ein Eis mit Erdbeeren nicht mit frischem Obst kam, sondern mit grauen Dosenerdbeeren.

Kulturschock würde ich nicht sagen, man war ja drauf vorbereitet, dass das irgendwie anders sein wird. Das Eiserlebnis war allerdings ein kleiner Schock, wahrscheinlich weiß ich es nur deshalb noch so genau.

Eigentlich ziemlich normal.
Ich fande nur alles ziemlich grau (Gebäude), die Straßen waren eine Katastrophe und an der Grenze hat es ziemlich lange gedauert. Besonders bei er Ausreise.