Wie sollte Anna sich entscheiden?
Anna arbeitet in einer Kanzlei. Sie verdient alleine den Unterhalt der Familie und ist stolz darauf. Ihr Mann, Vater ihrer beiden minderjährigen Kinder, kümmert sich, seitdem er durch einen Unfall querschnittsgelähmt ist, um den Haushalt und die Kinder. Ihr Sohn ist Tierschützer und setzt sich gegen Tierversuche ein. Das hat er von seiner Mutter, die ebenfalls gegen Tierversuche ist, wenn auch mit weniger Engagement als ihr Sohn. Anna ist stolz darauf, ihrer sprachbegabten Tochter bald das bereits versprochene Auslandsjahr in den USA ermöglichen zu können.
Eines Tages geht die Kanzlei pleite, da Annas Chef seinen Angestellten zu viel Gehalt bei sinkenden Mandaten gezahlt hat und das aus Naivität verschleiert hat. Anna hat keine ähnlich gut bezahlte Stelle in Aussicht. Am Abend geht Anna in die örtliche Kneipe, fest entschlossen, ihren Kummer zu ertränken. Dort trifft sie Benno. Die beiden waren gute Freunde in der Schule, haben sich aber aus den Augen verloren, auch deshalb, weil Benno ein hoher Angestellter in einer Kosmetikfirma ist, die mit Tierversuchen arbeitet. Anna erzählt ihm von ihrer Situation und prompt bietet er ihr an, sie in seiner Firma einzustellen. Er versucht, sie mit dem hohen Gehalt zu locken, das sie verdienen würde. So könnte sie beispielsweise den vergleichsweise guten Lebensstandard ihrer Familie erhalten und ihrer Tochter das Auslandsjahr finanzieren.
Wie sollte Anna sich entscheiden? Sollte sie ihren Prinzipien treu bleiben und versuchen, die Familie mit deutlich schlechter bezahlten Jobs über Wasser zu halten? Oder sollte sie das Angebot von Benno annehmen und damit ihre Prinzipien verraten, dafür aber ein gutes Gehalt verdienen? Entscheidet.
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19 Antworten
Wenn man schon gegen Tierversuche ist, sollte man doch vor allem gegen Tierversuche sein, die nur für kosmetische Mittel sind. Da hätte ich eher erwartet, dass die Familie mal ihre Haltung überdenkt, wenn es um Tierversuche geht, welche die Heilung von Querschnittgelähmten zum Ziel hat.
Wenn ein Mann sich trotz Lähmung noch um den Haushalt kümmern kann, ist er doch ziemlich fit. Da hat er gute Chancen, eine gute Arbeit zu finden. Und auch Anna hat ja noch nicht einmal begonnen, eine neue Stelle zu suchen. Mit ihrer Ausbildung sollte da auch einiges möglich sein.
Ich finde es auch problematisch, wenn eine Frau sich auf so ein Mitleidsangebot eines ehemaligen Schulfreundes einlässt, wenn ihr Mann handicapiert ist. Das wird garantiert zu Spannungen führen. Umgekehrt ist es auch fragwürdig, wenn ein Mann so ein Angebot einer ehemaligen Schulfreundin annimmt.
Anna sollte das Angebot von Benno annehmen. Die Moral steht in diesem Falle auf ihrer Seite. Sie trägt Verantwortung für ihre Familie, insbesondere für den querschnittsgelähmten Ehemann. Das Angebot abzulehnen, könnte sie und ihre Familie ins Unglück stürzen, zumal dann, wenn sie keinen anderen Job in Aussicht hat. In der heutigen Zeit müsste sie mit langwierigen Bewerbungsverfahren bzw. ständigen Ablehnungen rechnen. Wenn der künftige Arbeitgeber hört, welche familiäre Last sie (seelisch) zu tragen hat (kranker Ehemann), könnte er geneigt sein, die Bewerbung einer solchen Angestellten abzulehnen, da er Erkrankung und starke Ablenkungen befürchtet. Ein Arbeitgeber entscheidet nur nach den Interessen seiner Firma und nicht nach anderen Erwägungen moralischer Art. Das ist leider so in unserer enthumanisierten Gesellschaft.
Um übrigen schließe ich mich den Argumenten von Vednexx an
Da sie große Verantwortung für ihre Familie trägt - noch mal mehr als gewöhnlich durch die Querschnittslähmung ihres Mannes. Wenn sie die Arbeit mit diesem Gedanken mit ihrem Gewissen vereinbaren kann, kann sie das Angebot annehmen. Wenn sie jeden Tag Bauchschmerzen bekommt beim Denken an die Arbeit, ist es genauso in Ordnung wieder zu kündigen.
Sie sollte sich aber auf jeden Fall nach einer anderen Arbeit umsehen, die weniger fragwürdig ist. Wobei es bei großen Unternehmen natürlich immer fragwürdige Taten geben kann.
Ich bin mir sicher, dass Anna in naher Zukunft ein mindestens genau so gut bezahlten Job finden kann, auch, wenn sie sich zunächst mit weniger zufrieden geben muss.
Ich bezweifle, dass Anna im Betrieb von Benno glücklich wird.
Da die Entscheidung so oder so sich auf die Familie auswirken wird (entweder Verzicht oder Streit oder beides), sollte Anna ihre Familie in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen.
Das nimmt ihr die Entscheidung nicht ab, gibt aber mehr Rückhalt oder zeigt sogar weitere Möglichkeiten auf.