Wie ist es, in Worten zu denken? Ist man dann wortgewandter?

4 Antworten

Du kannst es als Kopfkino, Tagträume oder Phantasie bezeichnen. Du scheinst ein gutes Vorstellungsvermögen zu besitzen, was prima ist.

Ich vermute, dass dir einfach die Übung im reden fehlt. Aber das kannst du trainieren. Es gibt Übungen, mit denen du das Sprechdenken (gleichzeitiges Sprechen und Denken) üben kannst. Stehgreifreden eine super Übung. Dabei übst du (ganz allgemein) deine Gedanken auszusprechen und trainierst das Sprechdenken. Hier eine Anleitung:

Nimm dir kleine Karteikarten und schreibe auf jede ein Substantiv/Nomen/Hauptwort. Kannst einfach den Duden oder eine Zeitung aufschlagen, falls du Inspiration brauchst oder nimm Begriffe/Themen, die dich interessieren. Ich würde so 20-30 Karten mit jeweils einem Substantiv beschreiben. Dann die Karten mischen und zugedeckt hinlegen. Dann einen Timer auf eine Minute einstellen (alternativ eine Stoppuhr mitlaufen lassen), die erste Karte aufdecken, Begriff lesen und sofort losreden. Du kannst alles mögliche reden und irgendwas Lustiges, Unwahres oder Unsinniges erzählen, solange es mit dem Substantiv/Thema zu tun hat. Nach einer Minute ziehst du die nächste Karte usw. Ich würde das ein paar Tage lang täglich so 10-20 Minuten machen. Vermutlich merkst du dann schon Fortschritte. Fortgeschrittene bilden eine Überleitung von einer Karte zur nächsten.


neugiiierig 
Beitragsersteller
 21.02.2025, 22:05

Danke, die Übung muss ich auf jeden Fall mal ausprobieren.

Ja, ich habe große Schwierigkeiten, gleichzeitig zu Denken und zu Sprechen. Das ist korrekt.

Es scheint mir, dass du dich mit diesem Thema gut auskennst. Hast du mehr Tipps oder Begriffe, die ich googeln kann, damit ich weiter eigenständig recherchieren kann? Oder vielleicht auch gute Literatur zu diesem Thema?

saygoodnight  25.02.2025, 22:10
@neugiiierig

Nein, außer meinem Kommentar und den Schlagworten Sprechdenken und Wortfindungsschwierigkeiten habe ich keine Tipps.

Es gibt verschiedene Arten zu denken. Die einen in Bildern, die einen in Worten, ich habe eine innere Stimme und andere haben gar nichts davon. Mir persönlich fällt es auf jeden Fall leicht Texte zu schreiben, ich bin gut im formulieren usw. Ich denke aber sehr schnell, spreche dementsprechend manchmal auch schnell und vergesse beim Schreiben manchmal Worte, weil ich im Kopf schon viel weiter war. Beim Sprechen verspreche ich mich manchmal, wenn ich mich nicht zwischen zwei Ausdrucksweisen entscheiden kann. Grundsätzlich rede ich fast die ganze Zeit in meinem Kopf, ich kann meine Gedanken also in meinem Kopf aussprechen. Tatsächlich bin ich aber eher introvertiert. Bei den richtigen Personen kann ich dann aber sehr viel reden. Das coolste ist meiner Meinung nach das lesen, weil ich mir das sozusagen in meinem Kopf laut vorlese, während ich lese. Das dauert zwar ein bisschen länger als "normal" zu lesen, aber dadurch kann ich viel besser in Geschichten eintauchen. Trotzdem kann ich mir Sachen aber auch bildlich vorstellen und habe zu einem gewissen Grad ein fotografisches Gedächtnis, nur eben denken läuft über sprechen in meinem Kopf.


neugiiierig 
Beitragsersteller
 21.02.2025, 23:32

Ich habe einen Freund, der wie ein Wasserfall redet. Er meinte auch, dass er in Worten denkt. Er spricht oft so schnell, dass ich glaube, dass Denken und Sprechen gleichzeitig stattfinden.

Kann es sein, dass das Denken in Worten dasselbe ist, wie eine innere Stimme zu haben? Oder unterscheidet es sich zu sehr? "Hörst" du dann sozusagen deine Gedankengänge?

Iknowsomethings  22.02.2025, 10:39
@neugiiierig

Ja genau man kann es mit einer inneren Stimme gleichsetzen und ja ich "höre" meine Gedankengänge

Moin,

Denken ist immer "lautlose Sprache". Ohne Begriffe / Worte / Bezeichnung und deren Aussageverbindngen gibt es kein Denken.

Das andere ist "Fühlen".

Allerdings bewegen wir uns oft in einer diffusen Zwischenzone von beiden Bereichen.

Das nennen wir dann Ahnung oder Intuition.


Grautvornix16  22.02.2025, 10:25

PS: Wortgewandtheit hat damit erstmal nichts zu tun. Die ist gegeben, wenn ich über rhetorisches Gestaltungswissen bzw. über intuitive Gestaltungsfähigkeiten verfüge, die ich einsetze, um in der interaktionellen Psychologie durch semantisch-syntaktische Bedeutungsverschiebungen Kontextveränderungen vornehme, die nicht auf Argumentatieren sondern auf Überzeugen abzielen.

Hallo neugiiierig!

Vielleicht wäre eine andere Sprachstruktur für dich von Vorteil. Eine, die z.B. die Bilder nicht in Sätze mit Nomen und Verben umsetzen muss oder mühsam die Vieldeutigkeit einzelner Wörter in den verschiedenen Kontexten (- noch präziser mittels kleiner Partikel) unterscheiden muss. Bildlichere Sprache, die statt analytische und abstrakte Begriffe sensorische und prozessuale Inhalte in Wortform bereithält. Sprache dient ja meist weniger zum Denken als der Kommunikation, entweder im direkten (gesprochene Sprache -> Gespräch) oder indirekten Austausch (Schriftsprache -> Bücher).

Dich mit dir selbst zu unterhalten, wie geht das bei dir vonstatten?

Und wie ist der umgekehrte Weg? Die Umsetzung von Sprache in Bilder? Das Ringen um Wörter kann sehr verschieden ausfallen, ohne längere Protokolle lässt sich schwer sagen, ob du weniger wortgewandt als andere bist, und woran das liegen könnte.

LG

gufrastella

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – und Interesse

neugiiierig 
Beitragsersteller
 21.02.2025, 22:00

Vielen Dank für deine Antwort.

Was verstehst du unter einer bildlicheren Sprache? Im Endeffekt muss ich ja Worte wiedergeben, wenn ich mich unterhalte. Kannst du das bitte näher erläutern? Meinst du, ich sollte mehr Wörter oder Ausdrücke benutzen, die sich direkt auf Sinneseindrücke beziehen? Etwa: "Ich spürte die warme Sonne auf meiner Haut, hörte das sanfte Rauschen der Wellen und roch das salzige Meer." (Statt: "Es war eine schöne Erinnerung.")? Da fällt mir dann doch "Es war eine schöne Erinnerung" leichter. Es fällt mir z.B. auch leicht zu sagen: "Ich bin glücklich/unglücklich". Den Grund oder das Gefühl näher zu erklären, fällt mir dann doch sehr schwer.

Wenn ich mit mir selbst spreche oder über etwas nachdenke, dann habe ich immer Szenen im Kopf (also Bilder). Beispielsweise hat mein Date mir vor 3 Tagen einen Korb gegeben und ich frage mich diese Tage ständig, was ich anders hätte machen oder sagen können. Wir haben viel über Whatsapp geschrieben und uns einmal getroffen. Wenn ich mir denke, hätte ich lieber dies oder das über ein bestimmtes Thema geschrieben, dann sehe ich in meinem Kopf, wie ich dies oder das abtippe und stelle mir vor, wie ihre Reaktion gewesen wäre, wenn sie es liest (wieder in Bildern, z.B). Oder wenn ich denke, hätte ich lieber was anderes an unserem Treffen gesagt, dann stelle ich mir vor, wie wir im Restaurant sitzen und wir uns unterhalten.

Wenn ich ein Buch (Roman) lese, dann muss ich die gelesenen Worte in Bilder umwandeln. Ich kann mir dann die Umgebung und Charaktere genau vorstellen, wie in einem Film. Wenn dieser Prozess des Übersetzens mal wegen mangelnder Konzentration nicht stattfindet, muss ich zurückgehen und die Stelle wieder lesen. Ich lese auch sehr langsam, weil ich alles im Kopf erst einmal in Bilder übersetzen muss.

Wenn mir jemand eine Geschichte erzählt, habe ich wieder Szenen im Kopf. Worte werden in meinem Kopf in Bilder übersetzt. Und ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, wie Menschen in Worte denken. Wenn ich darüber nachdenke, dann stelle ich mir vor, dass sie ausgeschriebene Worte im Kopf sehen (also das Bild eines geschriebenen Wortes), aber so ist es ja nicht.

Was mir auch aufgefallen ist, ist dass ich beim Erzählen sehr stark gestikuliere, als wäre das Gestikulieren ein Art Gehhilfe. Ich habe dann das Bedürfnis, bestimmte Worte "zeichnen"/"formen" zu müssen.

Iknowsomethings  21.02.2025, 22:43
@neugiiierig

Sehr interessant, würdest du denn sagen, dass du dadurch kreativer bist, weil du dir Sachen besser (bildlich) vorstellen kannst?

neugiiierig 
Beitragsersteller
 21.02.2025, 23:09
@Iknowsomethings

Ja, auf jeden Fall. Ich bin von Beruf Grafikdesigner, und Fotografie ist mein Hobby. Manchmal habe ich aber das Problem, dass ich nicht "auf Abruf" kreativ sein kann. Ich kann mich also sozusagen nicht (immer) zwingen, kreativ zu sein. Ich benötige den Freiraum, um meine Ideen in Ruhe und mit Präzision zu entwickeln. Oft kommen wir auch Ideen, wenn ich z.B. beim Zähneputzen oder unter der Dusche dahinträume.

Ich bin zwar kreativ, aber bevorzuge Strukturen und logische Systeme. Mir wurde mal gesagt, dass ich ein visuell-analytischer Lerntyp bin. Ich der Schule habe ich liebend gerne mathematische Gleichungen gelöst, oder mache z.B. gern Sudokus (wenn ich eins vorgelegt bekomme). Ich erkenne Muster schnell und folge klaren logischen Regeln. Dabei kann ich auch stundenlang an einer Aufgabe sitzen. Diese Beharrlichkeit bringe ich mit.

Deshalb denke ich heute auch, dass der Beruf, den ich gewählt habe, nicht 100% zu mir passt. Als Informatiker wäre ich besser aufgehoben. Hierfür muss man sowohl kreativ, als auch analytisch denken können. Introvertiert bin ich auch noch dazu.

Iknowsomethings  21.02.2025, 23:16
@neugiiierig

Das ist sehr interessant. Als Person mit innerer Stimme kann ich auch nicht immer auf Anhieb was sinnvolles Schreiben. Wenn ich wirklich eine Idee habe oder mich was beschäftigt und ich Tagebuch schreibe geht das super, aber ich habe in der Schule z.B. ein paar Mal die Rückmeldung bekommen, dass es formal super ist, aber ich mehr Inhalt hätte bringen können. Die Form habe ich also drauf und bei mir können Sachen total schön klingen, aber nicht immer steckt dann auch so viel dahinter. Dafür entdecke ich dann aber, dass ich sehr mit Worten spielen kann und es manchmal bei meinen privaten Texten fast schon poetisch wird, aber das macht mir einfach Spaß (und durch social Media kriege ich manchmal auch Inspiration).

gufrastella  22.02.2025, 08:45
@neugiiierig

Die Szene, in der du dir eine Alternative zum realen Verlauf deines Whatsapp-Datings vorstellst, wäre in einer "anderen Sprache" vielleicht: sitzen-tippen-verabredet-sehen-Augen-Kontakt-Freude-treffen-essen-gut-lachen-eng-Augen-warm-freuen-kribbeln-mehr... und dazwischen ein paar Konkreta (was du isst, die Lampenform etc.). Der große Unterschied zu einem Szenenbild ist, siehe unten, dass auch diese andere Sprache linear ist. Im Deutschen sind zudem die Satzglieder aufeinander bezogen und in bestimmten Reihenfolgen angeordnet: Wir- sitzen - nachddem- wir uns- verabredet haben -im Restaurant - und essen, wobei - wir -uns - in die Augen - sehen.

Wenn du allerdings analytische Fähigkeiten hast, dann leuchtet auch ein, dass du mehr Abstakta statt konkrete sinnliche Wörter nutzt. Ich wäre mir dann aber nicht sicher, ob wir annähernd die gleichen Dinge, Eindrücke und Gefühle meinen, wenn wir nicht ausführlich über Wortinhalte, wie wir sie jeweils einzeln verstehen (in Bilder umsetzen), austauschten. Der Extrakt einer Analyse ist dann der Begriff, der verallgemeinert.

Mein eigenes Denken geschieht auch, wie bei den meisten Menschen, bildlich, da dies den Vorteil hat, komplexe Inhalte synchron widerspiegeln zu können. Das Umsetzen in Sprache ist ein Prozess, der aus einem "Gleichzeitig" (eine Bildszene)ein womöglich noch verschachteltes "Nacheinander" (einen linearen Satz mit Wörtern in einer bestimmten Reihenfolge und Einschüben wie Nebensätze) machen muss. Das kann dir schwerer fallen, als anderen, bzw. du bemerkst den Vorgang, da er bei dir genügend langsam abläuft, während viele andere es gar nicht mitbekommen, da sie die Bilder sehr schnell in Sprache umsetzen und umgekehrt.

Erst bei der gezielten Suche nach Lösungen, um eine Aufgabe zu erfüllen (z.B das Kochen von Kaffee oder die Abwicklung eines Hauskaufs etc.), wechsle ich in den sprachlichen Modus, da es oft die Chance bietet, mehrere Alternativen gründlich vergleichen zu können, Vorgehensweisen zu analysieren und Entscheidungen für den einen oder anderen Weg treffen zu können. Auch die Überprüfbarkeit einzelner Zwischenschritte ist sprachlich für mich einfacher.

Letztlich kannst du dich fragen, ob du dein Sprechtempo oder Lesetempo steigern möchtest, wenn das möglich ist durch Wortschatz-Arbeit/semantische Arbeit, oder ob du mit deiner Art klar kommst. Interessant wäre vielleicht ein spezieller Sprachtest, der deine Kompetenzen genauer belegen könnte. Mir fällt da nur ein Aphasietest ein (AAT) oder dass man bei Neurolinguisten und -linguistinnen nachfragen könnte. In dem Zusammenhang wäre auch die Frage der Funktion deiner verstärkten Gestik interessant.

Deine Berufswahl hätte anders ausfallen können, das stimmt. Andere Menschen mit ähnlichen Voraussetzungen wie du sind den naheliegenderen Weg gegangen und haben gleich ihren Start in die IT-Welt begonnen, da sie ihre Kreativität als zu gering einschätzten.

neugiiierig 
Beitragsersteller
 24.02.2025, 00:27
@gufrastella

Genau das finde ich auch einen spannenden Punkt: Sprache ist ja nie ganz objektiv oder eindeutig. Selbst wenn wir dasselbe Wort benutzen – zum Beispiel Liebe oder Freiheit –, hat jeder von uns eine eigene Vorstellung davon. Diese Begriffe sind nicht greifbar oder messbar, sondern setzen sich aus unseren individuellen Erfahrungen, Prägungen und Emotionen zusammen.

Deutsch ist meine zweite Muttersprache und es kommt gelegentlich vor, dass ich mir bei einigen Worten nicht genau 100% sicher bin, was sie bedeuten, obwohl ich diese Worte benutze. Z.B. durchzecht, deklarieren, suggerieren, usw. Vom Kontext her versteht man die Worte ja. Aber ich habe in letzter Zeit das Bedürfnis, die Bedeutung und Herkunft der Worte genau zu wissen. Ich google dann oft Worte, um mir der Definitionen sicher zu sein. Denn oft bin ich mir auch nicht sicher, ob ich bestimmte Worte in einem Kontext richtig benutze. Das bremst mich auch manchmal beim Reden, weil ich mir der Worte nicht sicher bin. Das meinst du mit "Wortschatz-Arbeit/semantische Arbeit", oder? Ich versuche auch vermehrt Wörter aus meinem passiven Wortschatz in den aktiven Wortschatz zu holen. Ich höre beim Fernsehen/Lesen/bei Gesprächen/Interviews besonders gut zu und schreibe mir auch gelegentlich einige Wörter raus, manchmal auch Aussagen. Ich erhoffe mir dadurch sicherer reden zu können, ohne mir dabei zu denken: "Hab ich das Wort jetzt korrekt benutzt?"

Habt ihr eine Idee, wie man das (fast) gleichzeitige Denken und Sprechen üben kann? Das passiert bei mir nicht simultan und ich komme mir ehrlich gesagt selbst als "langsam im Hirn" vor.

gufrastella  24.02.2025, 07:36
@neugiiierig

Ich kann eben nicht beurteilen, schon gar nicht, wenn du Zweitsprachler im Deutschen bist, ob dein sprachliches Denken langsam ist. Eher möchte ich dich ermutigen, deine Kenntnisse als bereits sehr elaboriert wahrzunehmen. Das sollte dich beflügeln. Deine Wortschatzarbeit ist passend und wird dich noch sicherer werden lassen.

neugiiierig 
Beitragsersteller
 24.02.2025, 16:37
@gufrastella

Du kennst dich sehr gut mit diesen Thema aus und hast "Berufserfahrung" angegeben. Darf ich fragen, was du genau beruflich machst?

Sogesehen sind meine Deutschkenntnisse besser als die meiner Muttersprache. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.

Ich sehe das Denken in Worten und Bildern nicht als zwei entgegengesetzte Pole an, sondern eher als ein Spektrum. Kann ich das Denken in Worten mir aneignen/antrainieren? Eine Vorstellung, wie man in Worten denkt, habe ich durch diesen Beitrag gewonnen. Hat jemand Tipps oder Übungen für mich? Hilft es, (vorerst laut) bewusst Selbstgespräche zu führen oder Tagebuch zu schreiben?