Wie bringe ich meinem Pferd am Besten 'das Kompliment' bei?

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Oh Mann, ich krieg echt die Krise wenn die Leute immer mit ihren Leckerchen-Theorien kommen. Habt ihr eigentlich schon mal gesehen, wie verhunzt und lächerlich so ein halbseidenes Kompliment aussieht, wenn das Pferd dabei den Kopf einrollt um an das Leckerli zwischen seinen Beinen zu kommen?! Leckerlis haben beim Training NICHTS verloren, sie motivieren ein Pferd nicht, sie kaufen es. Das Pferd soll mir folgen weil es mich als Leittier anerkennt und nicht weil ich es mit Apfelstücken locke. Genauso ist es mit allen anderen Übungen, die man einem Pferd abverlangt.

Um dein Pferd in ein anständiges Kompliment zu bringen, muss es sich erst einmal sicher und auf leichtes Touchieren der Brust, oder auf Kommande rückwärtsrichten lassen. Gearbeitet wird möglichst auf dem Reitplatz an der Bande, damit das Pferd eine seitliche Begrenzung hat. Ausrüstung sind ein Halfter, ein Führstrick, eine Touchiergerte und später die Beinlonge.

Zuerst arbeitet man am Beinreiz. Das sollte unmissverständlich sein, also nicht einfach irgendwo am Bein kitzeln sondern für eine bestimmte Reaktion eine bestimmte Stelle aussuchen und dabei bleiben (z.B. bei meinem Pferd ist die Hinterseite der Röhre für das Kompliment, die Vorderseite für das Knien, die Vorderseite des Oberarms für den spanischen Schritt), dazu kommt ein eindeutiges, unverwechselbares Stimmkommando, das auch immer gleich bleibt.

Das Prinzip dieses Reizes mit der Touchiergerte ist, dass er das Pferd einfach nervt. Es ist lästig ständig gekitzelt zu werden, also wird das Pferd Abwehrbewegungen machen und sobald es zufällig die gewünschte Bewegung macht (in dem Fall das Bein nach hinten hochzuheben) wird es dafür überschwänglich gelobt und an seiner Lieblingsstelle gekrault. Cleveres Pferdchen wird sich einen Reim drauf machen: Ey cool, wenn ich das tue, hört nicht nur das Gekitzel auf, es gibt auch noch Gestreichel oben drauf!

Im nächsten Schritt kommt die Beinlonge zum Einsatz. Wie bei der Touchiergerte auch, muss das Pferd sie erst einmal kennenlernen, also beschnuppern lassen, abstreichen und dann erst umlegen. Das A und O dabei ist, dass man sie richtig einsetzt und das heißt, sie unterstützt das Pferd, zwingt es aber auf keinen Fall. Das Pferd muss erst einmal Vertrauen zu dem Hilfsmittel bekommen, lernen, dass es ihm nicht schadet. Wenn es also auf das Touchieren hin das Bein hebt, wird es mit der Longe leicht festgehalten, aber so, dass das Pferd das Bein jederzeit wieder runternehmen kann. Das ist sehr wichtig, denn so eingeschränkt zu sein ist für das Lauftier Pferd sehr beängstigend. Nach und nach führt man so das Pferd daran, sich vertrauensvoll auf die Beinlonge zu stützen um dreibeinig die Balance zu halten.

Wenn das erreicht ist, gilt es, dem Pferd den Weg abwärts zu zeigen, das funktioniert über das Rückwärtsrichten. Am leichtesten fällt es dem Pferd, wenn es die Hinterbeine von vornherein etwas weiter hinten hinausgestellt hat. Man gibt nun den Rückwärts-Reiz vor der Brust, auf drei Beinen geht das natürlich nicht so richtig, aber das Pferd soll sich ja auch nur "nach hinten lehnen". Sobald der Ansatz dafür da ist, wird das Bein losgelassen und gelobt. Mit der Zeit wird sich das Pferd immer weiter runtertrauen und sich dabei vertrauensvoll auf die Beinlonge stützen, bis das Bein am Boden ankommt. Jetzt sieht es auch schon fast aus wie ein richtiges Kompliment.

Für den letzten Teil hat man idealerweise Unterstützung einer zweiten Person. Jetzt geht es nämlich darum, den Kopf auch noch runterzubekommen. Während also Person A dem Pferd mit der Beinlonge "assistiert", holt Person B durch ganz sanftes Zupfen am Führstrick den Kopf nach unten. Jedes minimale Nachgeben wird gelobt, bis das Pferd in der gewünschten Haltung ist. Wenn das sitzt, kann man es ohne die Hilfe der Beinlonge versuchen.

So bekommt man schlussendlich ein schönes Kompliment, ohne dem Pferd im Minutentakt Leckerlis ins Maul zu stopfen. Wichtig ist:

  1. das Pferd hat keine gesundheitlichen Probleme (wirklich vom TA das OK holen) und die Rangordnung zwischen euch ist eindeutig geklärt
  2. alles passiert in kleinen Schritten und die Trainingseinheiten dauern maximal 15 Minuten
  3. Aufhören wenn es am schönsten ist, wenn das Pferd einen großen Fortschritt gemacht hat, ist es die schönste Belohnung aufzuhören, auch wenn es schon nach 5 Minuten ist
  4. Auch zwischendurch immer wieder Pausen als Belohnung einlegen
  5. es soll Spaß machen, also wenn du mal schlechte Laune hast, lass es bleiben, dein Pferd merkt das sofort und es wird nichts klappen, Gift für die Motivation
  6. gleiches gilt für das Pferd, arbeite nur mit ihm, wenn du dir sicher bist, dass es aufmerksam und ruhig ist (nicht kurz vor der Fütterungszeit oder wenn es grad vollgefuttert ist, nicht nach einer anstrengenden Dressurlektion oder nach einem aufregenden Ausritt usw.)

Ich hoffe das hilft euch.


BlueIceDragon  13.11.2017, 15:27

Ich würde niemals mit einer Beinlonge arbeiten, pferde sind fluchttiere!

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Leseratte98  10.11.2011, 06:56

Beste Antwort! DH!

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DennisG8  10.11.2011, 11:38
@Leseratte98

Zu der Leckerlie Geschichte. Dann ist Nathalie Penquitt also ein totaler Anfänger? :P Das ist eine berechtigte Frage, denn sie lobt ihr Pferd mit Futter. Ich denke beide Methoden haben ihr Vor und Nachteile. Ich würde von keiner sagen das sie schlecht ist. Wenn es so funktioniert wie du es machst bitte. Aber nach Nathalie Penquitt funktioniert es auch wunderbar.

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Baroque  10.11.2011, 13:36
@DennisG8

Ich arbeite auch mit Futterlob und für mich hat es ziemlich ähnliche Bedeutung wie an der Lieblingsstelle kraulen, nur dass ich manche Sachen mit Futterlob noch schneller umgesetzt bekomme als mit kraulen, zumal mein Pferd kein Kuscheltier ist, ihm kraulen nur da nicht lästig ist, wo er grade gekratzt werden möchte.

Das einzige, was mich nun bei Lossarnach verwundert hat, war tippen am Oberarm für den Spanischen Schritt. Da tippe ich immer an den Unterarm, also zwischen Ellbogen und Karpalgelenk. Am Oberarm bekomme ich doch eher Ellbogen zurück ziehen, oder?

Beinlonge habe ich nie verwendet. Die kannte ich lange Jahre gar nicht. Mit meinen jetzigen Pferden mit ihren Gebrechen mach ich sowas eh nicht.

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Lossarnach  10.11.2011, 13:54
@Baroque

@DennisG8 Ich habe einig Bücher von Penquitt und finde sie auch sehr gut, sie hat einige gute Ansätze, das Futterlob gehört meines Erachtens nicht dazu. Ich will keinen verfressenen Staubsauger der dann ungewollt Übungen vorführt nur um was abzustauben, oder der jeden anbettelt, der uns besuchen kommt. Da habe ich meine Prinzipien. Nur weil jemand ein gutes Buch geschrieben hat, heißt das noch lange nicht, dass man alles genau so übernehmen muss. Selbst denken ist immer erlaubt und schadet nicht.

@Baroque Ich habe mir den Oberarm gezielt ausgesucht, weil es mir das Einüben des Spanischen Schritts unter dem Sattel erleichtert hat. Wenn man hartnäckig genug herumprobiert zeigt das Pferd irgendwann die gewünschte Reaktion, egal wo man tippt. Man muss nur darauf achten, dass die Stellen für die einzelnen Reaktionen für das Pferd auch eindeutig erkennbar sind. Da gibt es keine fixen Regeln wo man für welche Übung tippen soll. Die beste Belohnung für ein Pferd ist sowieso eine Pause zu machen, in der man nichts von ihm verlangt und so den gesamten Druck von ihm nimmt, in Anlehnung an die Rangordnung. Das Kraulen ist bei jedem Pferd verschieden, bei den meisten klappt es ganz gut. Sicher, wenn ein Pferd einmal an Leckerlis gewöhnt ist, wird es schwer es davon zu überzeugen, dass es etwas für eine andere Art der Belohnung machen soll. Deshalb fange ich gar nicht erst damit an, was das Pferd nicht kennt vermisst es auch nicht.

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DennisG8  10.11.2011, 19:55
@Lossarnach

Ich sag ja auch nicht das deine Methode schlecht ist aber ich bevorzuge halt die andere und finde beide okay. Ich finde an Futterlob nichts schlechtes. Und meine bettelt niemanden an. und auch nicht wenn ich reite, sie weiß wann ich solche Übungen machen will und wann wirklich mit sattel dressur gearbeitet wird. Sie verschwindet nicht einfach plötzlich unter mir und macht verbeugung. Nur mit Aufforderung. Ich denke das viele das mit dem Futterlob einfach übertreiben und deswegen Probleme entstehen. Ich kann von keinen berichten. Meine bekommen nur was wenn es wirklich zeit zum Üben ist, sie etwas richtig machen und ganz wichtig, wenn es gefordert ist. Ansonsten gibts einfach nichts. Meine kriechen mir nicht in die Tasche, ganz und gar nicht. Ich denke man muss da einfach das richtige Maß finden. Aber das fällt sicher vielen schwer. Habe mich erst kürzlich mit jemanden unterhalten der es wirklich drauf hat, der auch Hengst vorreitet, in hohen Dressuren. Der hats seinen auch so bei gebracht und ist damit sehr zufrieden. Ich denke da hat jede Medalie so seine Kehrseite. Den spruch gibts ja nicht umsonst.

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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie du schon geschrieben hast. Meine Freundin bringt es ihrem Pony gerade mit Beinlonge bei und die beiden machen große Fortschritte :-)

Nach und nach kannst du die Beinlonge mehr und mehr locker lassen. Meistens wissen die Pferde eh nach mehreren Übungsphasen was sie machen sollen, damit das Leckerlie kommt. Wichtig ist, das du alles mit einem Kommando verknüpfst. Damit es hinterher auch so klappt. Und vielleicht tippst du sein Bein an, welches er hochnehmen soll bevor du es mit der Beinlonge in Position hälst. Irgendwann kannst du es dann antippen, er nimmt es hoch, du gibst das Kommando und er führt es aus :-)

Schön geduldig sein, jedes Pferd braucht Zeit, das eine mehr, das andere weniger :-)

Viel Spaß

ich denke auch das ein pferd belohnt werden möchte. außerdem sollte es dir nicht nur folgen, weil du sein leittier bist sondern, weil du sein freund bist und es dich gern hat! deshalb sind leckerlies absolut in ordnung!

Ich mach das mit meinen immer so. Ich hol mir was gut sichtbares zum Essen(Apfelhälfte, Möhre...etc...) und halt es ihnen gut sichtbar vor die Brust.Wenn sie dann den Kopf da hinbiegen, dann lobe ich sie und halte das Leckerli tiefer. Irgendwann sind sie dann so weit, dass ich das Leckerli zwischen die Vorderbeine halten kann.

Es dauert manchmal ein wenig, bis sies kapiert haben, aber die Hafis bei mir habens bis jetzt noch fast alle ziemlich schnell gelernt :D

Also dann Viel Glück und Spaß noch

LG

meppel