Wie bestimme ich die Wertigkeit der Nebengruppen im PSE?

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Moin,

tja, das ist in der Tat nicht ganz leicht. Offenbar hast du bereits herausgefunden, dass du bei Hauptgruppenelementen aus der Hauptgruppennummer die Anzahl der Valenzelektronen eines Atoms innerhalb der Hauptgruppe direkt ablesen kannst. Die Atome der Elemente in der ersten Hauptgruppe habe 1 Valenzelektron. Die Atome der Elemente der zweiten Hauptgruppe haben 2 Valenzelektronen, die der dritten 3, ... und die der siebenten Hauptgruppe 7.
Und du scheinst ja ebenfalls schon herausgefunden zu haben, dass Atome durch chemische Reaktionen "versuchen", eine Edelgaskonfiguration ihrer Elektronenhülle "hinzubekommen", weil diese energetisch besonders stabil ist.

Darum geben Metallatome in Reaktionen gerne ihre Valenzelektronen ab, weil dann die mit wenigen Elektronen besetzte äußere Schale wegfällt und die bis dahin zweitäußerste Schale, die mit Elektronen voll besetzt ist, zur äußeren wird (Ionenbildung: Kationenbildung).

Nichtmetallatome, die viele Elektronen in ihrem äußeren Hauptenergieniveau haben, nehmen dementsprechend gerne Elektronen auf, um das äußere Hauptenergieniveau zu füllen und so zur sogenannten Edelgaskonfiguration zu kommen (Ionenbildung: Anionenbildung).

Wenn zwei Nichtmetallatome miteinander reagieren, wechseln keine Elektronen ihren Besitzer, sondern es kommt zu sogenannten Elektronenpaarbindungen (Atombindungen), bei denen (meist) beide Bindungspartner ungepaarte Elektronen zur Verfügung stellen, daraus Elektronenpaare machen, die dann von beiden Bindungspartnern gleichzeitig genutzt werden können. Auch so kann ein Atom zu einer angestrebten stabilen Edelgaskonfiguration kommen.

Bei all diesen Elementen aus den Hauptgruppen kann man darum leicht ermitteln, welche "Wertigkeit" sie haben, wenn man die Anzahl der Valenzelektronen ablesen kann.

Wasserstoff (1. Hauptgruppe: 1 Valenzelektron) bräuchte für den Edelgaszustand des Heliums ein weiteres Elektron, das heißt, Wasserstoff ist einwertig.
Lithiumatome (Natrium, Kalium, Rubidium, Cäsium) stehen ebenfalls alle in der 1. Hauptgruppe, haben folglich auch 1 Valenzelektron. Sie müssten aber 7 weitere Elektronen aufnehmen, was energetisch sehr schwierig wäre. Darum "ziehen es diese Atomsorten vor", das einzelne Valenzelektron abzugeben, weil dann die betroffene Schale wegfallen würde und die nächstäußere zur äußeren würde (die dann mit Elektronen voll besetzt ist = Edelgaszustand). Die Abgabe von einem Elektron führt zu einfach positiv geladenen Ionen. Diese Elemente sind daher ebenfalls einwertig.

Elemente der 2. Hauptgruppen sind dementsprechend zweiwertig, weil sie bevorzugen, in chemischen Reaktionen zwei Elektronen "loszuwerden", um zu zweifach positiv geladenen Kationen zu werden (die dann Edelgaskonfiguration besitzen).

Elemente der 3. Hauptgruppe sind daher dreiwertig, Elemente der 4. Hauptgruppe vierwertig.

Atome von Elementen aus der 5. Hauptgruppe sind dann wieder dreiwertig, weil sie es bevorzugen, drei Elektronen aufzunehmen (um die angestrebte Edelgaskonfiguration zu erreichen) oder drei Atombindungen auszubilden, was im Bezug auf die Edelgaskonfiguration aufs gleiche herauskommt.

Dementsprechend nehmen Atome der 6. Hauptgruppe zwei Elektronen auf oder bilden zwei Atombindungen aus, um die Edelgaskonfiguration zu erreichen; darum sind sie zweiwertig.

Die Halogene (7. Hauptgruppe) sind schließlich einwertig, weil sie entweder ein Elektron aufnehmen oder eine einzelne Atombindung ausbilden.

Soweit, so gut. Du hast ja bereits geschrieben, dass du das verstanden hast.

Bei Nebengruppenelementen kannst du leider nicht direkt aus der Gruppennummer auf die Valentelektronenanzahl schließen. Das hat etwas mit dem Atombau zu tun. Bei Nebengruppenelementen werden nämlich Räume (Orbitale) in der Atomhülle nach und nach aufgefüllt, die zwar formal weiter innen liegen, aber energetisch ungünstiger sind als bestimmte weiter außen liegende Orbitale. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass du das Orbitalmodell des Atombaus (noch) nicht hattest. Darum ist das schwer zu verstehen (oder zu erklären). Aber weil eben verschiedene Räumlichkeiten bei diesen Nebengruppenelementen aufgefüllt werden und es da bestimmte Regeln zu beachten gibt, können diese Atome oft verschieden viele Elektronen abgeben (beachte: alle Nebengruppenelemente sind Metalle; deshalb geben sie in Reaktionen bevorzugt Elektronen ab). Das führt dazu, dass sie verschiedene Wertigkeiten haben, weil sie verschieden stark geladene Ionen (Kationen) bilden.

Ich fürchte, es bleibt dir nichts weiter übrig, als dir eine Liste zu machen, in der du die öfter mal vorkommenden Vertreter mit ihren (häufigsten) Wertigkeiten einträgst. Diese Liste könnte zum Beispiel so aussehen:

Ti - Titan: IV (III)
Cr - Chrom: III, VI (II)
Mn - Mangan: II, IV, VII
Fe - Eisen: II, III
Co - Cobalt: II (III)
Ni - Nickel: II
Pt - Platin: II, IV
Cu - Kupfer: I, II
Ag - Silber: I
Au - Gold - I, III
Zn - Zink: II
Cd - Cadmium: II
Hg - Quecksilber: I, II

Das sind gerade einmal 13 Elemente mit insgesamt 21 Hauptwertigkeiten (+ 3 weniger häufigen Wertigkeiten). Das kann man schon mal lernen (in jeder anderen Fremdsprache musst du das Zigfache an Vokabeln lernen!).

Es gibt dann noch zwei "Tricks", die du anwenden kannst, wenn dir bestimmte Formeln oder Substanznamen vorgegeben werden. So kannst du zum Beispiel aus der Formel von Zinkchlorid (ZnCl2) auf die Wertigkeit des Nebengruppenelements Zink schließen, weil du die Wertigkeit des Hauptgruppenelements Chlor bestimmen kannst: Chlor --> 7. Hauptgruppe --> 7 Valenzelektronen --> will ein Elektron aufnehmen --> ist also einwertig --> du brauchst laut Verhältnisformel zwei Chlorid-Anionen --> also muss Zink hier zweiwertig sein. Und tatsächlich: Zink bildet zweifach positive Zink-Kationen (Zn^2+).
Auf der anderen Seite kannst du manchmal aus den Namen von Salzen die Wertigkeit von Nebengruppenelementen ablesen. Aus dem Namen Eisen-(III)-chlorid kannst du die Oxidationsstufe der Eisenkationen direkt ablesen. Eisen hat hier die Wertigkeit III, weil in diesem Falle Fe^3+-Ionen enthalten sind.

Aber wie gesagt, am besten ist es, du lernst das Ganze auswendig...

LG von der Waterkant.


honeymouse360 
Beitragsersteller
 28.01.2017, 17:21

Vielen vielen Dank für die ausführliche Antwort! Wie lange bist du an dieser Nachricht gesessen? 3 Stunden?! Aber auf jeden Fall danke dafür!

Auch wenn ich nicht mal 1/4 dieser ganzen Begriffe kenne, weiß ich jetzt zumindest besser über das ganze Zeug bescheid.

Also du bist der Meinung, dass ich deine oben genannte Liste auswendig lernen sollte und man das beispielsweise in einer Verbindung wie zum Beispiel FeCl2 ablesen kann, dass hier Eisen die Wertigkeit 2 hat, oder mache ich da schon wieder was falsch?

Was ich mich immer noch frage (und es tut mir leid wenn du vllt schon versucht hast mir das zu erklären): Wie man wenn man jetzt eine Reaktionsgleichung aufstellt, bei der man nirgendwo einen Hinweis darauf hat, welche Wertigkeit die Atome hat, wissen soll welche der möglichen Wertigkeiten das Atom jetzt hat.

Da muss doch dann so etwas wie 

-Eisen (III)  oder anders: Distickstoffoxid ->N20

dastehen, ansonsten weiß man das nicht, oder?

LG und vielen Dank für die Mühe!

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DedeM  28.01.2017, 18:38
@honeymouse360

Moin (nochmals),

nöö, nicht ganz so lange, gut, ja (bzw. nein), gar nicht, genau und genau!

Aber der Reihe nach:
• die Antwort hat mich nicht allzu viel Zeit gekostet. Ich tippe schnell und kann vieles aus dem Kopf. Der Zeitaufwand ging also so...
• Gut, dass du jetzt das Gefühl hast, mehr verstanden zu haben (dann hat sich's auch für mich gelohnt...).
• Ja, am besten die Liste auswendig können, aber
• nein, das mit dem Eisen-II-chlorid hast du ganz richtig erkannt; du machst da also nichts falsch!
• Du kannst ohne weiteren Hinweis gar nicht wissen, welche Salze bei bestimmten Reaktionen gebildet werden. Es gibt zwar bestimmte Ionen, die bei Übergangsmetallen etwas stabiler sind als die andere(n) Form(en), aber grundsätzlich können im Falle eines Falles beide (oder alle drei, vier...) Salze entstehen. Wenn du zum Beispiel als Aufgabe folgende Formulierung erhältst: »Eisen und Chlor reagieren miteinander. - Stelle die Reaktionsgleichung auf.«, dann müsstest du korrekt folgendes antworten:

"Fe + Cl2 ---> FeCl2
Eisen und Chlor reagieren zu Eisen-II-chlorid.
UND
2 Fe + 3 Cl2 ---> 2 FeCl3
Eisen und Chlor reagieren zu Eisen-III-chlorid."

Fe^3+ ist in Salzen in der Regel stabiler als Fe^2+ (hat was mit dem Atombau zu tun und ist jetzt wahrscheinlich für dich schwer zu verstehen, es sei denn, du kennst dich mit dem Orbitalmodell des Atombaus und Besetzungsregeln von Orbitalen aus...?!). Darum würde man hier womöglich mehr Eisen-III-chlorid erwarten.
In Komplexen wie Cyanoferraten führt dagegen das Fe^2+ häufig zur stabileren Variante (das wiederum hat etwas mit der Edelgasregel in Ligandenkomplexen zu tun, was dir wahrscheinlich ähnlich viel sagt wie das Orbitalmodell...).
Andererseits entsteht zum Beispiel bei der Reaktion von Eisen mit Schwefel öfter Eisen-II-sulfid als Eisen-III-sulfid. Das hängt nämlich stark von den Versuchsbedingungen ab. Darum vorsichtshalber: Ohne weitere Informationen solltest du im Zweifelsfalle alle denkbaren Reaktionsgleichungen aufstellen.

• Und ja, genau, du musst auf kleine Hinweise im Aufgabentext achten. Die (genauen) Namen von Verbindungen geben dir in der Regel einen Hinweis, was reagiert oder was dabei herauskommt. Und gerade bei den Stickoxiden (NOx) gibt es diverse Möglichkeiten wie
- Nitrosylazid (N4O)
- Distickstoffmonoxid (N2O; "Lachgas")
- Nitrylazid (N4O2)
- Stickstoffmonoxid (NO)
- Distickstofftrioxid (N2O3)
- Trinitramid (N4O6)
- Stickstoffdioxid (NO2)
- Distickstofftetroxid (N2O4)
- Distickstoffpentoxid (N2O5)
Wenn du da keinen Hinweis im Namen bekommst (sondern da nur "Stickoxid" stehen würde), wäre das eine ziemliche Sauerei von der Lehrkraft!

• Und ein letztes "Genau" für deine Bemerkung "sonst weiß man das doch nicht, oder?"

Aber keine Bange, ich bin sicher, dass du entweder in der Aufgabe Hinweise bekommst, es nur Hauptgruppenelemente sind, die reagieren oder ein paar Übergangsmetalle wie Eisen, Zink, Silber oder Quecksilber (und vielleicht noch Nickel)...
Und ansonsten scheinst du mir clever zu sein (merkt man an der Art deiner Fragen und Bemerkungen), so dass ich vollstes Vertrauen in deinen "gesunden Menschenverstand" gewonnen habe. Kopf hoch, du machst das...!

LG von der Waterkant.

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ThomasJNewton  28.01.2017, 20:45
@honeymouse360

Vieles lernt man nicht auswendig, sondern schnappt es mit der Zeit auf, wenn das Thema interessant ist.

Ich hatte die Antwort von DedeM schon vorher gelesen und sie für richtig befunden, rein aus dem Gedächtnis. Das eine oder andere Detail wäre bei mir vielleicht anders ausgefallen, und meine Liste wäre (je nach Stimmung) vielleicht länger oder kürzer gewesen.

Sowas bleibt halt mit der Zeit hängen, wie Jahreszahlen in der Geschichte, ohne dass man sie auswendig lernt.
Der Russlandfeldzug begann am 22.6.1941, und Osmium tritt maximal 8-wertig auf.

Ich sehe in der Chemie, oder im Chemieunterricht, ein Dilemma:
Man kann sich nichts wirklich herleiten, jedenfalls nicht ohne umfangreiches Wissen.
Man muss das Stoffwissen haben, um die Regeln zu verstehen.
Nicht Regeln dazu benutzen, sich das Stoffwissen (=Auswendiglernen) zu ersparen.

Aber für all dies muss man sich für das Thema interessieren.
Und auch richtig vermittelt bekommen und in sich aufnehmen.
Man kann nicht mit Nebengruppenelementen beschäftigt werden, ohne das Konzept der Oxidationszahlen zu kennen.

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honeymouse360 
Beitragsersteller
 03.02.2017, 14:41
@DedeM

Okay, vielen Dank nochmal & danke für dein Vertrauen in mich.

Leider war die Arbeit ziemlich schwer und ich habe die Aufgaben die ich am besten geübt und gekonnt habe einfach nicht lösen können (Reaktionsgleichungen mit Koeffizienten gleichwertig machen), weshalb wahrscheinlich keine gute Note haben.

Ist echt unglaublich ärgerlich, weil ich eigentlich letztendlich viel geübt habe und dank deiner ausführlichen Antworten mir ein wenig Hintergrundwissen angeeignet habe.

Trotzdem Danke für alles!

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Die Frage die ich mir nun Stelle ist: Warum ist Chrom nicht I-Wertig. 

Sie haben ja geschrieben es kann: "Cr - Chrom: III, VI (II)" so viel wertig sein.

 Aber falls ich jetzt mal schaue. Ich könnte doch theoretisch ein Elektron im S-Orbital ins D-Orbital verschieben, dann hätte ich die Schale halb voll. 

Nun noch ein Elektron aus dem S-Orbital abgeben, somit wäre es I-Wertig.

Nebengruppenmetalle können (wie einige Hauptgruppenelemente auch) verschiedene Wertigkeiten haben (wobei der Begriff "Wertigkeit" selber verschiedenes meinen kann).

Es gibt z.B. MnO2 (dort hat Mangan die Oxidationszahl +4, und Sauerstoff die Oxidationszahl -2). Meinst du die Oxidationszahl, oder eine andere Art der Wertigkeit?

Es gibt aber auch z.B. KMnO4, Kalium hat die OZ +1, Mangan +7, und Sauerstoff wiederum -2.

Habt ihr Oxidationszahlen schon gehabt? Oder geht es um was anderes?!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – angestellter Chemiker (Dr. rer. nat.)

honeymouse360 
Beitragsersteller
 28.01.2017, 17:04

Also es ist voll nett, dass du versuchst meine Frage zu beantworten, aber da ich nur Bahnhof verstehe und ich den Begriff Oxidationszahl noch nie gehört habe, meine ich wohl etwas anderes. Ich weiß nur leider nicht wie man die Wertigkeit sonst nennt.

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OlliBjoern  28.01.2017, 18:40
@honeymouse360

Ok.

Also vielleicht meinst du ja z.B. H2O (da ist der Sauerstoff zweiwertig, da er zwei H Atome bindet)

NH3 (da ist der Stickstoff dreiwertig, da er drei H Atome bindet)

So in etwa?

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