Wie beeinflusst das Wirtschaftswunder den Alltag der 1950er-Jahre?

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Deutschland war ein riesiger Trümmerhaufen. Der Scharzmarkt blühte. Das Geld war nichts mehr wert. Konten waren gesperrt. Alle Waren waren rationiert. Die Menschen fuhren aus der Stadt aufs Land und tauschten alles war entbehrlich war gegen Lebensmittel, um die Hungerrationen, die es auf Lebensmittelkarten gab, aufzubessern. Diesen Spuk beendete die Währungsreform. Für jeden gab es 40DM, später noch einmal 20DM. Die Löhne und Gehälter wurden nicht mehr in der wertlosen Reichsmark, sondern in DM ausgezahlt. Es gab wieder einiges zu kaufen, z.B. Haushaltswaren. Lebensmittel und Bekleidung waren zwar noch rationiert. Aber die Rationen wurden immer größer, bis die Lebensmittelkarten ganz abgeschafft wurden. Alle, die Ihren Besitz behalten hatten, mußten einen Lastenausgleich zahlen. Daraus gab es für diejenigen, die alls verloren hatten, Aufbauhilfen. So wurde die Wirtschaft angkurbelt und das Wrtschaftswunder war geboren. Außerdem lagen damals sie Abzüge vom Lohn eines Normalverdieners (Steuern und Sozialversicherung) bei etwa 20%. Die Mehrwertsteuer betrug etwa 1/3 der heutigen Mehrwertsteuer. Das gab für die damalige Zeit eine große Kaufkraft in der Bevölkerung, die die Wirtschaft ankurbelte.

Das Wirtschaftswunder der 1950er und 60er Jahre in Deutschland basierte auf einem rasanten Wirtschaftswachstum infolge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und durch Exporte deutscher Produkte in die Welt.

Dadurch hatten die privaten Haushalte - auch die einfachen Arbeiter und Angestellten - so viel Geld zur Verfügung wie noch nie in der deutschen Geschichte und konnten sich regelmäßig Dinge leisten, die in den Jahrzehnten zuvor noch Luxus waren: Lebensmittel und Getränke wie Sekt, Feinkost, Pasteten, Rindfleisch. Haushaltsartikel wie Kühlschrank, Fernseher, Radio, Staubsauger. Urlaubsreisen nach Italien. Ein eigenes Auto inkl. Campingwagen.

Mit wunderschönen Bildern in diesem Buch dokumentiert: http://www.welt.de/kultur/article2099128/DarchingerunddasbunteWirtschaftswunder.html?pg=3 15 Beispielfotos, die das Leben in den 50er Jahren zeigen.


wolfgang11  03.06.2011, 17:24

Es wär so schön gewesen, wenn es so gewesen wäre und wir hätten uns regelmäßig solche Dinge leisten können. Mein erstes Auto kaufte ich 1960. Auf Kredit. Es wa nötig, weil die Wohnungsnot in den Städten noch so groß und Mieten in Neubauten fast unbezahl waren. Also da ging es nur aufs Land und für die Entfernung mußte ein Auto her. Das war ein 500 Fiat. Der hätte auch den kleinsten Wohnwagen nicht gezogen. In den 50er gab es zwar die ersten organiseirten Urlaubsreisen. Aber die gingen weitgehend in Deutschland von West nach Süd. Es gab auch Fernseher. Die standen in den Wirtschaften. Ich kann mich noch gut besinnen, daß bei der Fußballwelmeisterschaft 1958 Menschentrauben vor den Schaufenstern von Geschäften standen, in denen ein Fernseher ausgestellt war. Es ging zwar rasant aufwärts. Aber es fehlte an allen Ecken und Kanten. Viele Menschen waren ausgebomt und hatten ihr gesamtes Hab und Gut verloren. So etwas läßt sich nicht in ein paar Jahren ersetzen.

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Fraganti  15.07.2014, 17:30
@wolfgang11
Ich kann mich noch gut besinnen, daß bei der Fußballwelmeisterschaft 1958 Menschentrauben vor den Schaufenstern von Geschäften standen,

Da musst du dich irren.

Die Spiele der WM 58 Schweden liefen ab 19uhr. Die Läden schlossen um 18 Uhr und an Samstagen mit der Mittagspause. Die Geräte in den Schaufenstern waren aus. Strom war teuer und laufenlassen konntest du es nicht, denn das Testbild ab 22-23Uhr hätte sich bis morgens in die Bildröhre eingebrannt.

Bei der WM 54 Schweiz gab es die Trauben vor den Geschäften! Die Spiele begannen um 16:50-17Uhr. Viele hatten gerade Feierabend und kamen an den noch geöffneten Geschäften vorbei. 54 gab es auch wirklich viele, die keinen TV im Bekannten- und Verwandtenkreis hatten. 58 hatte sich das bereits sehr geändert.

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Fraganti  15.07.2014, 17:43
@Fraganti

1954: jeder 500. BRD Bürger besitzt ein angemeldetes TV Gerät

1958: jeder 25. BRD Bürger besitzt ein angemeldetes TV Gerät

Über die Anzahl der "Schwarzgucker" kann man nur spekulieren, aber auch deren Anzahl wird zwischen 54 und 58 enorm gestiegen sein.

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Was Wolfgang11 dir erzählt hat alles nichts mit dem Wirtschaftswunder zu tun und ist auch in sich nicht wirklich richtig.

Im Westen waren die meisten Schutthaufen schon Ende der 40er verschwunden. In der DDR lagen sie noch bis in die 60er Jahre rum. Du kannst einfach mal "Hamburg 1950" oder "Bremen 1949" oder "Köln 1951" in die Google Bildersuche eingeben und siehst, wie es dann dort aussah.

Genauso mit den angesprochenen Lebensmittelmarken. In der BRD war im Mai 1950 Schluss damit, in der DDR lief das System noch bis 1958 und anschließend gab es trotzdem...man kennt es ja von der DDR, die Leute standen Schlange für eine Tube Zahnpasta. In BRD gab es pro Tag bei einem Normalverbraucher (z.B. Schwerarbeiter bekamen mehr) 1550Kcal. Also so viel, wie heute von der Medizin für eine 70KG Person als gesund angesehen wird. Damals waren die Menschen im Durchschnitt aber kleiner als heute. Also nichts von wegen "Hungerration".

Die Währungsreform fand 1948 in der BRD statt. Du bekamst sofort 40DM bar ausgezahlt. Deine Reichsmark Barbestände hast du auf dein Reichsmarkkonto eingezahlt und dieses Konto wurde dann nach Plan in ein DM Konto umgewandelt. Aktien wurden 1:1 in DM umgeschrieben, genauso Lebensversicherungen, Löhne, Renten, Mieten...

Schulden, Hypotheken, Kredite wurden minimiert: 10RM wurden 1DM.

Kleingeld unter 1RM behielt erst mal noch Zahlungsgültigkeit.

Die Kontoumstellung ist nicht ganz so simpel zu erklären. Letztendlich wurden sie genau wie Schulden 10:1 getauscht. 10RM =1DM.

Bereits 1950 hatte im Durchschnitt eine Arbeiterfamilie ein höheres Niveau in Sachen Finanzen und Besitz erreicht, als vor dem Krieg für eine Arbeiterfamilie möglich war.

Aber all das, hat ziemlich wenig mit dem Wirtschaftswunder zu tun. Wenn heute von Wirtschaftswunder gesprochen wird, bezieht man sich auf die Späten 50er Jahre. Der Export- und Investitionsboom, der Mitte 54 langsam anfing und seinen Höhepunkt erst etwa Anfang 61 erreichte. Das brachte das Geld in die westdeutschen Kassen und Taschen.

Natürlich hatten dadurch nicht alle Geld. Wer nichts gelernt hatte und rumgammelte, hatte nichts und konnte sich nichts leisten. Wer gerade anfing, bekam nicht einfach wie durch Zauberhand ein voll eingerichtetes Haus und ein Auto, einen TV und einen Kühlschrank geschenkt. Da musste man schon für arbeiten und durfte sein Geld nicht verfeiern - genau wie heute.