Weshalb wir Hungern groß geschrieben?

9 Antworten

"Am h/Hungern sein" ist der sog. Rheinische Progressiv. Im Standarddeutschen ist diese Form noch nicht wirklich verankert, daher nehmen auch die amtlichen Rechtschreibregeln nicht ausdrücklich dazu Stellung. Die Schreibung ist also nicht zu 100 % geregelt.

Viele wählen, wenn sie so etwas schreiben, die Großschreibung, da "am" ursprünglich eine Verbindung aus Präposition und bestimmtem Artikel "an + dem"; und Artikel zeigen oft eine Substantivierung an.

Viele wählen allerdings auch die Kleinschreibung. Das sieht man, wenn man informelle, private Texte untersucht, bei denen die Schreibenden sich keine Gedanken über Regeln machen und auf ihr Bauchgefühl vertrauen. Dann sieht man diesen Progressiv als normale Form im Verbparadigma; also als auch nichts anderes als z.B. einen Konjunktiv oder dergleichen. Nur die ungewöhnliche Konstruktion mit angesprochenem "am" spricht dagegen.

Meiner Meinung gibt es für beide Schreibungen gute Gründe, aber ehrlich gesagt: Die meisten werden sich nie Gedanken über das Verbparadigma gemacht haben und daher, wenn man sie nach Regeln fragt, eigentlich immer auf die Substantivierung verweisen. Mit der Großschreibung ist man dann wohl auf der "sicher (er)en Seite".

Hungern wird in dem Fall groß geschrieben, weil 'am' davor steht.

Man schreibt z. B. alle Wörter groß, die einen Begleiter (Der, Die, Das) haben. Man schreibt auch groß, wenn ein versteckter Begleiter wie z. B. Beim, Am, Zur, Zum vor einem Tunwort steht.

Am Hungern. Statt 'Am', kann man auch 'Das' davorschreiben. Somit schreibt man das Hungern groß.

„Am“ ist ein Signalwort für die Großschreibung. Es setzt sich aus aus „an“ und „dem“ zusammen. Das Wort „dem“ ist die deklinierte bzw. gebeugte Form eines Artikels und wie du sicher weißt, wird nach einem Artikel großgeschrieben, weshalb aus dem Verb „hungern“ ein substantiviertes Verb wird.

Weitere Signalwörter: zum, beim, mit, im, vor, kein, ohne, der, die, das, ...

Beispiele:

  • Er nutzt ein Buch zum Lernen.
  • Beim Laufen gerät er schnell außer Atem.

Manche sehen Konstruktionen mit „am“ als schlechten Stil bzw. Umgangssprache an. Ich persönlich sehe da kein Problem.

Siehe auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Am-Progressiv


spanferkel14  06.07.2021, 21:36

Er benutzt ein Buch zum Lernen. (Hier geht es um "verwenden, gebrauchen", also um das Buch als Zweckgegenstand, und nicht um "nutzen" im Sinne von "davon profitieren, einen Nutzen daraus ziehen", selbst wenn es hier auch zutrifft, dass das Buch ihm hilft.)

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Das Verb hungern wird normalerweise natürlich klein geschrieben. Aber man kann daraus auch ein Nomen/Substantiv machen. Genauso wie es essen und das Essen (a. die Speise, b. der Vorgang des Kauens und Schluckens von Essbarem), schwimmen und das Schwimmen gibt, gibt es auch hungern und das Hungern.

In verschiedenen Gegenden Deutschlands sagt man in der Umgangssprache: "Ich bin am Arbeiten." Woanders heißt das: "Ich bin beim Arbeiten." oder: "Ich bin bei der Arbeit."

Siehst du was? Ja, genau. "Die Arbeit" hat einen Artikel, ist also ein Substantiv und wird groß geschrieben. Wenn ich bei der Arbeit bin, kann ich stattdessen auch sagen, dass ich beim (= bei dem) Arbeiten bin. Genauso verhält es sich mit "Ich bin am (= an dem) Arbeiten und natürlich auch mit "Ich bin am Hungern". Und jetzt bei heißen sommerlichen Temperaturen sind wir oft am Schwitzen und am Verdursten.

Hierzu noch ein lustiger Artikel von Bastian Sick, dem Autor von "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod":

Weil das eine sogenannte Nominalisierung ist, wenn du am (lang: an dem) vor ein Verb setzt, dann wird es durch dem "dem" ein Nomen und dadurch wird es natürlich groß geschrieben.