Welche Philosophen/Psychologen vertreten die Idee, dass es keinen freien Willen gibt?

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Radikale Positionen sind nicht immer durchgehend vertreten. Friedrich Nietzsche scheint mal sowohl Fatum als auch Willensfreiheit anzunehmen, wobei die Begriffe verschwimmen, mal den freien Willen für eine Illusion zu erklären, mals irgendeine Art von Freiheit anzunehmen. Friedrich Nietzsche, Willensfreiheit und Fatum (1862); Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister. Band 1 (1886). Zweites Hauptstück. Zur Geschichte der moralischen Empfindungen. 39. Die Fabel von der intelligibelen Freiheit; Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft (1886). Erstes Hauptstück: von den Vorurtheilen der Philosophen. 19. 21. Zweites Hauptstück: der freie Geist. 36.

Ein strikter Determinismus (strenge und ausnahmslose Notwenigkeit) ist im Großen auf drei Arten begründet worden:

1) Gott bzw. Gottheiten

2)Schicksal

3) Naturgesetzlichkeit

In neuerer Zeit wird dabei vor allem auf neuronale Prozesse im Gehirn verwwwwiesen.

Auf die Argumentation einiger radikaler (»harter«) Deterministen geht ein:

Ulrich Pothast, Die Unzulänglichkeit der Freiheitsbeweise : zu einigen Lehrstücken aus der neueren Geschichte von Philosophie und Recht ; mit einem Nachwort zur Taschenbuchausgabe: Halbe Freiheit und ganzer Schrecken? 1. Auflage. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1987 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft : Stw ; Band 688), S. 45 – 64

radikaler Determinismus in Verbindung mit völliger Bestreitung von Willensfreiheit#

Philosophen:

Anthony Collins, A philosophical inquiry concerning human liberty (1717)

Paul Thiry d'Holbach, Système de la nature ou des lois du monde physique et du monde moral, (1770) [Paul Thiry d'Holbach, System der Natur : oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt. Übersetzt von Fritz-Georg Voigt. 1. Auflage. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1978 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft ; Band 259). ISBN 3-518-07859-3]; ontologischer Materialismus, Kausalität nach einem mechanischen Modell, Gehirnphysiologie

Joseph Priestley, The Doctrine of philosophical necessity illustrated : being an appendix to the Disquisitions relating to matter and spirit. To which is added an answer to the Letters on materialism, and on Hartley's theory of the mind (1777); Kausalität, gleiche Ursachen müssen gleiche Wirkung haben, zusätzlich Argumentation mit göttlicher Vorsehung

Paul Edwards, Hard and soft determinismus. In: Determinism and freedom in the age of modern science : a philosophical symposium. Edited by Sidney Hook. Washington : New York University Press, 1958, S. 117 – 125; Nachdruck: Paul Edwards, Hard and soft determinismus. In: Free Will. Edited by Robert Kane. Oxford: Wiley-Blackwell, 2001, S. 59–67

http://faculty.www.umb.edu/steven.levine/courses/Fall%202015/What%20is%20Freedom%20Writings/Edwards.pdf

John Hospers begründet eine strenge und vollständige Determiniertheit menschlichen Verhaltens mit einem psychologischen Determinismus. Der Mensch sei insofern eine Ursache seiner Handlungen, als sie durch seinen Charakter verursacht seien. Der Charakter der Menschen sei aber durch Erbanlagen und Umweltbedingungen (insbesondere frühkindliche Erfahrungen) geprägt und geformt. John Hospers argumentiert besonders (indem er etwas, was von psychoanalytischen Theorien behauptet wird, als gegeben voraussetzt) mit dem Umbewußten. Ängste, Begierden/Sehnsüchte und Gefühle seien Ergebnisse unbewusster Einflüsse und wirkten sich als Motivationen aus. Daher sei das menschliche Verhalten nach Gesetzen des Verhaltens aufgrund der Umstände in einer Situation und seines Charakters völlig determiniert. Welches Motiv sich beim Wollen und Handeln duchsetze, ereigne sich notwendig und unausweichlich.

John Hospers, What means this freedom? In: Determinism and freedom in the age of modern science : a philosophical symposium. Edited by Sidney Hook. Washington : New York University Press, 1958, S. 126 - 142

deutsche Übersetzung (auszugsweise): John Hospers, Zweifel eines Deterministen. Texte zur Ethik. Herausgegeben von Dieter Birnbacher und Norbert Hoerster. Originalausgabe. München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1976 (dtv ; 6042), S. 330 – 338

deutsche Übersetzung: John Hospers, Die Reichweite menschlicher Freiheit. In: Freies Handeln und Determinismus. Herausgegeben und eingeleitet von Ulrich Pothast. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1978 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft ; Band 257), S. 93 – 114

Ted Honderich, Wie frei sind wir? : das Determinismus-Problem. Aus dem Englischen übersetzt von Joachim Schulte. Stuttgart : Reclam, 1995 (Universal-Bibliothek ; Nr. 9356). ISBN 3-15-009356-2

Ted Honderich, On determinism and freedom. Edinburgh : Edinburgh University Press, 2005. ISBN 0-7486-1841-4

Sam Harris, Free will. 1st Free Press trade paperback edition. New York : Free Press, 2012 ISBN 978-1-4516-8340-0; Kausalität, keine Kontrolle über das, was aus dem Unterbewußtsein kommt

Psychologen:

Burrhus Frederic Skinner, Beyond freedom and dignity (1971) [Burrhus Frederic Skinner, Jenseits von Freiheit und Würde. Deutsch von Edwin Ortmann. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1973. ISBN 3-498-06101-1]; Behaviorismus mit Reiz-Reaktion-Schema, Konditionierung, Mensch ist Produkt seiner Umwelt

Wolfgang Prinz, Freiheit oder Wissenschaft. In: Mario von Cranach, Klaus Foppa (Hg.), Freiheit des Entscheidens und Handelns : ein Problem der nomologischen Psychologie. Heidelberg: Asanger, 1996, S. 86 - 103

Wolfgang Prinz, Kritik des freien Willens : Bemerkungen über eine soziale Institution. In: Psychologische Rundschau 55 (2004), Heft 4, S. 198 - 206

http://www.studgen.uni-mainz.de/Dateien/Prinz_27.10.04_Manuskript.pdf

vorausgehende Kausalität, neuronale Prozsse, bevor etwas bewußt wird, Willensfreiheit gibt es tatsächlich nicht, aber durch Sozilisation entsteht bei den Menschen eine Perspektive, als ob es sie gebe

Keiner wirklich. Die zwei Knackpunkte sind die Begriffe "FREI" und "FREIHEIT" und die Gruppe "WOLLEN", "WILLE". An den sehr verschiedenen Definitionen und teils auch metaphysisch-verschiedenen Grundauffassungen hängt dann immer alles. Bei allen Ausführungen muss man sowohl das philosophische Umfeld wie auch die metaphysische Einstellung wie die von beidem beeinflussten Begrifflichkeiten beachten. So wird ja Schopenhauer gern als Vertreter des Determinismus angeführt. Seine Ausführungen aber richten sich stark gegen den Idealismus seines Erzfeindes Hegel und haben als Grundlage seine Metaphysik des "WILLEN" als vagabundierende Urtriebkraft. Dabei ist der Begriff "WILLE" von Schopenhauer sehr unglücklich gewählt, denn der normal verstandene menschliche Wille ist Ausläufer und Ausdruck des Urwillens, den er später durch Verzicht und Kultivierung zu bändigen empfiehlt. 

Zur Metaphysik: Alle Nicht-Idealisten, die etwas Geistiges nicht als unabhängig dominante Existenzform annehmen, sondern diesseitig bleiben und den Menschen als Teil des Seins, der Natur sehen, vertreten keine absolute Freiheit und damit auch keine "göttlich" absoluten freien Willen. So ist auch für Epikur freier Wille immer eingebunden in das Netz des innerweltlichen Beziehungsgeflechts. 


Ich lache eures freien Willens und auch eures unfreien: Wahn ist mir das, was ihr Willen heißt, es giebt keinen Willen.“




– Friedrich Nietzsche:






„Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der
Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das
Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun
hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine
Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der
Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich
meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat
einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht
wollen was er will.‘“




– Albert Einstein:






„Nehmen wir an, Sie hätten einen unbedingt freien Willen. Es wäre ein
Wille, der von nichts abhinge: ein vollständig losgelöster, von allen
ursächlichen Zusammenhängen freier Wille. Ein solcher Wille wäre ein
aberwitziger, abstruser Wille. Seine Losgelöstheit nämlich würde
bedeuten, dass er unabhängig wäre von Ihrem Körper, Ihrem Charakter,
Ihren Gedanken und Empfindungen, Ihren Phantasien und Erinnerungen. Es
wäre, mit anderen Worten, ein Wille ohne Zusammenhang mit all dem, was
Sie zu einer bestimmten Person macht. In einem substantiellen Sinn des
Wortes wäre er deshalb gar nicht Ihr Wille.“




– Peter Bieri:




https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille#Philosophische_Positionen_2










Albrecht  19.10.2017, 08:04

Peter Bieri, das Handwerk der Freiheit (2001) verneint zwar unbedingte Willensfreiheit, bejaht aber bedingte Willensfreiheit. Er vertritt einen Kopatibilismus. Es ist falsch, ihn bei einem radikalen Determinimus einzuordnen.

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Bei Philosophen kann ich nicht sagen. Der freie Wille ist gar nicht so frei. Frei ist ja nur eine Definition vom Mensch selbst.

Ein Wille entsteht aus einem Gefühlsantrieb heraus nachdem "ES" die Situation bewertet hat.

Das kann gut oder nicht gut sein.