Was sagt das über den Charakter einer Person aus, das Rosinenpicken (Argumentationstheorie) benutzt?

3 Antworten

So pauschal kann man das nicht beantworten.

In unserer komplexen Welt ist es schwer, Rosinenpickerei zu vermeiden. Denn irgendwo muss man bei einer Diskussion ja auch eine Abgrenzung finden. Am besten ist natürlich, wenn in einer Diskussion die Diskussionspartner für sich eine klare Abgrenzung vereinbaren. Wo sind die Grenzen der Diskussion? Wollen wir die ganze Welt diskutieren und bei modernen Konflikten in der Steinzeit anfangen oder nicht? Wenn die Abgrenzung vereinbart ist, dann würde ich bei deiner Haltung mitgehen. Denn wenn man sich dann nur eine Rosine herauspickt und den Rest weglässt, obwohl es innerhalb der Abgrenzung wichtig ist, dann ist es eher Charakterschwäche. Denn wer offen diskutiert, um ggf. auch etwas Neues zu lernen, der benötigt die Rosinenpickerei nicht. Solch eine gesunde Diskussion bedingt aber auch, dass man sachlich begründet, warum ein Aspekt nun zu weit geht und warum das mit der ursprünglichen Diskussion nichts mehr zu tun hat.

Es gibt aber gleich mehrere Faktoren innerhalb einer ungesunden Argumentation, weshalb die "Rosinenpickerei" Sinn ergeben kann.

Zunächst einmal gibt es den "Gish Gallop". Das bezeichnet jemanden, der permanent und immer wieder neue Punkte einbringt, der sich also weigert, sachlich über einen Punkt zu diskutieren. Wenn man sich auf den "Gish Gallop" einlässt, verliert man unweigerlich jede Diskussion, denn es ist unmöglich, stets alles Wissen der Welt auf sich zu vereinen. Vom gegenüber werden 50 Themen eingebracht und bei irgendeinem muss man dann zugeben, dass man das noch nie gehört hat. Das ist der Moment, wo der Gegenüber "Siehste" sagt.

Wenn ich mit einem "Gish Gallop" konfrontiert werde, dann verweise ich darauf, dass man doch erst mal beim Thema bleiben soll. Nämlich bei dem Thema, von dem der Gegenüber mit seinem "Gish Gallop" ablenken wollte. Man kann das zwar als Rosinenpickerei bezeichnen, aber es ist ein Weg, dem Gegenüber halbwegs sinnvoll zu begegnen.

Ähnlich sieht es mit dem "Whataboutism" aus. Eigentlich mag ich den Begriff nicht so sehr, da er gerne zweckentfremdet wird. Im Grunde ist dies ebenfalls ein Weg der Ablenkung. Wenn der gegenüber keine echten Argumente hat und argumentativ in einer Sackgasse landet, greift er dann zu diesem Stilmittel. Sätze beginnen mit "Aber was ist mit XYZ".

Ich kontere das gerne ebenfalls mit eigenem "Whataboutism". Wenn mir also in einer Ukraine-Diskussion jemand sagt "Aber die Amis xxx" sage ich "Aber die Russen haben viel mehr Kriege geführt". Das umgeht das Problem, dass man mir Rosinenpickerei oder Scheuklappen oder ähnliches vorwirft.

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist für mich geistige oder charakterliche Schwäche einer Person, zu solch anderen Stilmitteln zu greifen, um eine Diskussion absichtlich kaputt zu machen. In solchen Fällen einer ungesunden Diskussion ist Rosinenpickerei bzw. das beharren auf einem Diskussionsgegenstand für mich völlig in Ordnung.

Das werte ich für mich als eine Charakterschwäche, denke im Stillen, dass die Person nicht neutral werten kann und andere Meinungen nur schwer zulässt, keine „echten“ Argumente vorhanden sind.

Hinterlässt immer den Eindruck, dass man sich mit einer Sache gar nicht wirklich auseinandergesetzt hat, sondern einfach etwas daher oder nachplappert.

Tja, was soll ich dazu sagen? Du hast völlig recht. Ich sehe das genauso.

Ist aber trotzdem überaus verbreitet und äußerst beliebt. Sieht man sogar bei den Politikern und den Medien. Und sie machen das dermaßen geschickt, dass die breite Masse das nicht einmal mitbekommt!


Grautvornix  19.12.2023, 09:22

Bei dir hingegen, bekommt es jeder mit.

3
Tannibi  19.12.2023, 08:44

Kommt drauf an, in welcher Umgebung. Bei einer Rede
funktioniert es; in einer Debatte ist es leicht zu widerlegen.
Man muss als Gegner nur aufpassen, nicht in die
Whataboutismus-Falle zu gehen.

0
xubjan  19.12.2023, 08:42

Lustig, dass du exakt dasselbe machst. Jeden Tag.

8