Was ist nötig, um einen Rettungswagen fahren zu dürfen?

7 Antworten

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Es gibt in jedem Bundesland (Rettungsdienst ist Ländersache) eigene Vorschriften, mit welchen Qualifikationen die Rettungsdienstfahrzeue mindestens besetzt werden müssen. Beim Rettungswagen ist das meistens 1 Notfallsanitäter und 1 Rettungssanitäter... Wenn das gegeben ist, kann theoretisch auch eine 3. Person ohne jede Qualifikation fahren. Nur: Warum (und wovon) sollte ein Arbeitgeber jemand drittes bezahlen?

Was ggf. auch zu Missverständnissen führt, ist dass der Rettungssanitäter keine richtige Berufsausbildung ist, sondern nur eine Qualifikation, ein Lehrgang. Dementsprechend braucht man tatsächlich keine Berufsausbildung (sondern nur den Lehrgang), um RTW fahren zu dürfen.

Dann ist ja immer auch die Frage: ist die Berufsausübung gemeint oder reine Überführungsfahrten z.B. vom Hersteller zum Kunden? Dafür brauchst du natürlich keine medizinische Qualifikation. Auch wenn ein Ehrenamtler den RTW seines Ortsvereins zum Tanken fährt, braucht er dafür keine besondere Qualifikation.

Außerdem kennen viele Leute nicht den Unterschied zwischen einem RTW und einem KTW - bei letzterem reicht als Fahrer in Bayern und Niedersachsen eine "geeignete Person" - wie auch immer man das auslegt.

Dass der P-Schein im Rettungsdienst gefordert wird, ist selten. Auch Ortskundeprüfungen beschränken sich inzwischen eher darauf, dass man beim 'Rausfahren aus der Rettungswache weiß, in welche Richtung man abbiegen muss, wenn das Navi noch nicht soweit ist.


Kekstasse 
Beitragsersteller
 20.06.2021, 15:39

Ach, ich liebe den Föderalismus. Gibt doch nichts Schöneres, als wenn jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kochen kann.

Vielen Dank für die Infos, besonders zur Ausbildung als Rettungssanitäter. Das war sehr informativ.

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Mir ist klar, dass der entsprechende Führerschein vorliegen muss (üblicherweise C1), aber das kann doch nicht die einzige Voraussetzung sein, oder?

Doch, das ist die einzige Voraussetzung, zumindest was das Fahrerlaubnisrecht angeht. Was du darüber hinaus benötigst, ist im Anforderungsprofil des Arbeitgebers nachzulesen.

Einen P-Schein benötigst du nach §48 (2) Nr. 3 FeV nicht, siehe § 48 FeV - Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – seit 2000 in der Fahrerlaubnisbehörde in Berlin tätig

"Kann es sein, dass es regionale Unterschiede gibt": Ja, genau so ist es. Der Bund hat lediglich die Kompetenz, Gesetze hinsichtlich der Berufsausbildung zu erlassen, das basiert auf der "Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen" aufgrund von Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 Grundgesetz (GG). Aufgrunddessen, hat der Bund seit dem 01.01.2014 die Berufsausbildung zum Notfallsanitäter durch das Notfallsanitätergesetz (NotSanG) und die "Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter" (NotSanAPrV) bundesweit einheitlich geregelt. Davor war es die Ausbildung zum Rettungsassistenten, die durch das Rettungsassistentengesetz (RettAssG) vom 10. Juli 1989 und die RettAssAPrV bundeseinheitlich geregelt gewesen ist.

Für die Ausbildung von Rettungssanitäter/innen, hat der Bund von seinem Recht nicht Gebrauch gemacht. Hier existieren Empfehlungen (Grundsätze) bzw. seit 2019 eine "Muster- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung" des Bund- Länder- Ausschusses Rettungswesen bzw. jetzt nur noch "Ausschuss Rettungswesen" genannt. Diese Grundsätze bzw. nun die Muster- APrV, müssen von den Ländern in Landesrecht (Landesgesetze oder Rechtsverordnungen aufgrund eines Landesgesetzes), umgesetzt werden.

Ansonsten, liegt der Rettungsdienst, im übrigen auch Feuerwehr und Polizei, in der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Jedes Bundesland hat ein eigenes Landes- Rettungsdienstgesetz (RDG), in dem auch die Qualifikationsanforderungen für die Besatzung der jeweiligen Rettungsmittel (primär Rettungswagen, Krankentransportwagen, Notarzteinsatzfahrzeuge), geregelt sind. Alle Rettungsdienstgesetze sind insoweit gleich, dass ein Rettungswagen mit einer Notfallsanitäterin oder einem Notfallsanitäter oder übergangsweise noch Rettungsassistent/in als Transportführer (medizinisch verantwortlicher Fachperson) besetzt sein muss und der Krankentransportwagen mit mindestens einem Rettungssanitäter. Was die Qualifikation der zweiten Person, also der Assistenz- und Fahrerfunktion anbelangt, so gibt es durchaus Unterschiede in den Rettungsdienstgesetzen. Üblicherweise, muss die zweite Person auf einem Rettungswagen mindestens als Rettungssanitäter/in ausgebildet worden sein, auf einem KTW als Rettungshelfer, wobei es Länder gibt, in denen genügt für den RTW objektiv Rettungshelfer und auf dem KTW, muss der Fahrer über gar keine Qualifikation verfügen. Es ist jedoch nicht gesagt, dass die Rettungsdienste machen, was gesetzlich zulässig wäre, üblich ist eben RTW RettSan und KTW RH.

Eine "Fahrerlaubnis zur Personenbeförderung", umgangssprachlich als P- Schein bezeichnet, ist nach §48 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nicht erforderlich für Krankenkraftwagen der Feuerwehren UND der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste. Es gibt private Dienstleister, hauptsächlich im Bereich des qualifizierten Krankentransportes, hierfür, wird u.U. ein P- Schein benötigt aber nicht, wenn man für das Rote Kreuz, die Johanniter, die Malteser oder den Arbeiter- Samariter- Bund (ASB) tätig ist.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Kekstasse 
Beitragsersteller
 20.06.2021, 16:18

Vielen Dank mit dem Hinweis auf die Länderverordnungen! Da werde ich mir mal ein paar zu Gemüte führen.

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Rollerfreake  20.06.2021, 16:32
@Kekstasse

Sehr gerne :-). Hier mal beispielhaft das Rettungsdienstgesetz (RDG) des Landes Baden- Württemberg:

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://www.landesrecht-bw.de/jportal/%3Fquelle%3Djlink%26query%3DRettDG%2BBW%26psml%3Dbsbawueprod.psml%26max%3Dtrue%26aiz%3Dtrue&ved=2ahUKEwiV-tiCtqbxAhUEhv0HHcysCmEQFjAAegQIAxAC&usg=AOvVaw2eLPoZN1T0HYj27Thvv2py

In §1 findest du die Aufgaben des Rettungsdienstes, in §9 die Anforderungen an die personelle Besatzung der einzelnen Rettungsmittel.

Mfg

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Auf dem Rettungswagen dürfen nur ausgebildete Rettungssanitäter fahren.


iwaniwanowitsch  20.06.2021, 14:42

Nein. Als Vorraussetzung, einen RTW zu fahren, benötigt man nicht zwingend eine rettungsdienstliche Qualifikation. Die benötigst du nur, wenn du ein solches Fahrzeug im Einsatzdienst besetzen willst.

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myzyny04  20.06.2021, 14:47
@iwaniwanowitsch

Ja, ist selbstverständlich!! Wenn der Hausmeister mit dem RTW zum TÜV fährt muss der natürlich kein Rettungssanitäter sein.

Aber das war hier auch nicht gemeint.

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iwaniwanowitsch  20.06.2021, 14:51
@myzyny04
Was ist nötig, um einen Rettungswagen fahren zu dürfen?

Das es ausschließlich um den Einsatz geht, geht daraus nicht hervor.

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Logischerweise der Führerschein, wie du ja bereits erwähnt hast. Alles was danach kommt, läuft mancherorts verschieden.

-Wenn du ein Einsatzfahrzeug mit Sondersignal führen willst, brauchst du eine Unterweisung in die Paragraphen 35 und 38 StVo,

-wenn du einen Patienten transportieren willst, benötigst du mancherorts einen P-Schein. Bei mir hier benötigen nur die Einsatzkräfte, die Krankentransport für ihre eigenen, privaten Leitstellen fahren, einen. Wenn sie Einsätze für den öffentlichen Rettungsdienst fahren, benötigen sie keinen. Wir bei der Feuerwehr brauchen keinen. Es gibt aber in beide Richtungen andere Regeln: dass man im Rettungsdienst gar keinen benötigt, nur im unqualifizierten Krankentransport oder dass alle Mitarbeiter einen benötigen,

- wenn du Mitglied der Besatzung eines Rettungsmittels im Rahmen des gültigen Rettungsdienstgesetzes sein möchtest, benötigst du die entsprechende Ausbildung, also in NRW zB mindestens RS als Fahrer und RA als Beifahrer,

Du siehst: es gibt verschiedenste Vorraussetzungen, die von den unterschiedlichsten Stellen gestellt werden.

Wenn man einen Rettungswagen einfach nur überführt, ohne der Leitstelle als Einsatzmittel zur Verfügung zu stehen, benötigst du nur den Führerschein.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Kekstasse 
Beitragsersteller
 20.06.2021, 14:46

Super, vielen Dank für diese ausführliche Antwort! Ist also doch so kompliziert, wie ich befürchtet hatte. Aber das hilft mir sehr weiter. :)

Frage zu der "Unterweisung in die Paragraphen 35 und 38 StVO": Erfolgt das im Rahmen einer zertifizierten Schulung oder wie läuft das ab?

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iwaniwanowitsch  20.06.2021, 14:59
@Kekstasse

Naja, so kompliziert ist das ja nicht.

Wir machen das bei uns im Rahmen der jährlichen Fortbildung, weil diese Unterweisung darin enthaltenen sein muss. Also jedes Jahr einmal die einschlägigen Aussagen und Beispiele anhören und gut ist.

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Kekstasse 
Beitragsersteller
 20.06.2021, 15:11
@iwaniwanowitsch

Man kann nie wissen. :D

Zwischen dem, was der gesunde Menschenverstand als notwendig erachtet, und dem, was der Gesetzgeber vorschreibt, können ja manchmal Welten liegen.

Aber gut, jetzt weiß ich Bescheid. Fortbildung reicht, merk ich mir. Danke!

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