Was ist identitätsstiftend?

Osterkarnigel  19.04.2022, 12:32

In welchem Zusammenhang?

apparmor 
Beitragsersteller
 19.04.2022, 12:36

Auf die Identität in einer Gruppe oder großen Gemeinschaft.

3 Antworten

Du hast Bearman zitiert:

"Wenn das Versprechen einer religiösen Minderheit von der Mehrheit übernommen wird, verliert es seine identitätsstiftende Wirkung."

Dieser Satz ist nur im Zusammenhang zu verstehen - dann wird es klarer, was er meint:

Quelle: GEHIRN&GEIST 6/2010 - Das Magazin für Psychologie und Hirnforschung - Soziale Ansteckung - Gemeinsam sind wir - anders - Von Nikolas Westerhoff

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Im Bann der Gruppenidentität

Doch wie kommt es zu alldem? Viele Sozialpsychologen glauben: Oberstes Ziel der Mitglieder eines Netzwerks ist, zu beweisen, dass sie ebenso denken, fühlen und handeln wie die anderen - nur sind sie sich dieser Tendenz oft nicht bewusst. Das stärkt die eigene Gruppenidentität und fördert im Nebeneffekt das »Mit-dem-Strom-Schwimmen«, das sich für die meisten Menschen gut anfühlt, ihnen Sicherheit gibt.

In diese Richtung deutet etwa die Add-Health-Studie, eine der größten Erhebungen zur Wirkung sozialer Netzwerke überhaupt. Forscher der University of North Carolina in Chapel Hill befragten in den Jahren 1994 bis 2008 insgesamt mehr als 90.000 Schüler. Jeder Teilnehmer sollte fünf enge Bezugspersonen nennen und unter anderem Auskunft geben über sein Liebesleben, seine religiöse Einstellung und eventuelle Drogenerfahrungen. Auf diese Weise ließ sich belegen, dass in den engmaschigen Beziehungsnetzen von Jugendlichen ein besonders hohes Maß an sozialer Ansteckung stattfindet. Ob ungeschützter Sex, regelmäßige Kirchgänge oder Marihuanakonsum - die Kids taten zumeist das, was ihnen der Freundeskreis nahelegte.

Eine Studie des Soziologen Peter Shawn Bearman von der Columbia University in New York aus dem Jahr 2001 bestätigte die subtile Macht der Cliquenbildung. Bearman untersuchte gläubige Teenager aus dem Umkreis der Southern Baptist Church, die ein feierliches »Jungfräulichkeitsgelöbnis« abgelegt hatten. Die meisten von ihnen hielten sich fortan an ihr Bekenntnis und praktizierten keinen vorehelichen Sex. Wurde ein Anhänger deswegen von anderen, außen Stehenden abgelehnt oder belächelt, so behielt er sein restriktives Sexualverhalten umso wahrscheinlicher bei. Sammelte er jedoch Sympathisanten um sich, die ebenfalls keusch leben wollten, brach er das Gelöbnis eher!

Bearmans Erklärung: Wenn das Versprechen einer religiösen Minderheit von der Mehrheit übernommen wird, verliert es seine identitätsstiftende Wirkung. Die Konventionen sozialer Gemeinschaften haben aber genau diese Funktion: Sie sollen eine Gruppe zusammenschweißen und nach außen hin abgrenzen. Klappt das nicht mehr - etwa, weil sich schon zu viele haben »anstecken« lassen -, verlieren sie ihren Zweck.

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Er betrachtet das aus Sicht der Minderheitengruppe:

Wenn ein identitätsstiftendes Element einer Minderheit von einer Mehrheit übernommen wird, dann verliert die Minderheit ihre originäre Identität (sie grenzen sich nicht mehr ab) - es ist dann nichts besonderes mehr - die Minderheit geht in der Mehrheit auf.

Sehr wohl kann das später auch eine Identitätsstiftung auch der Mehrheit sein - diese Mehrheit hat sowieso auch identitätsstiftende Merkmale - aber er bezieht das auf eine Minderheitengruppe.


apparmor 
Beitragsersteller
 19.04.2022, 15:31
Sehr wohl kann das später auch eine Identitätsstiftung auch der Mehrheit sein - diese Mehrheit hat sowieso auch identitätsstiftende Merkmale - aber er bezieht das auf eine Minderheitengruppe.

Das wiederum erinnert mich an die Studie einer Gruppe von Affen, die bestraft wurden, wenn sie an eine Banane ran wollten. Neue Affen, die in die Gruppe hinzukamen, wurden dann von den alten Affen selbst bestraft um die neuen vor der Strafe zu beschützen. Am Ende wurden alle Affen ausgetauscht und kein Affe wusste mehr warum man an die Banane nicht ran darf. Sie ließen sie da einfach hängen obwohl es keine Strafen gab.

Die Mehrheit hat sozusagen eine Gewohnheit assimiliert ohne zu wissen warum. ^^

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Das kann man so nicht sagen. Identitätsstiftend ist etwas, was einer Gruppe von Menschen (oder anderen Lebewesen) eine Gemeinsamkeit gibt. Das kann eine Mehrheit von etwas sein, aber auch eine Minderheit innerhalb einer größeren Gruppe.


apparmor 
Beitragsersteller
 19.04.2022, 12:41

Laut dem Soziologen Peter Shawn Bearman (2001): Wenn das Versprechen einer religiösen Minderheit von der Mehrheit übernommen wird, verliert es seine identitätsstiftende Wirkung. Also immer von Minderheit ausgehend. So habe ich es verstanden.

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Es hängt ab von deiner Einstellung, für die du Gleichgesinnte suchst.

Diese Gruppe verkörpert die identitätsstiftenden Gleichgesinnten.


apparmor 
Beitragsersteller
 19.04.2022, 12:39

Ich habe gelesen, dass identitätsstiftend ist was eine Minderheit macht und es mit der Mehrheit teilt. ^^

Eine Studie des Soziologen Peter Shawn Bearman (2001) bestätigte die subtile Macht der Cliquenbildung. Bearman untersuchte Gläubige Teenager aus dem Umkreis der Southern Baptist Church, die ein feierliches Jungfräulichkeitsgelöbnis abgelegt hatten. Die meisten von ihnen hielten sich fortan an das Bekenntnis und praktizierten keinen vorehelichen Sex. Wurde ein Anhänger deswegen von anderen, außenstehenden abgelehnt oder belächelt, so behielt er sein restriktives Sexualverhalten umso wahrscheinlicher bei. Sammelte er doch Sympathisanten um sich, die ebenfalls keusch Leben wollten, brach er das Gelöbnis eher.
   Bearmans Erklärung: Wenn das Versprechen einer religiösen Minderheit von der Mehrheit übernommen wird, verliert es seine identitätsstiftende Wirkung.
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Spielwiesen  19.04.2022, 12:52
@apparmor

Das ist ein besonderes Beispiel, und zwar insofern, als bei den Jugendlichen die Elemente 'Trotz' und 'Resilienz' hinzukommen; außerdem haben sie von Haus aus durch die Erziehung in dieser Glaubenstradition ihre charakterlich Festigkeit mitbekommen.

Dass das, was für die rel. Minderheit identitätsstiftend wirkt, zunichte gemacht wird, wenn die Mehrheit es übernimmt, ist eigentlich trivial: das Alleinstellungsmerkmal ist abhanden gekommen!

Da müsste einer schon Pädagoge vom Schlag meiner Mutter sein, die erst dann glücklich war, wenn alle mitmachten! (Kindergärtnerin!)

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apparmor 
Beitragsersteller
 19.04.2022, 12:56
@Spielwiesen

Meinst es ist wirklich ein besonderes Beispiel? Vielleicht ist das sozialpsychologisch meistens so?

Mein Beileid wegen deiner Mutter :D

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Spielwiesen  19.04.2022, 14:00
@apparmor

Hmm. Meistens nicht, glaube ich. Nur dann, wenn sich die Minderheitsgruppe zuvor als Außenseiter wahrgenommen und nun endlich etwas Identitätsstiftendes gefunden hat. Dafür könnten sie bewundert werden wollen..:-) ◇ Was aber beileibe nicht heißt, dass nun Hinz & Kunz sich anschließen sollen - das würde sie ja von ihrem Podest stoßen!

~~•

Wenn ichs sozialpsychologisch betrachte, war meine Mutter nicht übel..! 😀

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