Was ist eure Meinung zu Sigmund Freud?

5 Antworten

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Geradezu visionär hat Freud die überragende Rolle der Kindheit erkannt, was sich heutzutage neurologisch bestätigen läßt. Die verschiedenen Teile des Gehirns entwickeln sich unterschiedlich schnell. Deshalb gibt es die Erscheinung der kindlichen Amnesie (kein Mensch kann sich an seine eigene Geburt erinnern). Er hat die menschliche Hirnaktivität noch mit einem Eisberg verglichen. Nur die Spitze des Eisbergs entspricht unserem Bewußtsein, 90% sind uns im wesentlichen verborgen. Inzwischen ist man sogar der Meinung, dass der uns bewußte Teil möglicherweise nur der Größe eines Schneeballs entspricht, der auf dem Eisberg ruht. Auch der berühmte Satz: "Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus." findet inzwischen neurologische Bestätigung. Man geht inzwischen (teilweise) davon aus, dass unser Unbewußtes unsere Entscheidungen trifft noch bevor wir dies wissen. Kein Mensch kann Fahrradfahren lernen dadurch, dass man es ihm erklärt und kein Mensch weiß wie er es macht, dass er Fahrrad fahren kann oder könnte es erklären.

Eine berechtigte Kritik an Freud bezieht sich auf seine geringe kritische Auseinandersetzung mit seiner "wissenschaftlichen" Methode, die nach heutiger Auffassung das Adjektiv "wissenschaftlich" eigentlich nicht erfüllt. Auch seine rigorose Ablehnung alternativer Ansätze und Meinungen (z.B. Alfred Adler) ist ein dunkler Fleck in seinem Werk.

Von Experte Littlethought bestätigt

Ein mutiger Pionier, dem die Psychotherapie-Welt und die Psychologie im Allgemeinen eine Menge zu verdanken hat. Zentrale Ideen hat er vorausgegriffen (wie z.B. die Idee, dass ein großer Teil des Seelenlebens unbewusst ist. In der heutigen Psychlogie spricht man von "Impliziten" Prozessen, wie z.B. "impliziten Einstellungen", "impliziten Motiven" usw. Diese Idee ist nach wie vor relevant). Er ist der Begründer der Psychoanalyse, die zwar nicht in ihrer Urform praktiziert wird aber maßgeblich für die heutige Analytische Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Therapie ist.

Selbstverständlich hat Freud auch Thesen vertreten, die so nicht haltbar oder fraglich sind (z.B. die Idee vom Penisneid). Leider wird er in der Fachwelt viel zu sehr abgewertet und sein Beitrag zur Psychologie wird häufig nicht adäquat gewürdigt (im Psychologiestudium erlebt man oftmals ein ziemlich undifferenziertes Freud-Bashing).

Aus meiner Sicht ein beeindruckender Mensch mit einem beeindruckenden Werk, das er hinterlassen hat.


xxHistoryxx  28.05.2024, 21:46

Klingt mir eigentlich ziemlich plausibel, diese Penisneid-Theorie, wenn ich mir die heutigen Feministen ansehe.

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Freud hat die Psychoanalyse entwickelt und seither gehört sie zum therapeutischen Standard. In dieser Hinsicht war er seiner Zeit weit voraus, weil er das Zusammenwirken von Psyche und Körper erkannt und wissenschaftlich benannt hat.

Auch wenn sein "Ödipuskomplex" heute nicht mehr state of the art ist, hat er doch eine erstaunlich Entwicklung in Gang gesetzt, die die psychische Erkrankung aus dem Irrenhaus geholt hat.

Ich habe einige seiner Erkenntnisse gelesen, aber kann nicht alles nachvollziehen und/oder bestätigen.

Ich habe mittlerweile die Meinung, dass er selbst starke Probleme hatte und die in seine Erkenntnisse eingeflossen sind.

Von Experte Altersweise bestätigt

Ein Pionier und Wegbereiter.

Und ein Kind seiner Zeit: Seine Verdienste in der Psychologie sind meiner Meinung nach unbestritten, aber selbstverständlich ist vieles davon inzwischen vollkommen überholt und basierte auf heute veralteten Ansichten.