Was ist Anarchokapitalismus und was haltet Ihr davon?

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Anarchokapitalismus ist ein System, in dem der Kapitalismus wirtschaftlich vorherscht, jedoch keine Staatsmacht existiert, also Anarchismus. Es soll außer dem "Non aggresion Principle" keine bindenden Gesetze für alle geben, es soll formell absolute Freiheit für alle ohne Einschränkung geben.

Das Problem jedoch ist, dass die Theorie des Anarchokapitalismus die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus ignoriert. Der Kapitalismus benötigt einen Staat, um die großen Unternehmen zu schützen und in Zeiten der Krise wirtschaftlich zu unterstützen sowie die Rechte der Firmen durchzusetzen. In einer "Ancap" Gesellschaft würde sich auf kurz oder lang daher eine Regierung, bestehend aus den größen Firmen, mit Polizei, Gericht etc. bilden.

Zudem ist diese formelle Freiheit eben nur eine formelle, keine tatsächliche. Große Firmen und Reiche haben weiterhin mehr Möglichkeiten als Arme, durch das Wegfallen des Staates sind die Armen und weniger Reichen den Reichen nun gänzlich ausgeliefert. Die Firmen könnten alles mit ihnen anstellen, sie für Hungelrohn arbeiten lassen, kaum Schutz anbieten,... kein Gesetz würde es ihnen verbieten, und es wäre mehr profitabel für sie. Die Gesetzmäßigkeiten würden auch dazu führen, dass sich der Kapitalismus, nun ohne regulierenden Staat, deutlich schneller monopolisiert, bis eine oder eine handvoll Unternehmen die komplette Kontrolle haben.

Das Endergebnis wäre also eine Rückkehr zum Kapitalismus mit Staat, eine Oligarchie oder gar eine Form des Feudalismus.

https://youtu.be/HTN64g9lA2g?si=DgCDbpUGOo8nRZdg


Apoka392  28.09.2023, 15:06
Der Kapitalismus benötigt einen Staat, um die großen Unternehmen zu schützen und in Zeiten der Krise wirtschaftlich zu unterstützen sowie die Rechte der Firmen durchzusetzen.

Mit anderen Worten, ohne Staat keine großen Unternehmen mehr...

In einer "Ancap" Gesellschaft würde sich auf kurz oder lang daher eine Regierung, bestehend aus den größen Firmen, mit Polizei, Gericht etc. bilden.

Wie denn wenn es sie nicht mehr gibt?

Zudem ist diese formelle Freiheit eben nur eine formelle, keine tatsächliche. Große Firmen und Reiche haben weiterhin mehr Möglichkeiten als Arme, durch das Wegfallen des Staates sind die Armen und weniger Reichen den Reichen nun gänzlich ausgeliefert. Die Firmen könnten alles mit ihnen anstellen, sie für Hungelrohn arbeiten lassen, kaum Schutz anbieten,... kein Gesetz würde es ihnen verbieten, und es wäre mehr profitabel für sie.

Und warum sollte jemand dort arbeiten? Ohne Großkonzerne, in einer Gesellschaft mit kleineren aber dafür mehreren Betrieben, hat man als Arbeitskraft doch genau so eine Marktmacht die man ausspielen kann.

Die Gesetzmäßigkeiten würden auch dazu führen, dass sich der Kapitalismus, nun ohne regulierenden Staat, deutlich schneller monopolisiert, bis eine oder eine handvoll Unternehmen die komplette Kontrolle haben.

Wie denn, wenn kein Staat mehr da ist um die ineffizienzen von großen Unternehmen aufzufangen?

Was die Monopole angeht, bin ich mir selber nicht nicht sicher. Gerade bei kapitalintensiven Produktionsprozessen kann ich mir vorstellen, dass es zu häufigen Preisabsprachen kommt und neue Konkurrenz nicht so ohne weiteres auf Grund der Hürde des hohen Kapitals in die Märkte eintreten kann... welche Komponente noch wichtig ist, ist die Außenpolitik. Hier würde ich mich auch fragen, wie ein kleiner Staat oder ein Kollektiv kleiner privater Staaten sich gegen ein zentralisiertes System zur Wehr setzt.

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Adjuvar  28.09.2023, 15:16
@Apoka392
  • Ohne Staat würden sich immernoch große Unternehmen durch die stete Konkurenz bilden
  • Große Unternehmen könnten sich zu einem Staat zusammentun, ähnliche wie sich Unternehmen zu Kartellen formieren können
  • Welche Macht hast du, als einzelne durchschnittliche Person, im Vergleich zu Unternehmen wie Tesla, VW und co?
  • Zu den Gesetzmäßigkeiten: Lies Marx
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Apoka392  28.09.2023, 15:35
@Adjuvar
Ohne Staat würden sich immernoch große Unternehmen durch die stete Konkurenz bilden

&

Der Kapitalismus benötigt einen Staat, um die großen Unternehmen zu schützen und in Zeiten der Krise wirtschaftlich zu unterstützen sowie die Rechte der Firmen durchzusetzen.

Diese beiden Aussagen widersprechen sich diametral... Und warum bildet sich bei Konkurrenz große Konzerne. Gerade die Abwesenheit von Konkurrenz, staatliche Geldschöpfung und staatliche Geldspritzen ermöglichen doch erst Oglipole und zahlen für ihrer ineffizienzen.

Große Unternehmen könnten sich zu einem Staat zusammentun, ähnliche wie sich Unternehmen zu Kartellen formieren können

Ganz so einfach wird das nicht. Gerade wenn man bedenkt dass große Konzerne räumlich ausgebreitet sind und nicht konzentriert in einer Region wirken können... aber nun gut. Gehen wir mal davon aus dass das Sillicon Valley zu einem Staat wird. Würden dort Menschen freiwillig leben, wenn dieser Staat sie schlecht behandelt? Warum sollten sie?

Welche Macht hast du, als einzelne durchschnittliche Person, im Vergleich zu Unternehmen wie Tesla, VW und co?

Meine Füße habe ich ... mit denen kann ich abstimmen und wo anders hin gehen, wo mir bessere Lebensverhältnisse geboten werden. Gibt ja kein Visum mehr das mich aufhalten könnte 😜.

Und welche macht ein Großkonzern wie VW wenn er keine staatlichen Subventionen mehr bekommt, wenn die über Jahrzehnte aufgebauten Ineffizienzen nicht durch die Bundesregierung abgefedert bekommt, sondern aufeinmal selber tragen muss, welche macht hat ein VW Konzern wenn niemand der kompetent ist mehr dort arbeiten möchtet, weil sie ihre Mitarbeiter knechten.

Zu den Gesetzmäßigkeiten: Lies Marx

Der hat schon damals nicht funktioniert oder gestimmt. Das wird sich die nächsten 200 Jahre auch nicht ändern.

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EisenGans  28.09.2023, 20:51

"Der Kapitalismus benötigt einen Staat, um die großen Unternehmen zu schützen ..."

Dein ernst? Der Libertäre Standpunkt spricht von Corporatismus.

Aber, wie kommst du auf die Idee libertäre Standpunkte aus einem Linken Kapitalismus begriff heraus zu erklären. - Damit erklärst du eigentlich weniger den Anarchokapitalismus als mehr deinen eignen linken Standpunkt.

"Das Endergebnis wäre also eine Rückkehr zum Kapitalismus mit Staat, eine Oligarchie oder gar eine Form des Feudalismus."
Das ist auch sinnlos.

Du willst als Anarchokapitalist eben Genua das nicht: Staat.

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Adjuvar  28.09.2023, 21:56
@EisenGans

Du machst den epistemischen Fehler, Erkenntnis über eine gewisse Theorie nur mit Begrifflichkeiten und Konzepten der jeweiligen erklären zu können. Das ist jedoch falsch, tendiert zum Subjektivismus.

Ob die Verflechtung nun Corporatismus gennant wird oder nicht ist einerlei, Fakt ist, sie existiert und ist dem Monopolkapitalismus inhärent. Der Monopolkapitalismus ist das notwendige Ergebnis der kapitalistischen Entwicklung, der steten Monopolisierung durch die stete freie Konkurenz und dem sich herausbilden von Gewinnern und Verlierern. Die entstandenen Monopole nun üben beträchtlichen Einfluss auf den Staat aus, wie etwa die Banken und führende Autounternehmen. Dieser Prozess lässt sich in jeder kapitalistischen Gesellschaft betrachten, vom viktorianischen Britannien bis zu Südkorea und den USA.

Ob ein Anarchokapitalist die Rückkehr zum Staat will oder nicht ist bedeutungslos. Der Staat ist das Produkt gesellschaftlicher Widersprüche, ein Mittel zur Ausübung der Macht. In einer Ancap Gesellschaft würde sich die Monopolisierungstendenz wohl soweit entwickeln, bis ein oder mehrere Monopole sich entscheiden, einen Staat, oder eine Art davon, zur gesammtgesellschaftlichen Durchsetzung ihrer Interessen zu gründen. Die privaten Sicherheitskräfte würden in eine Nationalarmee und private Regularien in staatliche Gesetze aufgehen.

Es ist eben jene idealistische und statische Sichtweise, die Ancaps an den Tag legen, sie leugnen die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus, die Bewegung und Tendenzen dieser Gesellschaft und glauben, eine Ancap-Gesellschaft würde immer auf dem Stand des Kapitalismus der freien Konkurenz und des freien Marktes wie in England zur Zeit der Industrialisierung bleiben.

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Was ist Anarchokapitalismus

...ist die einzige realistische Form von Anarchismus. Der anarchokapitalismus erkennt an, dass die Regeln von Angebot und Nachfrage tief im Menschen inne wohnen und sollte es zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft kommen, dass diese sich Marktwirtschaftlich organisieren muss oder wieder staatliche Strukturen braucht und damit wieder Herrschaft ausgeübt wird.

und was haltet Ihr davon?

Interessantes Konzept. Gerade wenn wir durch die Globalisierung die Nationalstaaten immer weiter geschwächt werden, brauchen wir neue Ideen um unsere Gesellschaft zu organisieren. Eine Welt der Millionen Lichtensteine die anarchokapitalistisch organisiert ist, wäre mir lieber als eine Weltstaat.

Anarchokapitalismus ist sozusagen die Reinform des Kapitalismus, d.h. keine wirtschaftlichen Einschränkungen durch die Öffentlichkeit. Mit "Anarchie", also Herrschaftslosigkeit hat er tatsächlich nichts zu tun, den Kapitalismus basiert auf Herrschaft.

Was ich davon halte?

Würde er vorherrschen, so hätten wir nach ein paar Jahren ganz viele Staaten, die ähnlich aufgebaut wären wie z.B. Nordkorea oder die DDR, also streng kapitalistische Diktaturen.

In einem anarchokapitalistischen "System" hätte kaum mehr ein Mensch Freiheit, er hätte keine Rechte mehr und wäre der Willkür der Machthaber hilflos ausgeliefert.

Die Wirtschaft dagegen würde in eine schnelle Abwärtsspirale münden, Armut würde sich schnell ausbreiten, es wären grobe Hungersnöte zu erwarten.

Oder in anderen Worten: Würden wir dem Anarchokapitalismus 100 Jahre lang eine Chance geben, so wären wir am Ende wieder da, wo wir vor 10'000 Jahren waren. Wir müssten also wieder 10'000 Jahre der Entwicklung wiederholen und hätten am Schluss überhaupt nicht davon profitiert.

Deshalb lehne ich diese ideologische Spinnerei entschieden ab.