Was haltet ihr von "Political Correctness?


16.01.2020, 18:40

Weiß, dass ich jeweils das zweite Paar Gänsefüßchen vergessen habe.Fügt es in Gedanken einfach hinzu...

15 Antworten

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Wenn jeder weiss was und wies gemeint ist, dann ist political correctness nicht wichtig.

Wenn das aber nicht jeder weiss, dann führt es zu Missverständnissen, und gerade in wichtigen Ebenen wie z.B. Politik können Missverständnisse fatale und sogar tödliche Folgen haben. Ausserdem kann es in der Politik dazu führen, dass ohne political correctness die Politiker nicht mehr für ihre eigenen Worte in die Verantwortung gezogen werden können. Dann sagt jemand zum Beispiel “Die sollte sterben für ihre Lügen“, ein Anhänger führt das dann tatsächlich aus, und dann sagt der Politiker nur “Ach Gott, so ernst war das doch nicht gemeint, das war nur übertrieben und methaphorisch, ich muss doch nicht immer politisch korrekt sein!“. Gut, das ist ein extrem Beispiel was passieren könnte, wenn Menschen in wichtigen Positionen nicht politisch korrekt sein müssen. In abgeschwächten Formen ist das aber relativ realistisch. Siehe AfD, deren Parolen, und die steigende Gewalt aus der Rechtsextremen Szene. In den Köpfen bleibt teilweise wirklich das Scheinbild, dass alle Flüchtlinge ja Vergewaltiger wären, was kompletter Unfug ist. Das ist ein Minimaler Pozentanteil.

Höflichkeit und echter Respekt vor dem Gegenüber im verbalen Umgang ist immer wichtig und man kann dies von jedem in jeder Situatioin verlangen, auch beim schlimmsten Feind. In diesem Sinne schliesse ich mich den Vorrednern an, die wie z.B. Aischylos Anstand einfordern.

Political Correctness dagegen hat nichts zu tun mit Respekt vor Deinem Gegenüber, nicht einmal mit übertriebenem Respekt. Im Gegensatz zu diesem nimmt sie nicht den konkreten Menschen in den Blick, sondern ein abstraktes Kollektiv, zu dessen vermeintlichem Interessenvertreter sich der Sprecher ungefragt macht. Sie ist die Einhaltung von neuen, willkürlich selbt gewählten Regeln und dient nur dem Sprechenden selbst, nicht seinem Gegenüber. Vor allem dient sie der Beruhigung des Gewissens, manchmal verhilft sie auch zu einem Gefühl der eigenen intellektuellen Überlegenheit.

Sie geht von der zweifelhaften Annahme aus, dass sich Unrecht beheben lässt, indem man es umbenennt. In der Regel wird Political Correctnes nicht von den betroffenen eingefordert. Diese haben ganz andere, reale Probleme - eben die, die durch Umbenennung nicht verschwinden.

Die aktiven Anwender von Poiltical Correcnes, die z.B. das Wort Zigeuner tatsächlich bewußt vermeiden (also nicht nur aus Furcht, anzuecken) und auch andere darauf hinweisen, pflegen erfahrungsgemäß gerade keinen respektvollen Gesprächsstil gerade auch in der Diskussion mit Andersdenkenden, sie sind laut, bevormundend und gern beleidigend, und sie legen diesen Umgangston auch nicht ab, wenn ihr Gegenüber zufällig ein Zigeuner ist.

Man kann konservativ oder progressiv, individualistisch oder egalistisch sein, und es gibt in allen Lagern vernünftige Leute, die auch mit Andersdenkenden sachlich und respektvoll umgehen, und solche die das eben nicht können. Im sich selbst als rechts definierenden Lager gibt es auch furchtbare Rüpel, unter den selbsternannten Linken ebenso. Bei letzteren ist die Political Correctnes gang und gäbe und keineswegs ein Garant für mehr Respekt.

Ich habe übrigens bewußt den Sinti-und-Roman-Unsinn als Beispiel gewählt, weil ich selbst noch Zigeuner kennengelernt habe, von denen die Älteren noch die KZ-Nummer tätowiert hatten, und die mit diesem Unfug nichts zu tun haben wollten. Die offizielle Benennung als Sinti und Roma hat übrigens die Stadtverwaltung nicht gehindert, diese aus ihrer Sozialsiedlung, wo sie seit Jahrzehnten zu hause waren, zu vertreiben, um diese für eine Unsumme an einen auch ansonsten durch Korruption bekannten Bauunternehmer zu verkaufen, der da eine ziemlich hässliche Luxussiedlung hingestellt hat.
Hat die Umbenennung irgendwo in Deutschland dazu geführt, dass die Kultur der Zigeuner anerkannt wird? Sie werden angepasst und angeglichen, Sesshaftigkeit ist nun mal eine Voraussetzung für die gute deutsche Meldepflicht, für die Schulpflicht, für den Kindergarten, für ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis, für die ja von allen geforderte Integration in die alleinseligmachende deutsche Amtskultur. Aber wenn man sie "Sinti und Roma" nennt und ihnen ein Kulturzentrum hinstellt, in dem die Probleme ihres Volkes vor 70 Jahren dokumentiert werden, dann erweist man ihnen "Respekt". Nein. Tut man nicht. Man erweist ihnen leider nur Poitical Correctnes.

Der Ausdruck "Sinti und Roma" ist deswegen unsinnig, weil Sinti ein Volk bezeichnet und Roma eine Sprache. Und beides zusammen ergibt noch nicht die gesamtheit der Zigeuner. Es ist so, als wenn man die Deutschen in "Bayern und Plattdeutsche" umbenennen würde. Es gibt Zigeuner, die fühlen sich beleidigt, wenn man sie als Roma bezeichnet. Zudem ist der Ausdruck Zigeuner nicht, wie immer wieder behauptet wird eine abwertende Fremdbezeichnung (Zieh-Gauner, diese bizarre Idee stammt aus dem dritten Reich), sondern eine ganz neutrale Eigenbezeichnung (Zingari). So haben sie sich selbst genannt, und so haben sie eben dann auch manche anderen Völker genannt, mit denen sie in Kontakt kamen. Natürlich kann der Begriff abwertend verwendet werden, wenn man die Menschen selbst verachtet. Aber das trifft dann auch auf Sinti, Roma und jeden anderen Begriff zu.


Claud18  04.04.2021, 13:33

Eine sehr gute Erläuterung! Allerdings sind die Roma tatsächlich eine Volksgruppe, ihre Sprache ist das Romanes. Sie leben hauptsächlich in Südosteuropa (sofern sie nicht inzwischen bei uns eingewandert sind). Die Sinti dagegen sind eine andere Volksgruppe, die schon seit Jahrhunderten in Deutschland lebt. Als Zigeuner bezeichnet(e) man alle diese Gruppen, und sie nennen sich zum Teil auch selber so. Beim "Karneval der Kulturen" in Berlin war eine Trachten- und Musikgruppe dabei, die sich "Krajner Zigeiner" nannte - ich vermute, sie kam aus Slowenien.

Wir sollten auch bedenken, dass das Wort "Zigeuner" nicht nur als Schimpfwort (ich kannte es jahrelang ohnehin nicht als Schimpfwort) benutzt wurde, sondern auch eine Sehnsucht nach Freiheit symbolisierte (vor allem in Ostdeutschland, wo wir nicht reisen durften) und romantisch überhöht wurde. Man denke an die Operette "Der Zigeunerbaron" oder an das Lied "Zigeunerjunge" von Alexandra. Die Wirklichkeit sah oft nicht so romantisch aus.

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Es kommt darauf an. Ich finde auch, dass wird oft übertrieben. Allerdings ist der Grundgedanke absolut unterstützenswert.

Also ich versuche schon darauf zu achten. Wenn jemand für mich weiblich wirkt, sich mit einem weiblichen Vornamen vorstellt, dann sehe ich die Person als weiblich, bis zu dem Moment in dem ich korrigiert werde. Ich finde es bei Menschen, die sich als non binary oder gender fluid identifizieren etwas schwieriger. An sich akzeptiere ich alles und diskutiere dann nicht, aber ich möchte dann auch anständig korrigiert/auf etwas hingewiesen werden und nicht gleich angemault oder beleidigt werden. Im Englisch Unterricht haben wir über Sklaverei geredet und da war ich mir auch unsicher, ob ich "black people" oder "people of color" "Afro-American" sagen sollte. Ich hab viele Freunde aus verschiedenen Ländern in Afrika und die haben mir auch immer was anderes gesagt. Ich würde nie die N Bombe droppen, aber was viele Bezeichnungen angehen, finde ich teilweise echt unklar, wenn jeder was anderes sagt. Ich kann mir dann zwar merken wie ich mit der jeweiligen Person sprechen soll, aber in der Klasse ist das natürlich etwas schwierig.

Die Fähigkeit, sich diplomatisch auszudrücken, geht leider zunehmend verloren. Dafür wird dann - auch verbal - immer gleich los gekeult. Shitstorms sind das beste Beispiel dafür.

Andererseits sind aber die, die gegen Political Correctness sind, die ersten, die sie einfordern, wenn sie mal Opfer von Shitstorms werden.

Ansonsten gebe ich Frau Weigel mit der Ablehnung von Political Correctness völlig Recht - wo die alte Nazischl...mpe Recht hat, hat sie Recht. Das darf ja wohl gesagt werden :;)))

Dieser Beitrag kann Spuren von Sarkasmus und Ironie enthalten.